Seewölfe Paket 7. Roy Palmer
denn er hatte länger als acht Stunden am Ruder gestanden.
Für die Arbeiten am Schiff blieben außer Hasard Brighton, Tucker, Big Old Shane, Bob Grey, Jeff Bowie und der Moses Bill an Bord.
Der Kutscher wurde mit seinen Leuten an Land gepullt. Sie begannen augenblicklich damit, Kokosnüsse einzusammeln, wobei der Gambianeger Batuti die Hauptarbeit leistete. Mühelos erklomm er die höchsten Stämme und warf die Nüsse in den Sand, wo die anderen sie zu einem großen Haufen trugen.
Als die ersten Palmen abgeräumt waren, drangen die Männer in das Dikkicht ein und verschwanden.
Der nächste Trupp pullte an Land. Tucker brachte sie hin und führte das Boot wieder zurück, dabei umfuhr er gleich noch einmal die „Isabella“ von vorn bis achtern und lauerte darauf, daß sich die Lady auf den Grund legte.
Old O’Flynn, Thorne und Pete Ballie hockten sich anschließend in das Beiboot und ruderten dorthin, wo das Wasser tiefer war.
Kleine Fische bissen schnell an, und von den ersten benutzten sie Stücke, um damit größere zu ködern.
Hasard blickte über die Bucht. Seine kampferprobten Seewölfe boten ein ungewohntes Bild, wie sie friedlich dahockten, angelten, Beeren sammelten oder Kokosnüsse holten.
Jetzt verschwand auch der Profos mit seinen Leuten, die jeder ein kleineres Faß trugen. Falls man eine Quelle entdeckte, würden sie eine Kette bilden, die Fässer füllen und weiterreichen. Es war ein mühsames Unterfangen, aber es ging nicht anders, denn nicht überall legte die Natur ihnen alles in den Schoß. Vor den Erfolg hatten selbst die Meergötter den Schweiß gesetzt.
Unmerklich begann das Wasser abzulaufen, und da Ferris Tucker immer noch nicht die Erlaubnis hatte, die Barren umzusetzen, begann er damit, alles nach oben zu mannen, was später bei den Arbeiten benötigt wurde.
Solange sie die „Isabella“ hatten, war der Holzbohrwurm noch nie ausgeräuchert worden, und einige hatten nicht die geringste Ahnung, wie das vor sich ging.
Insgeheim glaubte Pete Ballie tatsächlich an glühende Nadeln, die man in die Löcher steckte, um die Würmer damit zu piesacken, bis sie mit dem Bohren aufhörten. Oder war der ganze Holzbohrwurm vielleicht nur eine freundliche Erfindung von Ferris?
Der untersetzte, stämmige Ben Brighton schaute zum Horizont und stieß Tucker an, der gerade ein kleines Pulverfaß nach oben an Deck gebracht hatte.
„Sieh dir die Wolke an, Junge“, sagte er. „Wenn die keinen Regen bringt, fahre ich ab heute als Moses.“
„Das erleichtert bloß den anderen Kerlen die Arbeit.“
„Klar“, sagte Ben, „und du kannst das Schiff krängen, wenn es aufgehört hat, zu regnen.“
„Mann, na klar!“ rief Ferris erfreut und starrte die dunkle Wolke an, die schnell heranrückte.
Sofort wurden Segelleinen gespannt, wie sie es schon oft getan hatten, um das kostbare Naß aufzufangen.
„Daran habe ich auch nicht gedacht“, gab Hasard zu. „Aber diese Insel ist ein typischer Regenwald. Hier geht vermutlich jeden Tag ein gewaltiger Schauer nieder, ähnlich wie in Südamerika am Amazonas.“
Es ging wirklich sehr rasch. Ein Teil der heranjagenden Wolke regnete unter Blitz und Donner schon auf See ab, der Rest erreichte die Bucht und überschüttete sie und den Wald mit einem unwahrscheinlich schnellen und harten Schauer.
Die eilig herangeschleppten großen Fässer füllten sich unheimlich schnell. Das Segelleinen konnte die Massen kaum halten. Vier Fässer waren randvoll, große Fässer.
Die drei Fischer im Boot wurden von dem Schauer durchnäßt und freuten sich über die Abwechslung, obwohl es lauwarmer Regen war, der da wie eine Sintflut vom Himmel stürzte.
Dann war es vorbei, so schnell wie es erschienen war.
Kurze Zeit später hatte die „Isabella“ Grundberührung.
Behäbig setzte sich der Kiel auf den feinen Sand und neigte sich dann ganz sachte zur Seite.
Diesmal schufteten sie wie verrückt. In den Räumen setzten Hasard und die an Bord verbliebenen Männer die schweren Barren um, und schaufelten den Reis zur anderen Seite. Gehorsam legte sich das Schiff auf die Seite.
Der Schweiß lief ihnen in Strömen über die Gesichter, aber Ferris Tukker lächelte selig und wischte sich die nassen roten Haare erleichtert aus der Stirn.
„Jetzt geht dein Traum vom Holzbohrwurm endlich in Erfüllung“, sagte Ben grinsend, „und du kannst sie jagen wie das liebe Vieh.“
„Das werde ich auch“, versprach Ferris. Zusammen gingen sie an Deck und sahen sich um.
Der Rahsegler lag hart auf Backbord und Ferris deutete auf den Anker.
„Ein wenig können wir noch durchholen, bis das Tau steif steht. Das Schiff gibt noch nach.“
„Das bezweifele ich ganz entschieden“, widersprach Ben.
„Ich habe da ein besonderes Gefühl für solche Sachen“, entgegnete Ferris.
Er behielt recht. Der Krängungswinkel nahm noch etwas zu, nicht viel, aber dadurch wurde doch noch eine etwas größere Fläche des Rumpfes frei.
Auf Steuerbord verließen sie das Schiff und bewegten sich über den feinen Sand, auf dem nur noch fingerbreit das Wasser stand.
Ein gekrängtes Schiff sah auf dem Trocknen schlimmer aus als im Wasser, fand der Moses. Da hatte man immer das Gefühl, als würde es sich total zur Seite neigen und umfallen. Auch wirkte es jetzt viel größer, riesengroß fast.
Aber wie sah es unten aus!
Der Rumpf war eine schwarze Masse, aus der es grünlich und dunkelblau schillerte. Langsam trocknende Algenbärte hingen auf der Unterseite, durchwachsen von Tausenden von Muscheln. Und in den braunen und schwärzlichgrünen Algen wimmelte es. Da rannten winzige Krebse durcheinander und versuchten, das rettende Wasser zu erreichen, da gab es andere kleine Tiere und ekelerregendes Gewürm aller Sorten und Gattungen, von kleinen Spinnen angefangen bis zu kugelförmigen Wesen, die der Moses noch nie in seinem Leben gesehen hatte.
Er ging näher heran und bückte sich.
„Sind das die Holzbohrer, Mister Tucker?“ wollte er wissen und deutete auf die winzigen, kaum sichtbaren Dinger, die wild durcheinanderkrabbelten.
„Nein, die sitzen unter den Muscheln im Holz drin. Erst müssen die Muscheln abgekratzt werden, die Algen entfernt und der Rumpf sauber sein, vorher sieht man die Gänge nicht.“
Tucker starrte auf die Muscheln und riß eine aus dem Gewirr von verfilztem Seetang heraus. Er hielt sie dem Bengel unter die Nase und grinste.
„Das fressen die Spanier – und Kastanien“, setzte er hinzu. „Wenn die mal aufslippen, haben sie wochenlang zu essen. Ich habe mal gesehen, wie sich eine ganze Crew am Rumpf sattgefressen hat.“
Bill musterte den Zimmermann von der Seite, doch Tucker zeigte keine Regung, lediglich Big Old Shane grinste in seinen Bart, bis aus dem Grinsen schließlich ein dröhnendes Lachen wurde.
„Dann geraten die Spanier wenigstens nie in Not“, sagte der Bengel trocken. „Die brauchen nur auf Grund laufen, und schon haben sie ihre Mahlzeit beisammen. Daran sollten wir uns in Notzeiten auch gewöhnen, Mister Tucker.“
Sie schleppten das Werkzeug herbei und der Moses wollte mit einem großen Kalfateisen zu kratzen beginnen, aber Tucker schüttelte den Kopf.
„Man fängt ganz unten an Bill, wenn man nicht richtig aufgeslippt ist, sondern so liegt wie wir. Weshalb?“
Der Bengel grinste pfiffig.
„Weil das Wasser steigt und man länger arbeiten kann, und wenn es weiter steigt, kann man immer noch oben abkratzen.“
„Richtig, mein Sohn. Dann fang mal an!“
Den