Seewölfe Paket 7. Roy Palmer

Seewölfe Paket 7 - Roy Palmer


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ebenso erhalten.

      Stumm und reglos standen sie da, der Magen krempelte sich ihnen um, keiner brachte einen Ton hervor.

      Das war fast eine ganze Schiffsmannschaft, die sich hier zu einem schauerlichen Stelldichein versammelt hatte, und deren Köpfe erst ein paar Tage alt waren.

      Der Profos kannte das, die Buschmänner hatten ihm damals einen Schrumpfkopf geschenkt, ein Andenken, vor dem ihm heute noch graute, wenn er nur daran dachte.

      Also gab es auf dieser Insel Wilde, Kopfjäger, Menschenfresser vielleicht, die hinterhältig und heimtükkisch töteten.

      Überall im Dschungel konnten sie lauern, aus ihren Blasrohren vergiftete Pfeile schießen und sie töten.

      Es war Wahnsinn, weiter vorzudringen, denn die Kerle waren hier zu Hause und ihnen trotz der Waffen himmelhoch überlegen. Ganz in. der Nähe mußte ihr Dorf sein, diese Lichtung bewies es, die sie fast stündlich aufsuchten, um die Tsantas zu „pflegen“.

      Carberrys rechte Hand umkrampfte die Waffe. Schweigend bedeutete er den anderen, es ihm gleichzutun. Dann deutete er mit ausgestreckter Hand zurück.

      Es war nicht einmal der Anflug von Feigheit, der sie veranlaßte sich zurückzuziehen. Es war ein dringendes Gebot der Stunde, basierend auf dem Selbsterhaltungstrieb, einem vernünftigen Gesetz folgend, sich nicht einfach einem unbekannten Gegner auszuliefern, der an nichts anderes dachte als an Töten und den Männern die Köpfe abzuschlagen, um sie an Pfählen aufzuspießen.

      Hier befanden sie sich in der Höhle des Löwen, und die mußten sie so schnell wie möglich verlassen, denn sie kannten nicht die kolossale Übermacht der Kopfjäger.

      Das Grauen hielt sie noch gefangen, als sie schon fast eine Meile zurückgelegt hatten. Immer noch sahen sie die Köpfe vor sich, die verzerrten Gesichter, als Masken, die unter Qualen gestorben waren, nachdem man sie hinterrücks überfallen hatte.

      Das riß und zerrte an den Nerven, auch wenn sie es schon einmal gesehen hatten. Es lag kein Sinn in diesem Töten, und daher widersetzte sich in ihrem Innern alles dagegen.

      Es war sinnloser Mord, wie Carberry wutschnaubend sagte.

      „Und wenn es hundert Mal verdammte Dons sind und sie die Pest über ganze Länder bringen“, sagte er erbittert, „dann sind sie immer noch Menschen. Es gibt nämlich solche und solche, und ich kann verdammt noch mal nicht einsehen, daß man Menschen wie Vieh einfach abschlachtet und ihre Schädel ausstopft oder trocknet. Wilde oder nicht, da hört der Spaß auf!“

      Selten hatte der Profos so voller Grimm gesprochen, und seine Miene drückte aus, daß er den Kopfjägern am liebsten zu Leibe gerückt wäre, um dort mal kräftig aufzuräumen, und die Burschen auf den Weg der Erleuchtung zu bringen.

      Spät am Nachmittag kehrten sie zurück, beladen mit dem großen Tier, das Carberry ganz allein durch den Dschungel schleppte.

      Wasser hatten sie übrigens nicht gefunden, bis auf einen kleinen Tümpel voll einer stinkenden Brühe, über dem wie ein dichtes Netz riesige Schwärme von stechenden Plagegeistern hingen.

      Die „Isabella“ schwamm wieder, als sie sie erreichten.

      Als der Profos dem Seewolf Bericht erstattete, wurde Hasards Gesicht starr wie eine Maske.

      „Kopfjäger?“ fragte er fassungslos.

      „Ja“, sagte der Profos schwer, „wir haben vierzehn Köpfe gefunden, die zweifellos von Spaniern stammen. Ich schätze, daß sie höchstens zwei Tage alt sind.“

      Auf der „Isabella“ verbreitete sich diese Schreckensnachricht wie ein Lauffeuer. Die Seewölfe sahen sich fassungslos an.

      Kopfjäger, die hatten sie am Amazonas kennengelernt, und obwohl es sich um nette kleine Buschmänner gehandelt hatte, die überaus freundlich gewesen waren, blieb ein leises Grauen zurück.

      Die Männer des Amazonas hatten nicht aus Mordlust getötet. Ihre Opfer waren Todfeinde, die sie bis aufs Blut gepeinigt hatten.

      Hier jedoch lag der Fall anders, wie es den Anschein hatte.

      „Es gibt, verdammt noch mal, keine ruhigen Flecken mehr auf dieser beschissenen Welt“, sagte Old O’Flynn. „Hier hat es ausgesehen wie im Paradies, und was entdecken wir? Miese, gallige Burschen, die nichts anderes tun, als harmlosen Freibeutern die Köpfe abzuhacken. Man sollte diese Brut mit Stumpf und Stiel ausrotten.“

      Die Gemüter erhitzten sich, es wurde debattiert, und Luke Morgan der Hitzkopf, verlangte allen Ernstes, daß man schnellstens auslaufen und es diesen Kerlen einmal ganz hart zeigen sollte.

      Bei dem Seewolf stieß er damit allerdings auf taube Ohren.

      „Wir kennen ihre Motive nicht“, sagte Hasard, „und können uns demnach auch kein Urteil erlauben. Der Teufel mag wissen, was die Dons wieder angestellt haben, wenn man ihnen einen derartigen Empfang bereitete. Wohin sie auch immer segelten, meist ließen sie Blut und Tränen zurück, und solange die Kopfjäger uns nicht behelligen, werde ich den Teufel tun, sie anzugreifen. Wir sind Korsaren der Weltmeere, wir kämpfen gegen die Spanier, jagen ihnen die Beute ab und haben augenblicklich nichts anderes im Sinn, als unser Schiff instand zu setzen. Solange uns dabei keiner stört, ist alles in Ordnung. Greift man uns aber an, dann werden wir die Hölle entfesseln.“

      Er sah sich um, und die gesamte Crew nickte Zustimmung.

      „Jawohl, Sir“, sagte Carberry, „wir sind nicht der Arm der Gerechtigkeit, und für die Dons halten wir noch lange nicht unsere Köpfe hin. Zum Teufel mit den Kopfjägern.“

      „Ruht euch jetzt aus“, sagte Hasard, den die Nachricht trotz allem etwas schockiert hatte. „Heute nacht gehen sechs Mann Wache, die sich alle vier Glasen ablösen. Die Kanonen bleiben schußbereit, an die Wachen werden Musketen und Pistolen ausgegeben und das Schiff wird beleuchtet, und zwar so, daß man bis zum Land hin die Wasseroberfläche erkennen kann. Der Kutscher wird euch drei Flaschen Rum bringen, ihr alle habt einen Schluck verdient, und danach geht es ab in die Kojen.“

      „Batuti schlafen lieber an Deck“, sagte der Neger.

      „Batuti schlafen heute nacht ausnahmswiese in Koje“, fuhr Carberry ihn an, „und Batuti werden gefälligst nicht so laut schnarchen, kapiert?“

      Hasard blieb noch so lange bei seinen Männern, bis der Kutscher die Rumflaschen brachte. Er kannte sie, sie tranken zwar gern, aber nur widerwillig, wenn er sich an Bord befand und nicht wenigstens den ersten Schluck mit ihnen zusammen trank. Den kleinen Gefallen war er ihnen schuldig, und gegen einen Schluck Rum hatte der Seewolf grundsätzlich nichts einzuwenden.

      Also setzte er die Flasche an, nahm einen Zug und reichte sie an Ben weiter.

      Da sie an Bord einschließlich des Moses und ausgenommen Arwenack und Sir John, zweiundzwanzig Mann zählten, waren die drei Flaschen ein Klacks. Jeder trank eine Daumenbreite, und da die meisten von ihnen nicht gerade magere Daumen hatten, gab es insgesamt etwa dreißig Breiten, wenn man Carberrys Daumen zugrunde legte, der dann auch verlauten ließ, die drei Flaschen würden mit Mühe und Not dazu ausreichen, um die Luft anzufeuchten.

      Al Conroy sammelte die leeren Flaschen ein und bewachte sie eifersüchtig, denn leere Flaschen konnte man mit Schießpulver, gehacktem Blei oder kleinen Steinen füllen und sie vermittels einer hineingesteckten Lunte als teuflische Geschosse verwenden, die schon so manchen Gegner unangenehm überrascht hatten.

      Der Seewolf zog sich nach seinem Schluck zurück, und von den Seewölfen verholte einer nach dem anderen. Auch Batuti fügte sich dem Profos und suchte den Schlafraum auf, denn Kojen aus Holz, zweifach übereinander, hatte kaum ein Schiff aufzuweisen. Auch das war Tuckers und Hasards Idee entsprungen, die alle beide nicht einsahen, weshalb sich Mannschaften an Deck legten, um dort zu schlafen, zumal jeder Kapitän eine eigene Kammer besaß.

      Ohne jeden Zwischenfall verging die Nacht. Wenn es hier Kopfjäger gab, woran nicht der geringste Zweifel bestand, dann hatten sie jedenfalls an der „Isabella“ kein Interesse. Oder sie wußten noch nicht, daß weißhäutige Fremde


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