Seewölfe Paket 7. Roy Palmer

Seewölfe Paket 7 - Roy Palmer


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oben an der Rah!“ sagte er. „Lassen Sie ihn in die Piek bringen, Mister Wintham!“ befahl er knapp. „Und zwar sofort.“

      In Thorntons Augen trat Furcht, seine Lippen öffneten sich, und man sah seine gesunden kräftigen Zähne.

      Er schielte nach oben und schüttelte sich.

      „Ihr Ottern und Schlangengezücht!“ schrie er bleich. „In der finstersten Hölle sollt ihr schmoren und verflucht sein ein Leben lang, dazu verdammt, ruhelos über die Weltmeere zu segeln, bis daß der …“

      „Aber, aber, Reverend“, höhnte Wintham. „Steht das etwa alles in der Heiligen Schrift?“

      Sie packten ihn und schleppten ihn nach vorn in die Piek.

      „Erzähl deine Sprüche den Ratten“, sagte Blake, nachdem sich das schwere Schott hinter Thornton geschlossen hatte und er von innen wütend dagegenhämmerte.

      „Dieser Halunke!“ schimpfte der Erste. „Der hat uns von morgens bis abends beklaut, um sich einen dicken Bauch anzufressen. Aber dafür wird er bezahlen.“

      Als sie an Deck zurückkehrten, merkten sie wieder überdeutlich, wie trostlos und verzweifelt ihre Lage war.

      Kein Windhauch rührte sich, das Meer lag da wie ein riesiges Tuch, ohne Bewegung, ohne Leben, scheinbar tot und ausgestorben. Und hoch über ihnen brannte ein greller Ofen so heiß und niederträchtig, daß er die Konturen des Schiffes verzerrte und alles verschwimmen ließ. Mitunter sah es so aus, als befinde sich das Schiff unter Wasser und nicht darüber.

      „Verfluchte Seefahrt“, stöhnte der Erste, „verfluchte Sonne, verfluchtes Meer. Wo, zum Teufel, sind wir bloß?“

      „Im Vorhof der Hölle“, antwortete Blake dumpf. Irgendein Fremdkörper im Mund störte ihn, und er griff mit Daumen und Zeigefinger danach. Ein leichter Ruck, und er hielt einen Zahn in der Hand und spuckte Blut.

      „Skorbut nennen sie das“, sagte er. „Eine Krankheit, von der man behauptet, sie rotte ganze Schiffsbesatzungen aus. Man müßte Obst essen, viel Obst, dann wird es wieder.“

      Der Erste, ein hartgesichtiger dürrer Mann, schlug ihm auf die Schulter.

      „Eine gute Idee“, sagte er. „Ich hole ein silbernes Tablett und werde euch Früchte bringen, herrliche, kalte, saftige Früchte, soviel ihr wollt. Und hinterher gibts einen feinen Brandy, um das alles runterzuspülen. Einverstanden?“

      Blake quälte sich ein verzagtes Lächeln ab.

      „Fahr zur Hölle mit deinem Obst und den Früchten, Erster. Und laß dich schön knusprig braten!“

      Am Abend, als die Sonne lange Schatten warf und die Hitze kaum spürbar zurückging, wurde Reverend Thornton an Deck gebracht.

      Er lächelte, als wäre nichts geschehen und nickte hoheitsvoll. Vor dem Wasserfaß an Deck blieb er stehen, dann blickte er nach oben zu den Rahen.

      „Da soll ich hängen“, sagte er salbungsvoll, „ich, ein Mann Gottes! Der Herr möge euch verzeihen.“

      Er grinste wieder und sprach weiter: „Aber wie steht es geschrieben? Auge um Auge, Zahn um Zahn.“

      Blitzschnell hob er den rechten Fuß und trat zu. Unter dem Hieb flog der Zapfen aus dem Faß, und grünliches Wasser ergoß sich in einem dünnlichen Strahl über Deck.

      Dabei lächelte Thornton immer noch.

      Den Männern fuhr es siedendheiß durch die Knochen. Hentrop sprang mit einem Schrei des Entsetzens auf, stieß Thornton zur Seite und stürzte sich auf das Faß. Mit dem Finger dichtete er es ab, damit nicht noch mehr der kostbaren Flüssigkeit verlorenging.

      Jemand lief mit einem Gefäß herbei und fing die Tropfen auf, bis der Zimmermann einen neuen Hahn brachte und ihn vorsichtig an die Stelle des alten hineintrieb. Der Rest des Wassers wurde äußerst vorsichtig wieder in das Spundloch gegossen.

      Harte Fäuste stießen Thornton nach vorn. Er sah in steinerne Gesichter, aber er sah auch unauslöschlichen Haß in den Augen der abgezehrten Männer lodern, einen Haß, der ihn frösteln ließ und der ihm sagte, daß von nun an keiner mehr das geringste Mitleid mit ihm haben würde.

      Fast alle hatten sich an Deck versammelt, wie er sah.

      Harte, eiskalte Kerle, die ihn innerhalb kürzester Zeit erbarmungslos an die Rah hängen würden. Vielleicht hätten sie Nachsicht mit ihm gehabt, aber nach dem, was er sich gerade geleistet hatte, war das vorbei.

      Er mußte seinen letzten Weg antreten.

      Das Grinsen verging ihm, er spürte Hitzewellen durch seinen Körper jagen, entsetzliche Angst kroch in ihm hoch, als sie ihn in den Kreis der schweigenden Männer trieben.

      Stan Ellen sah ihn kalt an, aus seinen grauen Augen loderte verhaltene Wut.

      „Fassen wir uns kurz“, sagte er knapp. „Thorntons Verfehlungen sind jedem bekannt. Sie haben die Kameraden bestohlen, Thornton, Sie klauen Wasser und Proviant, sie haben durch Ihre Anwesenheit die Atmosphäre dieses Schiffes tödlich vergiftet. Wir können nicht mehr auf engem Raum mit Ihnen zusammenleben.“

      „Sie können einen Gottesmann nicht hängen lassen“, ächzte der Reverend, „das wird Sie Ihr Leben lang begleiten.“

      „Fast bezweifle ich, daß Sie Reverend sind, Thornton.“

      „Aber – meine Soutane!“ rief Thornton. „Sie ist gerettet worden, sie trieb auf dem Wasser, und – und sie paßt mir.“

      „Das beweist gar nichts. Ihr Name war weder mir noch einem meiner Leute bekannt. Ihren Händen nach zu urteilen, sind Sie Decksmann.“

      „Weil ich immer geholfen habe“, verteidigte sich Thornton. „Ich konnte nicht mitansehen, wenn andere arbeiten und ich nur so herumstand.“

      „Aber hier konnten Sie das. Hier haben Sie nie einen Finger gerührt, wenn die anderen schufteten. Genug jetzt, das tut nichts zur Sache, verhandeln wir weiter, und stimmen wir ab.“

      Thornton sah sich gehetzt nach allen Seiten um. Der einzige Fluchtweg, der ihm blieb, war das Wasser. Darin jedoch schwammen dunkle Schatten, große Leiber.

      Haie, die sich den Teufel darum scherten, ob er nun Reverend war oder nicht.

      „Er soll hängen!“ riefen die meisten.

      Ein paar andere enthielten sich der Stimme. Einen Reverend hängt man nicht, meinten sie, das war ihnen suggeriert worden, sie würden damit ein Tabu verletzen.

      Es ging hin und her. Ein Teil der Crew wollte ihn an der Rah baumeln sehen, ein anderer Teil war dagegen, und zwei oder drei Männer hatten keine Meinung. Sie plädierten dafür, daß man ihn auspeitschen oder kielholen solle.

      Für Stan Ellen, der ohne weiteres als Kapitän seinen Tod beschließen konnte, war es nicht einfach, sich zu entscheiden.

      Ein Mann, der an der Rah baumelte, trug nicht gerade zur Verzierung des Schiffes bei. Seit hier unsichtbar Skorbut und Fieber an Bord wüteten, wollte er die Gemüter nicht noch mehr mit einer Leiche im Großmast belasten. Sie hatten so schon genug Tote zu beklagen.

      „Thornton wird ausgesetzt“, entschied er nach einer Weile. „Seine Chancen, irgendwo Land zu erreichen, sind so groß wie unsere Aussichten, zu überleben.“

      Fast alle stimmten ihm augenblicklich zu und wirkten sichtlich erleichtert.

      „Zehn Hiebe und dann ab mit ihm!“ schrie einer.

      „Aussetzung ist eine harte Strafe“, belehrte Ellen den Sprecher. „Da braucht es der Schläge nicht mehr. Er ist gesund und kräftig, und er hat eine Chance. Zehn Hiebe können ihn schwer verwunden, und ich will ihn nicht unnötig quälen. Mit der Aussetzung ist er genug bestraft. Ende der Diskussion!“

      Der Kapitän rief den Schiffszimmermann und erteilte ihm genaue Anweisungen.

      Thornton, der sich bisher mit keiner Silbe


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