Seewölfe Paket 7. Roy Palmer
seine Männer und veranlaßte sie durch rüde Befehle, das Feuer an Deck und im Rigg in fliegender Hast zu löschen. Er hielt Bilanz, befand, daß die „Candia“ noch seetüchtig und kampffähig war, ging von neuem ankerauf und jagte mutig dem Todfeind Spaniens nach.
Doch die „Isabella“ und die Prahos segelten bereits mit dem Schatz an Bord in die Straße von Malakka hinaus. Es gelang, den Verfolger abzuhängen und in eine Bucht der Insel Rupat zu verholen.
„Wir teilen die Beute“, erklärte Sotoro, aber Hasard schüttelte den Kopf.
„Die Diamanten gehören dem Volk von Kra“, erklärte er dem Tiger.
Dieser verneinte nun seinerseits. „Sie würden alle Tränen der Götter opfern, um ihre Freiheit wiederzuerlangen. Ich kann sie ihnen vielleicht schenken, weil du mich vor dem Henker bewahrt hast. Nimm diese Juwelen als Dank, Seewolf. Nein, keine Widerworte. Wir alle wären zutiefst gekränkt, wenn du unserer Bitte nicht entsprechen würdest.“
Hasard blieb nichts anderes übrig, er mußte annehmen. Im Sonnenlicht auf dem Achterdeck der „Isabella“ sah er Sotoro und Yaira und die anderen braunhäutigen Gäste auf seinem Schiff an. „Die Stunde der Trennung ist gekommen“, eröffnete er ihnen. „Wir nehmen Kurs auf die Andamanensee und den Indischen Ozean. Und du, Tiger, was planst du?“
„Zunächst segeln wir nach Rempang zurück. Die Spanier werden die Insel wegen der Legende um Bulbas weiterhin meiden. Auf diese Weise beschützt uns der Amokläufer, und, wie ich dir schon sagte, ich werde versuchen, ihn zu zähmen. Unsere Republik soll wachsen, neue Ziele wie Kra warten auf uns. Der Kampf gegen die Spanier endet hier nicht.“
„Nein“, erwiderte Philip Hasard Killigrew. „Das ganz gewiß nicht. Er hat erst richtig angefangen.“
1.
Blake spürte, wie die Hitze in ihm fraß, diese Hitze, die von einem erbarmungslosen Glutball herabfiel wie heißes Feuer, das sich in seine Lungen brannte und das Atmen zu einer einzigen Qual werden ließ.
Schweiß verklebte seine Haare, Schweiß rann ihm in Bächen über den Körper und saugte ihm den letzten Widerstand aus den Knochen.
Bei Gott, dachte er, wenn dieser fürchterliche Glutball dort oben nicht bald erlosch, wenn nicht bald Wind wehte, kräftiger Wind, der sie weiterblies, dann würden sie in ein paar Tagen alle tot sein.
Mit trüben Blicken starrte er auf die Segel. Schlaff und ausgebleicht hingen sie an den Rahen. Große, in sich zusammengefallene Leichentücher, oftmals geflickt, ausgebessert, gezeichnet von einer Zeit, als der Wind sie gebeutelt hatte, dieser lebensnotwendige Wind, von dem sie schon gar nicht mehr wußten, wie es war, wenn er wehte.
Wasser, dachte er in einem plötzlichen Anfall von Panik. Wohin man sah, gab es nichts als Wasser, salzig, lebensfeindlich, ohne Land. Keine Inseln, nicht einmal eine Wolke, von einem anderen Schiff ganz zu schweigen.
Er hieß Blake, Young Blake, wie sie ihn nannten, und er war der zweite Bootsmann der „Black Pearl“, dem Totenschiff, dem Seelenverkäufer, dem schwimmenden Sarg.
Verdammt, dreimal verdammt, dachte er. Ich habe eine Ader dafür, wenn Land in der Nähe ist. Land, eine lausige Insel nur, aber ich spüre nichts, und ich werde nie wieder etwas spüren. Nicht mehr lange, und ich werde krepieren wie Walters, diese treue Seele von einem Kerl. Skorbut, oder wie sie es nannten, wenn einem die Zähne ausfielen, wenn der Darm blutete, und wenn man keinen Hunger mehr hatte, obwohl der Magen seit Tagen nichts mehr zu verarbeiten hatte.
Ja, Walters, Segelmacher war er gewesen, ein guter Mann, einer, der immer half, der immer tröstete, der immer aufmunternde Worte fand. Schillernden Schleim und Blut hatte er gespuckt, bis er zusammengebrochen war.
Wann das war? Vor einer Woche vielleicht, oder vor einem Monat, vielleicht auch schon vor einem Jahr. Oder noch länger?
Egal, wie lange es her war. Wem half das?
Die brütende Hitze setzte dem Schweifen seiner Gedanken ein Ende. Vor seinen Augen flirrte heißer Sonnenglast, der sich über das ganze Schiff erstreckte.
Blake stand auf aus seiner kauernden Stellung und lehnte sich ans Schanzkleid.
Sekundenlang hatte er das Gefühl, als wäre er der einzige Mann an Bord der „Black Pearl“.
Das Ruder war festgelascht, auf dem Achterdeck war kein Mensch zu sehen. Er stieß sich schwerfällig ab, um einen Schluck aus dem Wasserfaß zu trinken.
Doch, einer war an Deck, und der stand mit dem Rücken zu ihm, einem fleischigen massigen Rücken und einem fetten Genick.
Reverend Thornton! Der Mann mit den frommen Sprüchen, Bordgeistlicher, dem anscheinend nichts fehlte, der immer kerngesund aussah.
Ob das von den frommen Sprüchen herrührte oder nur einfach davon, daß sie alle Reverend Thornton schon oft dabei ertappt hatten, wenn er heimlich das streng rationierte Wasser trank oder ebenso heimlich Proviant klaute?
Blake empfand Haß für den Mann, jäh ausbrechenden Haß auf das feiste Genick, den massigen Körper und auf Thorntons strotzende Gesundheit.
Kein Wunder, daß dem Kerl nichts fehlte, überlegte er. Das, was der Mannschaft abging, verleibte er sich heimlich ein und kaschierte seine Handlungsweise mit biblischen Sprüchen.
Blake wußte, daß er jetzt nicht ans Wasserfaß gehen und trinken durfte. Erst am Abend, hatte der Kapitän gesagt.
Bis dahin waren es noch lange, endlose Stunden in sengender Hitze, Stunden, die nicht vergingen und ihn ausdörrten.
Dicht neben dem Reverend blieb er stehen und sah verlangend auf das Wasserfaß. Er wußte, daß es von langen grünen Fäden durchzogen war, daß es ekelhaft schmeckte und faulig roch. Es war vielleicht noch zu einem Viertel gefüllt und mehr als lauwarm.
„Möge die Versuchung nicht über dich kommen, mein Sohn“, sagte der Reverend halblaut, ohne sich umzudrehen. „Denn wer der Versuchung erliegt, ist des Teufels.“
„Dich ehrwürdigen Hurenbock soll der Teufel holen“, sagte Blake grimmig mit zusammengebissenen Zähnen. „Über dich ist doch vorhin auch die Versuchung gekommen, ich habe es gesehen, obwohl du dachtest, du wärest allein an Deck.“
„Lüge“, keuchte der Reverend. „Lüge! Das ist nicht wahr!“
„Dann stimmt es wohl auch nicht, daß du vorhin von dem Roggenbrot geklaut hast, eh?“ fragte Blake höhnisch.
Thornton wurde knallrot. Mit einer überhasteten Bewegung rieb er sich den Schweiß aus dem Gesicht.
„Ich bin ein bescheidener Diener des Herrn“, sagte er kläglich. „Ich bin nur ein Mensch …“
„Ein scheinheiliger, hinterhältiger“, fügte Blake hart hinzu. „Dich würden selbst die Haie wieder auskotzen, Reverend, weil sie sich an deiner schwarzen Seele die Zähne ausbeißen.“
Er verzichtete auf den Schluck Wasser, ließ Thornton stehen und ging mit schlurfenden Schritten nach achtern.
„Scheiß auf den verdammten Tag, an dem ich England verlassen habe“, murmelte er vor sich hin. „Und das schwöre ich mir selbst: An dem Tag, da wir Land erreichen, werde ich verschwinden und dieses Land nie wieder verlassen, bei Gott nicht. Scheiß auf die verdammte Seefahrt!“
Im Schatten des Segels ließ er sich nieder, ausgelaugt, total erschöpft, fertig und kaputt.
Etwas später döste er ein.
Blake träumte von einer grünen saftigen Insel. Ein Bach klaren Wassers, erfrischend kühl, grummelte durch üppige Vegetation, und auf der Insel wuchsen Früchte, in die er gierig hineinbiß.
Das Bild wechselte jäh. Zwei Männer gingen träge durch die üppige