Seewölfe Paket 7. Roy Palmer
falsch besegelt. Außerdem wird es bald untergehen. Räumt das Werkzeug aus dem Beiboot, ich segle hinüber, Ben übernimmt solange das Kommando über das Schiff.“
Die Seewölfe hatten sich im Nu zusammengereimt, was es mit dem Spanier auf sich hatte.
Carberry nickte gedankenvoll.
„Das waren vierzehn Besatzungsmitglieder, die wir gestern fanden“, sagte er gepreßt, „auf Pfähle gespießt. Das Schiff hat sich wahrscheinlich losgerissen, oder die Kopfjäger haben es auf See geschickt.“
„Mit einem Segel am Großmast?“ zweifelte Hasard. „Mit dem Schiff stimmt etwas nicht. Ich glaube nicht, daß Kopfjäger sich in der Takelage eines Seglers auskennen. Vermutlich befindet sich doch jemand an Bord und ist verletzt. Willst du mit, Dan?“
Fast alle wollten mit, aber Hasard wehrte ab.
„Drei, vier Mann genügen völlig, die anderen passen auf, daß wir nicht hinterrücks überfallen werden.“
Er nahm Carberry, Dan und Smoky mit, und steckte zwei Brandsätze in sein Hemd. Dem Profos bedeutete er, Stahl, Flintstein und eine Lunte mitzunehmen.
„Wollen wir den Kahn denn versenken?“ fragte Ed.
„Das nicht, aber man sollte keine Möglichkeit außer acht lassen. Wenn es eine Falle ist, werden die Kerle ihr blaues Wunder erleben, deshalb nehmen wir das Zeug mit.“
Sie stiegen in das große Beiboot, das einen Mast und ein Segel hatte. Brighton reichte den Männern noch zwei Musketen.
Gegen den auflandigen Wind, der nur schwach wehte, segelten sie los, durchkreuzten die Bucht und erreichten etwas später das Meer.
Von hier aus war der Spanier deutlich zu sehen. Wie ein welkes Blatt trieb er der Küste entgegen, schwerfällig im Wasser liegend.
„Ich glaube, er ist noch tiefer abgesackt“, sagte Hasard.
„Dann kann es auch keine Falle sein“, meinte Dan. „Was wollen die denn mit einem untergehenden Schiff noch angreifen?“
„Vielleicht hast du recht.“
Carberry änderte leicht den Kurs, bis sie in fast spitzem Winkel dem Spanier entgegensegelten.
„Die Ankertrosse hängt im Wasser“, sagte Dan, der Augen wie ein Seeadler hatte. „Der Anker fehlt, wahrscheinlich haben die Wilden die Trosse durchgeschnitten und den Kahn einfach treiben lassen, als er leck war.“
„Oder sie haben ihm dieses Leck selbst verpaßt“, meinte Carberry.
Hasard legte die beiden Brandsätze auf die Ducht.
„Entzündet die Lunte“, sagte er. „Wir segeln auf Lee achtern heran, ich springe hinüber und enter am Hennegat auf. Ihr legt sofort wieder ab, bis der Abstand mindestens hundert Fuß beträgt. Sollte jemand auf mich lauern oder mich überwältigen, dann jagt ihr dem Kahn die beiden Brandsätze an Deck, ohne Rücksicht auf mich. Das ist ein Befehl, und ich hoffe, jeder hat ihn gut verstanden.“
Es gab keinen Widerspruch, wenn Hasard in diesem Tonfall sprach, und es dachte auch keiner daran, zu widersprechen.
Hasard wollte kein Risiko eingehen, nicht das geringste, und das verstanden sie.
Carberry segelte das Beiboot so dicht heran, daß der Seewolf mit einem Satz aufsprang.
Dann drehte Carberry hart ab und segelte weiter, bis er die von Hasard vorgeschriebene Distanz erreichte. Dort holte er das Segel ein und sah Smoky an, der die Lunte entzündet hatte.
Hasard enterte auf, flink und behende und zog sich an der umlaufenden Heckgalerie auf das Deck des abschüssigen Achterkastells.
Seine Augen suchten das Deck ab.
Nichts regte sich, niemand war zu sehen, kein Mann hatte sich hinter dem Schanzkleid versteckt.
Das Schiff ächzte und stöhnte. Tief im Leib des spanischen Seglers hörte Hasard es gurgeln, wenn das eingedrungene Wasser hin und her schwappte.
Er ging über den Niedergang in die Kuhl und öffnete das Schott eines hölzernen Aufbaus.
Abgestandene Luft schlug ihm entgegen. Es roch nach modrigem Tauwerk und Farbe. Acht hölzerne Stufen führten hinunter.
Als der Seewolf unten ankam, fiel nur noch schwach das Tageslicht herein.
Die Kammer diente dazu, Werkzeug, Taue, Farbe und allen möglichen Bedarf aufzunehmen. Auch ein paar Eisenkugeln lagen herum, daneben leichtsinnigerweise ein Pulverfaß.
Ordnungsliebend waren die nicht gerade, dachte Hasard und verließ den Raum wieder.
Von der Kuhl aus winkte er das Boot heran, warf die Jakobsleiter über Bord und nahm das Tau entgegen, das Ed ihm zuwarf.
„Keine Falle“, sagte Hasard. „Wir werden das Schiff noch genau durchsuchen, aber hängt zuerst das Segel ins Gei, damit wir nicht an der Küste zerschellen.“
Es war ein eigenartiges Gefühl, auf einem langsam sinkenden, verlassenen Schiff zu stehen, auf dem sich keine Besatzung befand, das sich seinen Weg selbst suchte, das rollte und schlingerte und sterbend durch das Meer zog.
Das Segel wurde ins Gei gehängt, dann erst sahen sich die Männer genauer um.
„Was ist das denn?“ fragte Ed und deutete auf die hüttenartige Erhebung in der Kuhl. „Ein Logis?“
„Ich habe schon nachgesehen. Dort drin befindet sich nur Tauwerk und Kram. Laßt uns achtern mit der Kapitänskammer beginnen, vielleicht erhalten wir einen Hinweis.“
„Seekarten vielleicht“, sagte Dan. „Die Spanier halten sie doch immer so geheim. Roteiros nennen sie die, und es sind die besten Karten, die es gibt.“
Vor der Kapitänskammer gab es noch eine andere, ähnlich der auf der „Isabella“.
Sie warfen einen Blick hinein. Die Kammer war sauber aufgeräumt, hatte eine in die Wand eingelassene Doppelkoje und eingebaute Schränke. Zwei Stühle bewegten sich, wie von Geisterhänden bewegt, ständig hin und her.
In der Kapitänskammer sah es ganz anders aus. Wie bei den Spaniern üblich, war sie großräumig angelegt und geschmackvoll eingerichtet.
Dan öffnete die eingebauten Schränke und suchte nach Roteiros, aber er fand nur ähnliche Karten, wie sie sie auch hatten. Sie waren das Mitnehmen nicht wert.
Ziemlich enttäuscht verließen sie die Kapitänskammer und gingen nach vorn. Hinweise hatten sie keine gefunden, aber jeder von ihnen konnte sich ausmalen, was hier passiert war.
Entweder hatte man das Schiff nachts überfallen, oder die Mannschaft war an Land gegangen und dort den Kopfjägern in die Hände gefallen, denn hier gab es keine Spuren, die auf stattgefundene Kämpfe hinwiesen.
Andererseits war es unwahrscheinlich, daß eine Crew geschlossen an Land ging und das Schiff sich selbst überließ. Das paßte nicht zusammen. Vielleicht hatte man die Mannschaft auch nacheinander von Bord gelockt.
„Was hier passiert ist, werden wir wohl nie erfahren“, sagte Carberry, als er vor dem Schott auf dem Vorschiff stand, das weit geöffnet war und in den Angeln quietschte.
„An Deck ist jedenfalls nicht gekämpft worden“, sagte Smoky, „sonst würde man Blut oder andere Spuren sehen.“
Die „Tierra“ blieb für sie ein Rätsel.
Als sie den Niedergang hinunterstiegen, blieben sie wie angewurzelt stehen, stumm, ohne vorerst ein Wort zu sagen.
Auf den Dielen, vor einem aufgerissenen verschimmelten Schrank, lagen zwei Spanier.
Jemand hatte ihnen die Köpfe vom Rumpf getrennt und sie mitgenommen.
Es dauerte lange, bis Hasard Worte fand.
„Entsetzlich“, sagte er leise. „Was sind das nur für Menschen, die so etwas tun?“
Niemand