Seewölfe Paket 7. Roy Palmer
hatte Sand rieseln sehen, doch seine Warnung nutzte dem gewichtigen Profos nichts mehr, denn auch er trat auf eine der raffiniert angelegten Fallgruben, von denen es hier nur so wimmelte und die man meist zu spät sah, wenn überhaupt.
Mit einem Fluch, der Carberry alle Ehre antat, sauste der Profos abwärts. Er hieb mit den Armen um sich, doch bevor er noch Luft holen konnte, war er schon hart gelandet. Von oben rieselte Sand nach und bedeckte seinen Schädel.
„Jetzt könnt ihr meinetwegen lachen!“ brüllte Ed. „Und wenn ihr euch beruhigt habt, könnt ihr mich hochziehen.“
Es lachte jedoch niemand, das Lachen war ihnen gründlich vergangen, denn die meisten waren nur um Haaresbreite dem sicheren Tod entronnen.
Als sie Ed hochhievten, brach die Grube immer weiter ein, und immer wieder fiel der Sand nach.
Hier hatten die Wilden Unmengen von Sand ausgehoben, tiefe Gruben angelegt und die Innenseite mit lehmdurchsetzten Fasern aus Kokos verstärkt, damit sie nicht zusammenbrachen. Der heiße Sand trocknete das Gemisch steinhart.
Über die Grube waren verdorrte Palmwedel gelegt worden, eine Lage quer, die nächste anders herum. Darüber befand sich wieder eine dünne Schicht aus Fasern, und darauf hatten sie Sand gehäuft. Niemand sah diese Gruben, und das entschuldigte auch ihren buchstäblichen Reinfall.
Die Hütten fielen brennend auseinander, glühende Teile landeten im Wasser und verlöschten. Jetzt brannten nur noch die Pfähle, auf denen die Hütten gestanden hatten.
„Ich glaube, die haben die Schnauze voll“, sagte Ed, wobei er Sand ausspie und seine Worte mit lästerlichen Flüchen spickte.
„Vor allem sind sie in nächster Zeit beschäftigt“, meinte der Seewolf. Mit der rechten Hand massierte er sein Genick, das immer noch höllisch schmerzte.
„Und für uns war es eine Lehre, wieder einmal“, fügte er bitter hinzu. „Das zeigt, daß man nie auslernt.“
„Mit derart raffinierten Methoden hat auch niemand gerechnet“, sagte Shane. „Wer denkt schon an Fallgruben und Netze, Würgeseile und Gitter, wenn er an Land geht.“
Hasard hatte genau den gleichen Gedanken wie Ben Brighton vorhin, und er sprach ihn auch aus.
„Dieses Davonrennen der Wilden war ein genau einkalkulierter Faktor. Das erweckte den Eindruck, als hätten sie furchtbare Angst vor uns, und damit lockten sie uns an Land. Uns wäre es ebenso ergangen wie den Spaniern, die vielleicht auch hier massakriert und dann an Stämme im Innern des Dschungels weitergereicht wurden. Da drüben steht noch eine Hütte“, sagte er unvermittelt und zeigte mit der ausgestreckten Hand auf eine kleine Hütte, die versteckt am Rand des Dschungels stand.
„Wir sehen sie uns einmal an, die Eingeborenen kehren so schnell nicht zurück, die hat die Angst fast wahnsinnig werden lassen. Nehmt aber trotzdem eure Waffen zur Hand und folgt mir ganz dicht am Wasser, da kann es wegen der ständig auflaufenden Flut keine Fallgruben geben.“
„Und nicht unter Palmen wandeln“, setzte Carberry hinzu, „sonst hängt ihr als Kokosnüsse in den Wipfeln.“
Der Trupp watete vorsichtig durchs Wasser, wo nichts zu befürchten war und es keine Gruben gab.
Vor der Hütte blieben sie stehen, blickten in den Dschungel, hielten die Waffen schußbereit und lauerten.
Es war eine längliche, mit Palmenwedeln gedeckte Hütte, die auf der rechten Seite offen war.
Hasard blickte hinein.
Aus der Froschperspektive grinsten ihn vier Schrumpfköpfe an, die an langen Fäden bis zum Boden hingen.
Die Tsantas waren auf Faustgröße zusammengeschrumpft und sahen schrecklich aus mit den zugenähten Lippen und den langen Haaren.
Auf der Rückseite der Hütte hing ein ganzes Bündel.
„Europäer“, sagte Smoky schlukkend, „mit Sicherheit Spanier oder Portugiesen, die in die Falle gelaufen sind.“
Deutlich waren die Gesichtszüge zu erkennen, und bei dem Anblick kroch den abgebrühten Männern das Grauen über den Körper. Fast jeder kriegte eine Gänsehaut oder ein ekelhaftes Ziehen im Genick.
„Das könnten wir sein“, sagte der Seewolf. „Genauso wäre es auch uns ergangen, wenn Ben nicht so blitzschnell eingegriffen hätte.“
Immer wieder suchten sie mißtrauisch den Dschungel ab, ob sich etwas rührte oder etwas zu erkennen war.
Tiefe Stille herrschte, die erst durchbrochen wurde, als Carberry mit ein paar wütenden Tritten die Hütte in Trümmer legte, bis nur noch ein paar schmächtige Balken übrig blieben.
„Zurück an Bord“, sagte Hasard. „Wir segeln weiter.“
Schweigend kehrten sie ans Wasser zurück, bestiegen das Boot und warfen einen letzten Blick auf die Toten, die am Strand lagen.
Es war mehr als ein Dutzend.
Etwas später enterte Hasard auf, gefolgt von den anderen, die Ben vorwurfsvoll und mit derben Worten empfing.
„Immer müßt ihr wie die Wilden losrennen“, sagte er. „Genau darauf haben diese Teufel doch nur gewartet. Ging das nicht in eure verdammten Holzköpfe hinein?“
„Laß sie“, sagte Hasard. „Ich habe es ihnen schon erklärt, und jeder hat die Schrumpfköpfe gesehen, die in der kleinen Hütte hingen.“
Proteste wurden laut. Luke Morgan streckte seinen Schädel vor, auf dem nur spärliche Haare sprossen.
„Sollen wir vielleicht zusehen, wie unsere Kameraden einfach abgemurkst werden? Wir mußten etwas unternehmen!“
„Klar, das sehe ich ja auch ein, aber dazu soll man seinen Verstand gebrauchen und sich nicht von wilder Wut leiten lassen, so wie du Hitzkopf“, sagte Ben. „Dein Grips muß dir doch sagen, daß es noch mehr Fallen gibt und auch die nächsten wie blinde Hühner hineinstolpern.“
Big Old Shane legte dem zornigen Bootsmann die Hand auf die Schulter.
„Ich bin auch losgerannt“, sagte er. „Mitunter gehen einem die Nerven durch, ist es nicht so?“
„Jedenfalls hast du die Idee mit den Brandsätzen gehabt“, sagte Carberry, „und das war eine verdammt gute Idee. Die ist es schon wert, daß man darauf einen Schluck trinkt. Wir haben da ein feines spanisches Schnäpschen an Bord.“
„Wir gehen ankerauf“, sagte Hasard. „Oder wollt ihr warten, bis diese Burschen zurückkehren?“
Zwischendurch erkundigte sich der Kutscher hartnäckig nach Verletzungen und war fast enttäuscht, daß es keine gab, bis auf ein paar Prellungen und leichte Schmerzen.
„Und dir, Sir, fehlt dir auch wirklich nichts?“ fragte er den Seewolf.
„Überhaupt nichts“, versicherte Hasard. „Leichte Kreuzschmerzen, mehr nicht. Das vergeht von selbst.“
„Ihr müßt es ja wissen“, knurrte der Kutscher. „Ich möchte nur wissen, weshalb ich den ganzen medizinischen Kram gelernt habe, wenn ich ihn nicht anwenden kann.“
Der Anker wurde eingeholt, die Segel gesetzt.
Die Kanonen drohten immer noch zum Strand hin, an dem jetzt die restlichen Pfähle schwarz verkohlten.
Kein Eingeborener zeigte sich. Der Schrecken mußte ihnen bis ins Mark gefahren sein, und das blanke Entsetzen hatte sie tief in die Wälder getrieben.
Langsam glitt die „Isabella“ aus der Bucht, bis sie das offene Meer erreichte.
Dann segelte sie weiter nach Süden.
Am dritten Tag, seit sie die Bucht der Kopfjäger verlassen hatten, wurde Tandjung Datu erreicht.
Der Kutscher maß Carberry schon seit geraumer Zeit mit vorwurfsvollen Blicken.
„Sag bloß