Seewölfe Paket 7. Roy Palmer
Ganz bestimmt hatte der Profos in seiner leisen bescheidenen Art zärtlich geflüstert.
Da fiel sein Blick auf die Fässer, und seine Augen wurden rund und groß.
„Sieht nach Schnapsfäßchen und Wein aus“, sagte er andächtig. „Man sollte direkt probieren, ob das Zeug noch gut ist, sonst schleppen wir es umsonst mit.“
„Probiere lieber mal, wie viele Kugeln noch ins Boot passen“, riet Hasard dem Profos, dessen liebevoll verklärter Blick die kleinen Fässer geradezu verhätschelte.
Wieder wurde das Boot vollgeladen bis nichts mehr hineinging, dann segelte Ed los.
„Der Rest gibt gerade noch ein Boot voll, uns vier eingerechnet“, überlegte Hasard. „Bis dahin wird es auch soweit sein, daß die ‚Tierra‘ auf Tiefe geht.“
Wie ein dicker Schwamm sog sich das Schiff voll. Anfangs hatte man leichtes Gurgeln und Schwappen vernommen, aber jetzt waren diese Geräusche verklungen.
Eine unheimliche Stille breitete sich aus. In den Pardunen sang kein Wind, Tauwerk und Blöcke knarrten nicht, und selbst die kleinen Wellen schienen dem Schiff auszuweichen, um es nicht in seiner Todesstunde zu stören.
„Mir tut es jedes Mal in der Seele weh, wenn so ein Schiff untergeht“, grübelte Smoky laut. „Das ist wie eine Beerdigung von etwas, das man gern hatte, das lebte und mit dem man verwachsen war.“
„Das liegt an der Seele des Schiffes“, erklärte Dan, „jedes Schiff hat eine.“
Er hatte kaum das letzte Wort ausgesprochen, als ein harter Ruck die ‚Tierra‘ erschütterte. Irgendwo im Innern barsten Planken.
Die Männer sahen sich an. Smoky kratzte mit dem Finger seine Bartstoppeln am Kinn.
„Hoffentlich müssen wir nicht noch schwimmen, denn hier an Bord gibt es kein einziges Beiboot. Die haben wahrscheinlich die Wilden geklaut.“
Das nächste Krachen ertönte. Einer der Masten erzitterte so stark, als würde er aus dem Kielschwein gerissen.
Langsam wurde Smoky nervös und hielt nach Ed Ausschau, der aber noch nicht zu sehen war. Wenn er an das haiverseuchte Wasser dachte und daran, daß sie vielleicht eine ganze Strecke schwimmen mußten, wurde ihm ausgesprochen mulmig.
Das Knacken und Krachen ertönte jetzt an mehreren Stellen, das Schiff zitterte und bebte und neigte sich weiter auf den Bug.
Die Kugeln rollten polternd über Deck nach vorn, auch die Fässer bewegten sich.
„Mist verdammter“, fluchte Dan.
Nur der Seewolf sagte nichts. Gelassen blickte er die beiden Männer an und grinste dann.
„Habt ihr Angst, daß eure Affenärsche naß werden?“ fragte er.
„Angst, daß die Haie daran knabbern“, entgegnete Smoky. „Es gibt hier verdammt viele von den Burschen.“
„Ed ist schon im Anmarsch“, sagte Hasard.
Das sinkende Schiff gab Laute von sich wie ein zu Tode getroffenes Tier. Überall ächzte, stöhnte und knarrte es jetzt, und mehrmals schien es den Versuch zu unternehmen, sich steil auf den Bug zu stellen. Aber irgend etwas verhinderte das, vermutlich ein Raum, in den noch kein Wasser gedrungen war und der Auftrieb gab.
Carberry legte an und pfiff durch die Zähne.
„Die beeilt sich aber, die Tante“, sagte er und flankte in die Kuhl.
„Laß alles stehen und liegen“, sagte Smoky, „sie säuft jeden Augenblick ab oder fliegt auseinander.“
„Die Schnaps- und Weinfässer liegenlassen?“ rief der Profos mit blitzenden Augen. „Hat die Welt so was schon gehört! Das Schiff hat noch fast eine Handbreit Freibord.“
In aller Eile mannten sie weiterhin Fässer, Kugeln und die kleinen Tonnen mit Schießpulver ins Boot.
Der Profos ließ nichts liegen. Das wäre ja noch schöner, dachte er, daß die Fässer mit dem wertvollen Gesöff einfach untergingen.
Schließlich hatten sie alles verstaut und gingen von Bord.
Träge segelte das Beiboot davon, wieder schwer beladen.
„Da hätten wir noch mehr Fässer holen können“, sagte Carberry, „der Kahn hält sich noch.“
„Man sieht es“, erwiderte Smoky sarkastisch.
Der Großmast neigte sich langsam zur Seite, das Deck wölbte sich auf, Planken zerfetzten knirschend, und dann stürzte der schwere Mast um, die Rahen wirbelten wie Bäume davon und ein schmetternder Schlag überlagerte jedes andere Geräusch, als das Schanzkleid in tausend Trümmer zerschlagen wurde.
Die Wanten, die den Mast gestützt hatten, waren wie morsches Tauwerk zersprungen.
Die „Tierra“ ging auf Tiefe, den zersplitterten Mast nach sich ziehend, der sich wie ein gigantischer Finger noch einmal aufrichtete und anklagend in den Himmel wies.
Wasserwirbel schäumten, ein trichterartiger Sog bildete sich, und in dessen Riesenstrudel verschwand das spanische Schiff.
Als der Sog sich gelegt hatte, stiegen Trümmer aus dem Meer, eine Rah, ein paar Planken und Balkenteile.
Carberry schüttelte sich unbehaglich.
Auf der „Isabella“ wurden sie mit Hallo empfangen. Der Profos hatte den Männern in groben Zügen erklärt, was vermutlich an Bord des Spaniers vorgefallen war.
„Habt ihr keine Lebensmittel entdeckt?“ fragte der Kutscher besorgt.
„Ranziges Olivenöl, ein paar Säcke Reis und Mehl, in dem sich mehr Kakerlaken tummelten, als man sich vorstellen kann“, zählte Hasard auf. „Mehr befand sich nicht an Bord, leider.“
„Und dabei brauchen wir so bitter nötig Frischfleisch und alles andere.“
„Wir laufen eine andere Bucht an, sobald wir fertig sind“, versprach der Seewolf. „Irgendwo an der Küste wird es ganz sicher auch Fischerdörfer geben, wo wir etwas kriegen oder selbst etwas jagen können. Es müssen ja nicht alle Eingeborenen Kopfjäger sein.“
Mit allen verfügbaren Kräften wurden die Arbeiten am Schiff vorangetrieben. Es begann bei der morgendlichen Dämmerung und wurde fortgesetzt, bis es dunkel wurde.
Big Old Shane schlug vor, auch während der Dunkelheit zu arbeiten, später könne man sich ja ausruhen, und ein paar Tage Knochenarbeit würden keinem schaden.
Davon wollte Hasard jedoch nichts wissen.
„Sieh mal, Shane“, sagte er zu seinem väterlichen Freund, „wir wissen über die Eingeborenen gar nichts, und wenn wir nachts im Licht der Fackeln arbeiten, können sie aus dem Dschungel heraus jeden Mann töten, den sie wollen. Vielleicht haben sie uns noch gar nicht entdeckt, vielleicht trauen sie sich nachts auch nicht heraus, aber das Risiko ist mir zu groß, verstehst du?“
Klar verstand ihn Big Old Shane, er hatte daran nicht gedacht, weil sie bisher noch keinen der Eingeborenen gesehen hatten.
Nochmals vergingen zwei Tage, bis die Arbeiten beendet waren. Noch in derselben Nacht segelte die „Isabella“ los.
8.
Ihr weiterer Törn führte sie an der Küste entlang in Richtung Tandjung Datu.
Vergebens hatten sie nach dem Dorf der Kopfjäger Ausschau gehalten. Es lag nicht direkt an der Küste und mußte tiefer im Inneren verborgen sein.
Ein weiterer Tag verging, an dem die Küstenlandschaft sich kaum veränderte. Mitunter trat das Dickicht etwas zurück und vereinzelte Palmen standen am Strand, dann wieder tauchten dichtbewachsene Hügelketten auf.
Langsam griff die Nervosität des Kutschers auch auf die anderen über. Es wurde höchste Zeit, daß sie etwas fanden oder mit