Seewölfe Paket 7. Roy Palmer

Seewölfe Paket 7 - Roy Palmer


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Kutscher stutzte, dann griff er hitzig nach der Pfanne.

      „Wenn das Ding nicht so schwer wäre“, sagte er grimmig, „würde ich es dir über den Schädel donnern.“

      „Dann brauchst du jeden Tag eine neue Pfanne“, sagte Ed grinsend und ging davon, einen Kutscher zurücklassend, der in übelster Weise die unschuldigen Ahnen des Profos beleidigte.

      Das Bordleben nahm seinen normalen Verlauf.

      Vor einer Weile war der Seewolf auf dem Achterdeck erschienen, ebenso Ben Brighton, der nur ein paar Stunden geschlafen hatte.

      Aus dem Meer schob sich langsam das Flammenrad der Sonne, die gelbe und rötliche Strahlen über das Wasser warf, das an einigen Stellen wie Silber aussah.

      Dieser frühe Morgen war immer der schönste Teil des Tages, das jedenfalls empfanden die meisten.

      Dann duftete es aus der Kombüse, daß ihnen das Wasser im Mund zusammenlief. Dann hing der Geruch nach Teer, Holz und Salzwasser über dem Schiff, dann war noch deutlich das Knarren, Ächzen und Stöhnen des Schiffes zu hören, dann war es angenehm frisch und man freute sich auf den beginnenden Tag.

      Aber das alles wurde durch eine leichte Sorge überlagert, und die ging besonders dem Kutscher an die Nieren, obwohl sie die gesamte Crew betraf.

      Sie hatten schätzungsweise tausend Meilen hinter sich, ein verdammt langer Törn mit harten Stürmen, eintönigen Kalmen, in denen sie tagelang auf Wind gewartet hatten, und der ihnen wechselweise dann wieder so stark um die Ohren blies, daß sie alle Mühe hatten, das Schiff sicher zu führen.

      Jetzt wurde der Proviant knapp, und in den Wasserfässern herrschte Ebbe. Der Rest des Wassers schmeckte auch dementsprechend, als sich winzige grüne Fäden darin gebildet hatten.

      Es gab Reis an Bord, tonnenweise, Reis, den sie aus dem Land des Großen Chan mitgebracht hatten, aber jetzt hing ihnen der Reis zum Hals heraus, und die verdammten Hagelkörner, wie Carberry sie nannte, verpappten einem den Magen. Und der alte O’Flynn hatte stur behauptet, wenn sie das Zeug auf ewig fressen müßten, dann würden sie alle gelb im Gesicht werden wie die Chinesen, die es auch davon hätten.

      Der Kutscher warf in das kochende Wasser Teeblätter, damit sich die abgestandene Brühe besser trinken ließ, und in einem Anfall von Großmut goß er etwas Rum dazu, nicht viel, aber doch so, daß es den Geschmack spürbar anhob.

      Anschließend ging der Kutscher mit einer heißen Muck voll Tee nach achtern, um sie dem Seewolf zu bringen. In der Kuhl fing Ben Brighton ihn allerdings ab.

      „Du willst Hasard bloß wieder die Ohren vollmaulen“, sagte der untersetzte dunkelblonde Mann ruhig. „Aber mittlerweile weiß jeder an Bord, was los ist, und sobald Land in Sicht ist, wird sich einiges ändern. Gib mir also die Muck, ich bringe sie nach achtern, Kutscher.“

      „Sag es dem Kapitän noch einmal“, drängte der Kutscher.

      „Jaja, schon gut“, erwiderte Ben geduldig. „Ferris Tucker hat es mit dem Holzbohrwurm und du mit dem Proviant. Eins ist so schlimm wie das andere.“

      Brighton kehrte aufs Achterdeck zurück, gab dem Rudergänger Pete Ballie eine Muck voll Tee und reichte Hasard die andere, die er dem Kutscher abgenommen hatte.

      Der Seewolf trank einen langen Schluck. Über den Rand der Muck sah er Ben genau in die Augen.

      „Der Kutscher, nicht wahr?“ fragte er.

      „Ja, der Kutscher und Ferris. Der eine vergeht bald vor Sorge um Proviant und Wasser, und der andere träumt nur noch von diesem lausigen Holzbohrwurm.“

      Ja, der Holzbohrwurm, dieses kleine ekelhafte Geschöpf der salzhaltigen Meere, hockte unter dem Rumpf, nagte, bohrte und fraß, und verwandelte das harte Holz zu feinem Staub. Das wußte der Seewolf schon seit langem. Nur hatte es sich bisher nie einrichten lassen, ein stilles Plätzchen anzulaufen, um das Schiff zu krängen, damit man diesem Höllenbiest endlich zu Leibe rücken konnte. Immer war etwas anderes dazwischengeraten, zuletzt der schwere Taifun, der die „Isabella“ knüppelhart durchgerüttelt und einige unangenehme Spuren hinterlassen hatte.

      „Wir haben Kalimantan längst erreicht“, sagte der Seewolf mit einem Blick nach Backbord, wo es jedoch nur Wasser und kein Land zu sehen gab.

      „Ändern wir den Kurs etwas nach Süden, dann segeln wir einen langen Umweg, behalten wir ihn bei, dann landen wir an der Spitze dieser Insel, wenn uns die Karten nicht im Stich lassen. Bis dahin vergehen aber noch ein paar Tage.“

      „Die Zeit ist jedenfalls nicht gegen uns“, sagte Ben. „Vielleicht gibt es hier ein ruhiges Plätzchen, eine stille Bucht, in die wir verholen können. Der Kutscher versucht ständig, mir den Aufenthalt an Land so schmackhaft wie nur möglich darzustellen. Ein Trupp könnte Früchte sammeln, ein anderer Wasser holen, ein dritter sich nach Frischfleisch umsehen. Er brennt geradezu vor Eifer.“

      Hasard lachte leise. Im Geist sah er den Kutscher vor sich, wie der mit beschwörenden Gesten glänzte und jedes seiner Worte durch alle möglichen Körperverrenkungen unterstrich.

      „Der Kerl würde am liebsten die gesamte Crew zum Früchtesammeln an Land schicken. Und Ferris kann den Holzbohrwurm allein bekämpfen. Nun gut, wir haben Zeit, niemand drängt uns. Schick mir Shane und Ferris aufs Achterdeck, Ben!“

      Gleich darauf erschien der rothaarige Schiffszimmermann Ferris Tukker. Sein verstecktes Grinsen war nicht zu übersehen, ihm schwante etwas, weshalb er aufs Achterdeck sollte.

      Der riesengroße bärtige Big Old Shane, Hasards väterlicher Freund, erschien ebenfalls, und etwas später gesellte sich der Decksälteste Smoky dazu.

      Nur Carberry und der junge O’Flynn hielten sich in der Kuhl auf. Sie wußten ebenfalls, um was es ging.

      „Was treibt der Holzbohrwurm, Ferris?“ fragte Hasard augenzwinkernd den Schiffszimmermann.

      „Den höre ich nachts in der Koje nagen, Sir“, sagte Ferris, wobei er gewaltig übertrieb. „Der frißt unsere Lady vom Vorschiff bis zum Heck. Nicht mehr lange und die Masten segeln allein weiter. Wir segeln sozusagen auf einem völlig seeuntüchtigen Wrack. Ich sage dir, Sir, dieses kleine ekelhafte Mistvieh ist das schlimmste Ungeheuer, das es gibt. Zu Millionen hat es sich in den Planken eingenistet und treibt dort sein Unwesen. Der Holzbohrwurm sieht ungefähr so aus: Er hat einen Kopf wie ein kleiner Bohrer und …“

      „Geschenkt, jeder kennt das Biest. Wir segeln also auf einem Wrack, das jeden Moment auseinanderbricht, nicht wahr?“

      „So ähnlich jedenfalls“, murmelte Ferris düster, der es gar nicht erwarten konnte, dieses kleine Biest zu bekämpfen. „Nachts höre ich überdeutlich, wie er nagt, bohrt, Holz frißt, es in Staub verwandelt, bis – bis …“

      Tucker suchte nach einem passenden Ausdruck, und Smoky hatte ihn auch gleich zur Hand.

      „Bis die ‚Isabella‘ selbst ein riesiger Holzbohrwurm ist, wolltest du sagen.“

      „So ähnlich wollte ich es sagen“, meinte Ferris erleichtert. „Technisch ist das natürlich fast unmöglich.“

      Hasard grinste über das „fast unmöglich“, wie der besorgte Zimmermann es ausdrückte.

      Selbstverständlich steckte das kleine Vieh im Holz, welches Schiff, das die Meere befuhr, hatte ihn nicht an Bord. Aber Ferris tat dann immer so, als müßten sie damit rechnen, bald das Schiff aufzugeben und zu verlassen, weil die Holzbohrwürmer es in ihren Besitz genommen hatten wie eine Horde wilder Piraten.

      Das sprach allerdings nur für den Schiffszimmermann, der der Beste war, den Hasard kannte, der sich ständig um das Schiff kümmerte, der tüftelte, überlegte und immer wieder etwas Neues ersann.

      „Was gedenkst du also zu tun? Die ‚Isabella‘ aufslippen?“

      „Nicht unbedingt, Sir. Wir könnten sie in einer stillen Ecke bei Ebbe stark krängen. Ich kenne den äußersten Krängungswinkel, es kann nichts passieren. Wir setzen die Gold- und


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