Seewölfe - Piraten der Weltmeere 227. Fred McMason
Planke ist beschädigt. Der Schlag ist ausschließlich gegen das Ruderblatt erfolgt. Wovon, das weiß der Teufel. Und wüßten wir es, hilft uns das auch nicht weiter.“
Er beugte sich noch weiter vor und rief über die Schulter: „Legt mal Hartruder Steuerbord! Von dem verdammten Ding ist ja überhaupt nichts mehr zu sehen!“
Hartruder wurde gelegt, und als es auf Widerstand stieß, erkannte der Zimmermann immer noch nichts. Es war ohnehin eine ziemlich uneinsehbare Stelle, ein gewisser toter Winkel, und so zog er seinen Kopf wieder zurück.
„Ich sehe mir das selbst an“, sagte er dann. „Werft mir nachher eine Leine zu.“
Carberry sah seinen breitschultrigen Freund zweifelnd an und tippte dann mit dem Finger an den Kopf.
„Nimm das Tau lieber mit“, riet er. „Oder siehst du gehobelter Stint nicht, daß wir noch Fahrt laufen, was, wie? Im Nu hängst du eine Meile achteraus.“
„Hmm, da hast du ausnahmsweise recht“, brummte Ferris.
„Ich hab immer recht“, sagte der Profos. „Wenn ich etwas behaupte, dann hat es Hand und …“
„Soll ich euch mit den Schädeln zusammenstoßen?“ fragte der Seewolf freundlich.
Ferris Tucker grinste, band sich die Leine um den Bauch, setzte sich aufs Schanzkleid und ließ sich in die Tiefe fallen. Er landete wie ein Sack Mehl im Wasser, tauchte aber gleich wieder auf, spie einen Strahl Wasser aus und ließ sich an der Leine nach achtern treiben.
Für die an Bord befindlichen Männer war er eine Zeitlang verschwunden, sie hörten ihn nur im Wasser planschen.
„Ein zweiter Mann in den Ausguck!“ befahl Hasard. „Er soll ein Spektiv mitnehmen. Am besten gehst du selbst, Dan! Gib gut acht, ob irgendwo Schiffe an der Küste stehen, denn augenblicklich sind wir so hilflos wie ein frisch gewickelter Säugling.“
„Aye, Sir“, sagte Dan und rannte los.
Die Situation war vertrackt, sie hatten wieder ein Problem am Hals, das niemand einkalkuliert hatte. Zwar wurden die Bolzen der Ruderanlage immer wieder von Ferris Tucker kontrolliert, und in dieser Hinsicht passierte nur noch ganz selten etwas, aber es gab eben doch Situationen, in denen alle Kontrolle nichts nutzte.
„Dabei begann der Tag so freundlich“, maulte der Profos. „Eben noch auf Rosenkissen, jetzt schon in die Hos’ geschissen.“
„Ja, so ist das Leben“, sagte der alte O’Flynn tiefsinnig. „Mal oben, mal unten.“
„Selten so tiefsinnige Lebensweisheiten gehört“, sagte der Seewolf. „Da kleckert die Intelligenz ja richtig auf die Planken. So laut, daß man es hört.“
O’Flynn schwieg verbiestert. Carberry räusperte sich dezent und kratzte verlegen seine Bartstoppeln. Na ja, dachte er bescheiden, geistreiche Sprüche hatten sie wirklich nicht abgelassen. Kein Wunder, wenn Hasard sarkastisch reagierte.
Ein Ruck an der Leine kündigte an, daß Ferris Tucker mit seiner Besichtigung fertig war.
Hand über Hand hievten sie ihn hoch. Er selbst hielt mit der einen Hand die Leine an seinem Körper fest und kletterte senkrecht an der Bordwand hoch.
Schon an seinem Gesichtsausdruck erkannte Hasard, daß von dem Ruder nicht mehr viel übrig war, und als Ferris wieder an Deck stand, nickte er ernst.
„Muß ein Stück Treibholz gewesen sein“, sagte er. „Der Ruderschaft ist zum Glück heil geblieben, und wir können aus den Resten ein Notruder anschlagen. Die hängen nämlich noch dran. Nur werden wir nicht drum herumkommen, irgendwo aufzuslippen. Und segeln müssen wir sehr, sehr vorsichtig.“
Hasard änderte seinen Entschluß, auf dem kürzesten Weg die Schlangen-Insel anzulaufen.
„Wir schlagen ein Notruder an und segeln nach Tortuga“, sagte er. „Dort haben wir die Möglichkeit, das Ruder zu erneuern. Auf der Schlangen-Insel schaffen wir nicht einmal das Höllenriff mit einem Notruder. Also fangen wir gleich an!“
Ferris Tucker und der grauhaarige ehemalige Schmied von Arwenack, Big Old Shane, widmeten sich vom abgefierten Beiboot aus der Arbeit.
Ein provisorisches Ruder anzuschlagen war gar nicht einmal so schwierig, wie es sich anhörte, aber es war und blieb eben nur ein Provisorium. Erhielt es zu starken Druck, dann brach es erneut, folglich mußten sie so segeln, wie Ferris das schon vorher betont hatte: sehr, sehr vorsichtig!
Die Arbeit nahm etwa zwei Stunden in Anspruch. Die „Isabella“ dümpelte auf den Wellen und beschrieb fast einen Kreis.
Ferris und Big Old Shane hatten alte Planken zersägt und sie um die noch verbliebenen Reste des alten Ruderblattes genagelt. Zwei dünne Leinen hielten den Rest am Ruderschaft fest. Das Ganze sah jetzt eher wie ein unförmiger Kasten aus, aber das Notruder erfüllte seinen Zweck mit Sicherheit, vorausgesetzt, sie gerieten nicht unversehens in einen starken Sturm mit grober See.
„Sieht aus wie eine bandagierte Seekuh“, sagte der Profos, als Ferris ihn nach seiner Meinung fragte. „Aber die Hauptsache ist, es hält bis Tortuga. Dort können wir in aller Ruhe darangehen, ein neues Ruder zu bauen.“
„In aller Ruhe?“ wiederholte Ferris höhnend. „Was glaubst du wohl, was inzwischen aus Tortuga geworden ist, eh? Ein Nest voller friedvoller Chorknaben? Da hat sich doch neues Gesindel festgesetzt – Piraten, Gauner, Haderlumpen. Die werden uns wohl kaum mit großem Wohlwollen empfangen, wenn sie erst wissen, wer wir sind.“
Carberry sah seinen Freund düster an. Dann fuhr sein abgewinkelter Zeigefinger über seine Bartstoppeln am Kinn, und es hörte sich an, als marschiere eine Horde triefäugiger Küchenschaben raschelnd über das Deck.
„Hm, vielleicht hast du recht. Ist auch schon verdammt lange her, daß wir da gesungen haben. Na, wir werden ja sehen.“
Dann drehte er sich um und sah die Männer grimmig an.
„Könnt ihr schwangeren Plattfische euch nicht denken, daß wir jetzt weitersegeln?“ fuhr er sie an. „Oder glaubt ihr etwa, wir dümpeln hier nur rum, weil wir Langeweile haben, was, wie? Wenn ihr nicht gleich auf den Stationen seid, dann streiche ich euch eure Affenärsche grün an!“
„Aber meinen mit weißen Punkten, bitte“, sagte Matt Davies grinsend. Dann hatte er es allerdings ziemlich eilig, zu verschwinden, denn Carberrys Gesicht verhieß nichts Gutes.
Immer noch war weit und breit kein anderes Schiff zu sehen, als auf der „Isabella“ wieder die Segel gesetzt wurden. Nur dicht unter Land war ein winziges Segel zu erkennen, aber das gehörte zu einem harmlosen Fischerboot. Niemand hatte sie in der Zeit der Reparatur behelligt. In dieser Ecke war das fast ein Wunder, denn hier kreuzten häufig Spanier herum, die in Geleitzügen über den Atlantik segelten.
Hasard wünschte sich zur Zeit weder Dons noch Piraten. Mit dem notdürftig geflickten Ruder waren sie hilflos und konnten sich nicht in Gefechte verwickeln lassen. Sie würden es nicht einmal schaffen, sich schnell zu verdrükken.
Der Seewolf überprüfte selbst, wie das Ruder auf Druck reagierte.
„Etwas schwerfälliger als sonst“, sagte er zu seinem Bootsmann Ben Brighton, „aber bis zur Südspitze Tortugas werden wir es mit Sicherheit schaffen.“
Ben Brighton nickte. In seinem Gesicht lag ein nachdenklicher Zug, dann überprüfte er das Ruder ebenfalls und ließ die „Isabella“ ein wenig abfallen.
Beim nächsten Ruderdruck begann es laut zu knarren, und der Rahsegler bewegte sich etwas träge.
„Hoffen wir das Beste“, sagte Ben mißtrauisch.
„Es hält“, versicherte Big Old Shane und strich mit seiner großen Hand durch den grauen Bart. „Es verträgt sogar noch wesentlich mehr Druck, da brauchen wir nichts zu befürchten.“
Er lächelte zuversichtlich, und die grenzenlose Ruhe, die von dem ehemaligen Schmied von Arwenack ausging, übertrug sich auch auf die anderen. Wenn Tucker und