Seewölfe - Piraten der Weltmeere 305. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 305 - Fred McMason


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war. Der Mund war schmal und verkniffen, das Kinn leicht eckig, die Nase hart und gerade. In diesem Gesicht stand der Schimmer von Boshaftigkeit geschrieben. Es drückte gleichzeitig Verachtung gegenüber allem aus, was nicht von gleichem Rang und Stand war.

      Ein typischer Blaublütiger, dachte Hasard, der für seine Mitmenschen nur Verachtung empfindet, sich selbst aber in die Nähe eines Gottes erhebt.

      Hier mußte gehorcht werden, hier gab es beim geringsten Anlaß die Neunschwänzige, und deshalb hatten sich Haß und Angst, Ärger und Verdruß in die Gesichter der Mannschaft gegraben.

      Dafür war der Hochmut in den Gesichtern der Achterdecks-Clique um so deutlicher und ausgeprägter.

      Immerhin ließ der Earl sich herab, selbst zu sprechen, nachdem er den Seewolf gemustert hatte – auch mit jener Verächtlichkeit, die deutlich aussagte, daß hier ein kleiner Kapitän einem adligen Herrn gegenüberstand.

      Hasard lief bei dieser Musterung schon die Galle über, denn auch die anderen Kerle hatten diese überlegene Arroganz an sich. Allerdings stellte er fest, daß sie mit ihm nicht so richtig klarkamen, das bewiesen ihre heimlichen Blicke, mit denen sie ihn taxierten. Sie sahen einen riesig gebauten, breitschultrigen und schwarzhaarigen Mann vor sich, der unbewußt Autorität ausstrahlte und so wirkte, als könnte niemand seinen Willen beugen.

      Der Seewolf ermahnte sich selbst zur Ruhe, denn am liebsten hätte er hier auf dem Achterdeck gleich einmal aufgeräumt und den Kerlen gezeigt, woher der Wind wehte. Verdammt, er stand schließlich auch in königlichen Diensten und bildete sich nichts darauf ein, im Gegensatz zu dieser muffigen Adels-Clique.

      „Gut, daß Sie den Befehl befolgt haben“, sagte der Earl. Seine Stimme klang fast gleichgültig, aber herablassend, weil er sich seiner Macht anscheinend absolut sicher war.

      „Mir blieb nichts anderes übrig, denn es sieht so aus, als würden Sie bedenkenlos das Feuer auf unschuldige Männer eröffnen lassen, dabei in Kauf nehmend, daß einige von ihnen getötet werden.“

      „In der Tat“, sagte der Earl kalt und verletzend. „Mein Rang als Kommandant gibt mir das Recht dazu, von dem ich selbstverständlich Gebrauch gemacht hätte.“

      Schon für diese menschenverachtende und hochnäsige Art hätte Hasard ihm am liebsten eine gepfeffert. Sein Gesicht wurde noch kantiger und härter, in seinen eisblauen Augen erschien kalte Wut.

      „Wir hatten durch widrige Umstände Verluste unter dem gewöhnlichen Schiffsvolk“, erklärte der Earl zynisch. „Sie werden verstehen, daß ich diese Verluste ausgleichen muß. Ich brauche von Ihnen ein Dutzend Kerle, die ich hiermit requiriere. Natürlich nur allerbestes Material.“

      „Unter Material verstehe ich Gebrauchsgegenstände, Tauwerk, Ersatz“, sagte Hasard höhnisch.

      „Was Sie darunter verstehen, Mister Killigrew“, sagte der Earl kalt und leidenschaftslos, „interessiert mich nicht, und darüber gibt es auch keine Diskussion. Ich requiriere zwölf Kerle im Namen der Krone, und Sie haben diesem Befehl zu gehorchen.“

      „Sie meinen, Sie pressen zwölf freie Männer mit Gewalt“, stieß der Seewolf zornig hervor.

      „Zwölf Kerle“, beharrte der Earl und pochte mit den Knöcheln der rechten Hand nachdrücklich auf die Schmuckbalustrade. Gleichzeitig verfinsterte sich sein Gesicht ob dieser Unbotmäßigkeit. „Das ist eine Sache des Vaterlandes, die von erstrangiger Bedeutung ist und der sich jeder unterzuordnen hat.“

      Sekundenlang stellte sich Hasard zwölf seiner Arwenacks gepreßt auf diesem höllischen Eimer der Navy vor, unter dem Kommando des Earls und seiner hochnäsigen Chargen. Die zwölf würden innerhalb kürzester Zeit eine Revolte anzetteln und hier aufräumen. Dann lachte er hart und trocken auf und hielt dem Earl die Mappe unter die Nase.

      „Auch das hier ist eine Sache des Vaterlandes“, betonte er scharf. „Ich bin ebenfalls in geheimer Order unterwegs, im Namen der Königin, befohlen durch den Sonderbeauftragten Ihrer Majestät, Lord Cliveden.“

      Der Earl of Cumberland zog die Augenbrauen hoch, rümpfte leicht die Nase und wandte dann den Blick ab. Seine Lippen preßten sich zu schmalen Strichen zusammen.

      „Mister Killigrew“, sagte er scharf, „ich verbitte mir jegliche Diskussion darüber. Sie haben der Royal Navy und dem Adel zu gehorchen, und Sie werden es gefälligst mir überlassen, zu entscheiden, welche Mission wichtiger ist. Meine geht in jedem Fall vor.“

      Der Erste, ein hagerer dünner Mann, trat einen Schritt vor. Sein Blick war empört auf Hasard gerichtet.

      „Hören Sie schlecht?“ fauchte er. „Sie überstellen gefälligst zwölf Ihrer Kerle und widersprechen nicht ständig.“

      „Wenn Sie zwölf meiner Leute pressen, kann ich mein Schiff nicht mehr segeln“, sagte Hasard mühsam beherrscht. „Ich muß dann meine Mission als gescheitert betrachten.“

      „Ihre Mission“, sagte der Earl zynisch. „Lächerlich! Wenn Sie nicht augenblicklich gehorchen, dann können Sie hier vom Achterdeck aus gleich mit ansehen, wie Ihr Schiff versenkt wird. Vierzehn Stücke sind darauf gerichtet, das sind vierzehn Treffer bei dieser lächerlichen Distanz. Und wenn das Schiff versenkt ist, können Sie ebenfalls gleich hier an Bord bleiben. Die ganze Mannschaft wird dann hier anmustern.“

      Jetzt wurde die Stimme noch zynischer und verächtlicher.

      „Die ganze Mannschaft natürlich nicht“, sagte der Earl. „Ich lasse nur die Kräftigsten aus dem Wasser holen, und ich werde selbstverständlich auch keine Blessierten an Bord nehmen. Ich brauche zwölf Kerle, der Rest des Pöbels kann meinetwegen ersaufen.“

      Ja, das ist dir zuzutrauen, dachte Hasard wie betäubt. Er war sich seiner Ohnmacht durchaus bewußt, und er mußte sich mit aller Gewalt zurückhalten, um nicht in diese menschenverachtende Fratze mit beiden Fäusten voll hineinzuschlagen.

      Wie in einem bösen Traum sah er sich um. Auf dem Quarterdeck und der Kuhl erkannte er wie Schemen die Gesichter der Mannschaft, die fast erstarrt wirkten. Sie alle sahen so aus, als hätten sie gemeutert. Wahrscheinlich hatte dieser Schinder ein paar Leute aus der Crew bereits an die Rah hängen lassen. Mit den brutalsten Mitteln hatte man offensichtlich diese Meuterei unterdrückt, und jetzt fehlten an Bord verständlicherweise Männer. Da war die „Isabella“ gerade rechtzeitig aufgekreuzt.

      Hasard wünschte diesen Earl und seine Clique in die finstersten Schlünde der Hölle, doch das änderte nichts an den harten Tatsachen, mit denen er sich konfrontiert sah.

      Noch immer gab er keine Antwort, während die Gesichter ihn hoheitsvoll musterten. In einigen sah er bereits das überlegene Grinsen. Andeutungsweise kroch es um die Mundwinkel.

      „Profos!“ rief der Erste Offizier.

      „Aye, aye, Sir!“ donnerte eine Stimme. Gleich darauf wurde das Achterdeck von einem Bullen geentert, der ergeben auf die Planken stierte.

      Hasard sah sich diesen Profos an. Das war ein Metzger, ein blutsaufender Schlachter mit einem Gesicht wie aus drückenden Alpträumen. Jedes halbwüchsige Kind wäre bei diesem Anblick schreiend davongerannt.

      Eine plattgehauene Visage war das, als sei er sein Leben lang mindestens jede Woche einmal gekielholt worden. Oder er hatte jahrelang mit dem Gesicht auf einer scharfkantigen Korallenbank übernachtet. Da war alles zerkloppt, breitgeschlagen, zerfurcht und voller Narben, da fehlten mindestens die Hälfte aller Zähne, und da gab es auch nur noch ein Ohr, und selbst das sah noch erbärmlich aus.

      Gegen den war der gewiß nicht schöne Carberry ein herzerfrischender Anblick, und wenn Hasard diesen Vergleich fortsetzte, dann hatte Ed ein zartes unschuldiges Engelsgesicht, das jeden Tag mit Schönheitspflästerchen und Eselsmilch gepflegt wurde.

      Diese höllische Visage hatte ein äußerst brutaler Schmied als Amboß benutzt und darauf Hufnägel geschmiedet.

      „Ich warte auf Ihre Antwort“, sagte der Earl schnarrend. „Oder brauchen Sie Ihr Schiff nicht mehr?“

      In diesem Augenblick der hilflosen


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