Seewölfe Paket 6. Roy Palmer

Seewölfe Paket 6 - Roy Palmer


Скачать книгу
spärlich, das meiste hatten die Piraten mitgenommen. Aber wenn alles nach Plan lief, würden die Spanier ohnehin nicht dazu kommen, Degen oder Pistolen zu ziehen.

      Ein paar Minuten später verrieten das Poltern von Schritten und die wüsten Flüche, daß sich die Gruppe näherte.

      Die Sonne brannte immer noch erbarmungslos vom Himmel, die Felsen auf der Landzunge speicherten die Hitze des Tages: Jedenfalls registrierte Hasard mit einem vorsichtigen Blick, daß die Spanier reichlich verschwitzt aussahen. Der Seewolf zog den Kopf zurück, grinste leise und lauschte auf die keuchenden, verbiesterten Stimmen.

      „Verrückte Idee!“ knurrte jemand. „Wenn wirklich ein Schiff aus dem Verband untergegangen wäre, hätten sich unsere Leute doch längst gemeldet.“

      „Wem sagst du das? Sag’s dem Capitan, du Hammel.“

      „Der ist doch nicht bei Trost! Unsere Leute könnten verletzt sein und sich deshalb nicht am Strand zeigen – ha! Aber auf den Berg klettern und ein Feuer anzünden, das können sie, was?“

      „Vergiß es! Wir tun, was man uns sagt und …“

      „Und lassen uns von Eingeborenen auffressen oder sonst was, he? Ich habe die Schnauze voll! Bei der nächsten Gelegenheit mustere ich ab, da kannst du Gift drauf nehmen. Ich bin doch nicht blöd, ich doch nicht, Mann!“

      Hasard spannte die Muskeln.

      In der nächsten Sekunde mußten die Kerle in sein Blickfeld geraten. Sie erweckten zwar nicht gerade den Eindruck, als achteten sie besonders aufmerksam auf ihre Umgebung, aber man konnte nie wissen.

      „Jetzt!“ flüsterte der Seewolf.

      Mit einem Panthersatz schnellte er aus seinem Versteck und federte von der Seite her auf die ahnungslosen Spanier zu. Gleichzeitig wurde es überall zwischen den Felsen lebendig. Die sechs Kerle prallten zurück, als seien sie gegen eine unsichtbare Mauer gelaufen, wirbelten herum, aber da hatte Hasard den ersten schon am Kragen.

      „Car …“ stieß der Bursche hervor.

      Vielleicht wollte er „Caramba“ sagen, aber das brachte er nicht mehr heraus. Eine Faust krachte unter sein Kinn. Eine Viertelsekunde lang hatte er das Gefühl, sein Kopf fliege davon, und dann gingen für ihn so schnell die Lichter aus, daß er von der eigenen Luftreise nichts mehr merkte.

      Hasard wirbelte herum und rammte dem nächsten Spanier den Kopf in den Bauch. Ferris Tucker schwang Batutis Morgenstern, Matt Davies zog sich einen der Kerle mit seinem Haken heran und donnerte ihm die Linke auf den Schädel. Ed Carberry hieb, ausnahmsweise ohne Gebrüll, mit einem Knüppel um sich, und alles in allem dauerte es nur ein paar Sekunden, bis die sechs Spanier bewußtlos im Geröll der Brandungsplatte lagen.

      „Kinderkram!“ knurrte der Profos unzufrieden.

      „Ein Mistspiel ist das“, pflichtete Matt Davies bei. „Macht gar keinen Spaß, wenn sich die Kerle schon beim ersten Antippen hinlegen.“

      „Spaß kriegt ihr noch, wenn wir die Karavelle entern“, sagte Hasard trokken. „Das eine Boot ist ein bißchen wenig. Wir brauchen mindestens zwei. Aber die Kerle werden uns das zweite schon noch liefern.“

      Smoky kicherte. „Na klar! Hat Ben ja auch getan, als wir ’ne Weile verschwunden waren. Wollen wir aus einem von den lahmen Dons herauskitzeln, wie viele Leute sie an Bord haben?“

      „Gute Idee! Aber zuerst werden sie gefesselt und eine Etage höher gehievt. Ed, Ferris, Blacky!“

      „Hopp-hopp, ihr müden Krieger!“ tobte der Profos los. „Ihr denkt wohl, heute ist Weihnachten, was, wie? Her mit den verdammten Tampen, aber ein bißchen plötzlich. Blacky, wenn du deine Quadratlatschen nicht schneller bewegst, hau ich dir auf deinen dicken Schädel, daß du genauso aussiehst wie die Mehlsäcke da! Seid ihr Betbrüder, oder was seid ihr?“

      In diesem Stil ging es weiter. Nur etwas gedämpfter als gewöhnlich, denn der Profos hatte ein Organ, das normalerweise glatt Kanonendonner übertönte. Hasard grinste, während er mit Ferris Tucker und Big Old Shane über das Kliff aufenterte und ein stabiles Tau nach unten warf. Der erste Spanier war bereits gefesselt und wurde Hand über Hand hochgezogen.

      Dabei wachte er auf und begann jämmerlich zu ächzen. Kein Wunder, denn er schwebte durchaus nicht in der Luft, sondern schrammte immer wieder unsanft über die Felsen. Und da zwei Kerle wie Ferris Tucker und Big Old Shane an dem Tau zogen, ging das Ganze durchaus nicht langsam, sondern sehr schnell und sehr ruppig vonstatten.

      Einer nach dem anderen wurden die sechs Spanier hochgezogen, ein Stück vom Klippenrand weggeschleppt und nebeneinander auf den Boden geworfen.

      Mit einer Ausnahme hatte die unsanfte Prozedur sie alle aus der Bewußtlosigkeit geweckt. Mit aufgerissenen Augen starrten sie in die grimmigen Gesichter der Seewölfe und sahen allesamt so aus, als hätten sie Bauchschmerzen.

      Hasard blieb vor dem ersten stehen und grinste auf ihn hinunter. Der Spanier fand dieses Grinsen ziemlich beunruhigend, genau wie den zwingenden Blick der leicht zusammengekniffenen eisblauen Augen. Und die anderen sahen auch nicht friedlicher aus: dieser fürchterliche rothaarige Riese, der Bulle mit dem wüsten, zernarbten Gesicht und dem Amboßkinn, der Kerl mit dem Stahlhaken …

      „Wie heißt euer Kapitän?“ fragte Hasard in seinem akzentfreien Spanisch.

      „C-c-correggio“, stotterte der Bursche. „Juan de Correggio!“

      „Wieviel Mann Besatzung habt ihr?“

      Der Spanier schluckte unglücklich. Hasard zuckte mit den Schultern und gab Matt Davies einen Wink. „Ab mit dem Kerl!“

      Matt schnitt eine wahrhaft furchterregende Grimasse, als er den Schweiger mit seinem Stahlhaken am Kragen packte. Das Opfer schrie Zeter und Mordio und wimmerte in allen Tonarten um Gnade. Kaum daß Matt hinter dem nächsten Felsen verschwunden war, verstummte das Geschrei, und das Gesicht des nächsten Spaniers nahm die Farbe von schmutziger Milch an.

      Hasard grinste jetzt ausgesprochen bedrohlich.

      Er wußte, daß Matt sein Opfer lediglich geknebelt hatte. Aber das wußten die anderen Spanier nicht. Sie glaubten felsenfest daran, daß ihr Kumpan über die Klinge gesprungen sei, und der Seewolf brauchte seine Frage kein zweites Mal zu stellen.

      „Dreißig!“ sprudelte der Spanier hervor. „Wir sind dreißig Mann, wir …“

      „Dreißig Mann für dieses Schiffchen?“ fragte Hasard zweifelnd.

      „Es ist wahr! Wir – wir haben unterwegs die Leute einer leckgeschlagenen Karacke aufgenommen. Vor zwei Wochen war das. Ich schwöre …“

      „Ab mit ihnen“, sagte Hasard. „Ihr werdet geknebelt und an die Felsen gebunden“, setzte er hinzu, als er das aufflackernde Entsetzen in den Augen des Mannes sah. „Wir brauchen nämlich noch ein zweites Boot, bevor wir euer Schiff entern.“

      „A-aber …“

      „Keine Angst, es gibt Wasser, Früchte und sogar Wildschweine auf dieser Insel. Ihr werdet wie im Paradies leben. Und außerdem seid ihr ja im Verband gesegelt, oder?“

      „Aber die anderen sind doch längst weitergefahren. Nur Correggio, dieser verdammte Narr …“

      Der Spanier schluckte und biß sich auf die Lippen. Daß man irgendwann nach ihnen suchen und sie sicher auch finden würde, fiel ihm bestimmt noch ein, wenn er Zeit zum Nachdenken hatte. Und die würde er haben, genau wie seine Kumpane, die jetzt einer nach dem anderen geknebelt und so an einzelne Felsblöcke gefesselt wurden, daß man sie höchstens aus unmittelbarer Nähe entdecken konnte.

      Hasard lächelte zufrieden vor sich hin, als er das Ergebnis noch einmal inspizierte.

      Die Spanier waren unfähig, sich irgendwie bemerkbar zu machen. Wie lange sie so aushalten mußten, lag an ihren Kumpanen. Oder besser an ihrem Capitan, auf den sie offenbar eine Stinkwut hatten. Der Kerl war ein Idiot, das hatte er bereits mit seinen irrsinnigen Manövern bewiesen. Vielleicht würde er überstürzt handeln, vielleicht


Скачать книгу