Seewölfe - Piraten der Weltmeere 227. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 227 - Fred McMason


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damit der Druck auf das geflickte Ruderblatt nicht zu stark wurde.

      Die „Isabella“ segelte weiter. Erst am späten Nachmittag begegnete ihr ein fremdes Schiff. Aber von dieser Galeone sahen sie nur die Andeutung eines Segels, einen Hauch nur, ehe sie auch schon wieder hinter der Kimm verschwand.

      Den ganzen Tag lang geschah nichts. Auch in der folgenden Nacht blieb es ruhig. Gegen Morgen tauchte noch einmal eine Karacke auf, aber die wich rechtzeitig aus und lief nach Norden ab, als die „Isabella“ auf ihrem Kurs blieb.

      Das Ruder hielt, allen Unkenrufen des alten O’Flynn zum Trotz. Und es hielt auch noch am anderen Tag, als Tortuga gesichtet wurde.

      Da lag sie vor ihnen, die Südküste der Schildkröteninsel, und auf den harten Gesichtern der Seewölfe erschien das erste Grinsen. Deutlich war die Erwartungsfreude darin zu lesen.

      „Zehn Jahre“, sagte Dan O’Flynn zum Profos. „Eine lange Zeit. Seitdem waren wir nicht mehr hier. Damals sind die Burschen, die man hier umgebracht hat, noch über die Totenrutsche ins Meer gesaust. Ob sich wohl viel geändert hat?“

      Der Profos lehnte am Schanzkleid, seine mächtigen Unterarme lagen auf dem Handlauf. Er spuckte gemütlich nach Lee ins Wasser, während sein Blick auf die Insel gerichtet blieb.

      An der üppigen Vegetation hatte sich nichts geändert. Dort wuchsen noch wie eh und je die Bananenpalmen und die Feigenbäume. Nur der Mahagoniwald auf dem Rücken der Schildkröte hatte einige Einbußen hinnehmen müssen. Wahrscheinlich hatte man das Holz gebraucht oder seinen Wert erkannt. Jedenfalls war der dichte Wald etwas geplündert und lichter geworden.

      Ob die Insel jetzt jemandem gehörte, ließ sich noch nicht sagen. Vermutlich war sie wie seit langer Zeit immer noch der Unterschlupf zwielichtiger Gestalten, karibischer Piraten, und es regierte der, der sich am härtesten durchzusetzen vermochte.

      „Ja, eine lange Zeit“, wiederholte der Profos. „Ein paar Häuser mehr sind es geworden. Sie sehen aus wie Nester, die man an den Berg geklebt hat. Und daß hier immer noch Piraten hausen, das sieht man schon von weitem. Aber alles in allem scheint die Zeit hier ziemlich spurlos vorbeigegangen zu sein.“

      Mit schwacher Fahrt lief die „Isabella“ weiter in Richtung der Bohlenstege, an denen die Zeit ebenfalls kaum genagt hatte. Einige waren ausgebessert worden, die anderen sahen noch genauso aus wie vor zehn Jahren.

      Eins hatte sich auf Tortuga jedoch überhaupt nicht verändert. Und das waren die Visagen jener Kerle, die von vergammelten und abenteuerlichen Galeonen, Karavellen und Karacken dreckig herübergrinsten.

      Carberry zählte acht Schiffe im Hafen, darunter eine vor Anker liegende Galeere, ein schlankes, schnelles und wendiges Schiff, das sah er auf Anhieb.

      Das Einlaufen der „Isabella“ gestaltete sich zu einer Art Spießrutenlauf, denn die Mannschaften der anderen Schiffe hatten Aufstellung genommen und beäugten den schlanken Rahsegler gierig, verschlagen, erwartungsvoll oder neidisch. So manchem der Halsabschneider, Schnapphähne und Gauner stand der Wunsch im Gesicht, sich dieses ranke Schiffchen unter den Nagel zu reißen.

      „Alles ehrliche Kaufleute, fromme Pilger und ehrliche Fischer“, sagte der Profos, als er die Gestalten sah. Da standen sie am Schanzkleid wie Perlen an der Schnur. Einige trugen bunte Kopftücher, andere über der nackten Brust ein ledernes Bandelier, und darin steckten mitunter drei oder vier Pistolen. Etlichen fehlten die Zähne, ein anderer wieder hatte nur noch ein zerfranstes Ohr, und ein dritter sah so aus, als hätte man ihm den Schädel gespalten. Eine riesige blutrote Narbe zog sich senkrecht von der Stirn bis über die verunstalteten Lippen und weiter zum Kinn.

      Als der Kerl auch noch hinterhältig zu ihnen herübergrinste, fiel selbst dem hartgesottenen Profos fast die Kinnlade herunter. Da erschien ein rosig klaffender Spalt, und in diesem fürchterlichen Gewölbe stand einsam und verlassen ein einzelner Zahn, und der schimmerte auch nicht gerade in hellen Tönen. Er sah eher aus wie ein verfaulter Ast.

      „O Lord“, sagte der rothaarige Schiffszimmermann Ferris Tucker, „der Kerl sieht so aus, als hätte er unsere gesamten Vorräte an Flaschenbomben gefressen.“

      „Und die sind ihm alle im Maul explodiert“, fügte Ed hinzu. „Junge, solch Gesindel hab ich schon lange nicht mehr gesehen. Die glotzen uns an, als wollten sie uns die ‚Isabella‘ gleich unterm Hintern wegklauen.“

      Selbst den Seewolf bewegten beim Anblick dieser Visagen sehr gemischte Gefühle, obwohl er einiges gewohnt war. Diese Kerle gingen über Leichen. Wenn die erst einmal erfuhren, wer die Seewölfe waren, dann würde hier auf Tortuga mit Sicherheit ein Tänzchen stattfinden, eine Art Totentänzchen.

      Auch an den Bohlenstegen lungerten bunte, wilde, abgerissene, verdreckte und schmierige Gestalten herum. Und in allen diesen Visagen stand ein hinterhältiges Grinsen, als würden sie sagen: Na wartet nur, ihr Burschen, ihr kennt uns noch nicht. Aber das wird nicht lange auf sich warten lassen!

      Bevor sie anlegten, meldete Ben Brighton Bedenken an. Er zeigte mit dem Daumen auf die Schiffe, dann auf die herumlungernden Kerle und stieß tief die Luft aus.

      „Hier aufzuslippen erscheint mir sehr bedenklich, Sir. Die Kerle lassen sich die Gelegenheit doch nicht entgehen. Siehst du nicht, wie begehrlich die Blikke sind, die sie uns zuwerfen? Die vermuten auf unserem Schiffchen reiche Beute.“

      „Das Schiff selbst ist es, was ihnen in die Augen sticht“, sagte der Seewolf nachdenklich. „Für dieses Piratengesindel wäre die ‚Isabella‘ geradezu ideal. So schnell würde ihnen kein anderer mehr davonsegeln. Aber wir bleiben hier, wir haben keine andere Wahl. Die Kerle werden wir uns schon vom Leib zu halten wissen. Wenn wir angelegt haben, werden wir erst einmal die Lage peilen und feststellen, wer hier das Sagen hat.“

      Er sah aus den Augenwinkeln ein paar Kerle, die sich eifrig um die Festmacher kümmerten und mit hämischem Grinsen nach den Trossen griffen.

      Aber Smoky, der breitschultrige Decksälteste, ließ auf der Back doppelte Bucht setzen, und so kriegte die Vorleine keiner der Kerle erst in die Hand. Das war eine reine Vorsichtsmaßnahme, denn bei einem schnellen Ablegemanöver genügte eine schlenkernde Handbewegung, und das Schiff war frei. Das Auge der Vorleine blieb also auf dem Schiffspoller, und die Leine wurde um den Landpoller nur herumgelegt.

      Als achtern belegt wurde, blieb einer der grinsenden Kerle auf dem Poller hocken. Vielleicht dachte er, der narbige Kerl mit dem Eisenkinn würde sich darüber totlachen, vielleicht aber fühlte er sich auch nur stark.

      Schon das Gesicht des Profos’ hätte dem verluderten Kerl zu denken geben müssen, aber wahrscheinlich konnte er nicht denken, und bei seinem kleinen Schädel, um den ein rotes Band geschlungen war, wunderte das den Profos auch nicht. In einem kleinen Kopf konnte auch nicht viel drin sein, überlegte Ed.

      „Na, du ungewaschenes Rübenschwein“, sagte Ed lauernd. „willst du nicht lieber verholen, was, wie?“

      „Hä?“ fragte der Kerl und blieb sitzen.

      Carberry hielt die Leine in der Hand. Dadurch, daß die Vorleine jetzt vertäut war, schor das Achterschiff wieder leicht vom Bohlensteg ab. Es wurde also Zeit zum Belegen.

      Edwin Carberry packte die Leine so, daß er das Auge in der Hand hatte. Dann erfolgte eine kleine schlenkernde Bewegung aus dem Handgelenk heraus, und im nächsten Augenblick hatte der verluderte Kerl die Leine um den Oberkörper.

      Carberrys gewaltiger Ruck lupfte den Kerl schlagartig nach vorn. Er konnte gar nicht so schnell rennen, und so flog er mehr, als er rannte, voller Wucht weiter.

      Auf der „Isabella“ gab es einen dumpfen Bums, als der Verluderte mit dem Kopf an die Rumpfplanken knallte. Der harte Anprall ließ ihn sofort wieder zurücktaumeln, und mit einem weiteren dumpfen Laut landete er mit dem Hintern voran auf dem Bohlensteg. Sein Blick war in weite Fernen gerichtet, etwas glasig, sein Oberkörper schwankte hin und her, und auf seinen Lippen stand ein idiotisches Grinsen. Dann kippte er langsam um und blieb eine Weile so liegen.

      Seine Spießgesellen nahmen den Vorfall nicht weiter tragisch. Ihr schadenfrohes Gelächter brandete durch


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