Seewölfe - Piraten der Weltmeere 81. Cliff Carpenter

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 81 - Cliff Carpenter


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halfen Tucker und Carberry ihrem Kapitän.

      Einige der unsanft Wachgerüttelten waren zwar brav, wie im Unterbewußtsein, hochgetorkelt, als sie die Kommandostimme Hasards hörten, waren aber nicht recht wach geworden und wieder umgefallen. Jetzt lagen sie wieder schnarchend am Strand.

      Eine Dusche Wasser, ein gezielter Tritt brachte sie wieder hoch.

      Alle hatten begriffen, worauf es ankam. Und es war nicht ihre Art, jemanden zurückzulassen. Sie hatten die Knute der Dons zu lange gespürt, als diese Behandlung auch nur ihrem ärgsten Feind zu wünschen.

      Langsam setzte sich der Zug wieder in Bewegung. Aufeinandergestützt, mit leeren Gesichtern, taumelnd vor Erschöpfung, kämpften sich die Seewölfe weiter, zogen sich an den Luftwurzeln der Mangroven hoch und schleppten sich dem Saum gezackter Palmkronen entgegen, die den nahen Urwald anzeigten.

      Schon einem Gesunden hätte ein Marsch durch das sumpfige unwegsame Gelände einiges abverlangt. Die Seewölfe wollten mehr als einmal aufgeben. Jedesmal trieb sie Hasard unerbittlich weiter.

      Die Verwundeten wurden getragen. Die Schwachen stützten sich auf die Starken.

      Hasard selbst half zweien seiner Männer, die sich an ihn klammerten.

      Nur Bill, der schmächtige Schiffsjunge, zeigte Nehmerqualitäten. Er schlug manchen hartgesottenen Seemann um Längen, was Zähigkeit und Ausdauer betrafen. Er stromerte um die Gruppe wie ein Schäferhund um die Herde, lief auch mal voraus und erkundete den Weg, um der Crew die beste Richtung angeben zu können.

      Hasard wunderte sich gehörig über den Burschen.

      Immer wieder blieb einer der Männer stehen und blickte flehentlich auf den Kapitän, ob die Qual nicht endlich ein Ende habe.

      Jedesmal schüttelte Hasard stumm den Kopf. Nur in hartnäckigen Fällen fügte er hinzu: „Wir sind noch lange nicht in Sicherheit. Willst du, daß alle Opfer, alle Anstrengungen umsonst waren? Die Dons könnten uns in unserem jetzigen Zustand mit nassen Handtüchern erschlagen. Wir müssen uns verstecken wie gehetztes Wild. Uns bleibt nichts anderes übrig. Erst wenn wir wieder ausgeruht sind, können wir unserer Wut freien Lauf lassen und uns den Spaniern zum Kampf stellen. An mir soll es nicht liegen. Was ist mit dir? Bist du dabei?“

      Solche Appelle hatten immer Erfolg.

      Der an seinem Ehrgeiz Gepackte grinste zwar müde, aber doch schon kampflüstern. Einem Spanier an den Kragen zu gehen, einem der Dons, die das alles verschuldet hatten – eine solche Vorstellung belebte die Lebensgeister besser als Speise und Trank. Schon spürte man neue Kräfte, auch wenn es nur ein kurzes Aufflackern war.

      Bald aber konnte Hasard weder im Guten noch im Bösen etwas ausrichten. Sie hatten den Rand der grünen Hölle erreicht. Ein Eindringen schien unmöglich. Die Männer schreckten zurück vor der Unnahbarkeit dieses grünen Meeres. Sie waren an Land ohnehin hilflos wie die Schildkröten. Jetzt auch noch wie die Affen zwischen Lianen und Orchideen, Baumriesen und Farnkräutern herumzufegen – das ging gegen ihre Natur.

      Sie ließen sich fallen, wo sie standen.

      Da nahm auch Hasard erschöpft Platz. Lethargie befiel auch ihn.

      Wohin wollten sie eigentlich? Ohne Werkzeuge, ohne Proviant, weitab von ihrem stolzen Schiff? Sie waren gestrandet. Und was das gekostet hatte! Sollte das der Preis sein, hier im Dschungel elend umzukommen oder sich zu verirren?

      Da war es der Kutscher, der wieder Leben in das Camp der Verlorenen brachte. Er hatte sich die ganze Zeit bereits rührend um Smoky gekümmert, den Decksältesten. Jetzt störte ihn das Stöhnen des Verwundeten in seiner Ruhe. Seine Kunst wurde gebraucht.

      Also zwang er sich, aufzustehen.

      Er schimpfte und fluchte, nachdem er die Wunde Smokys mit Seewasser gereinigt hatte. Smoky lag die ganze Zeit flach auf dem Rücken und stöhnte vor Schmerzen.

      „Es ist nur ein Streifschuß“, tröstete ihn der Kutscher. „Du hast ‘ne Menge Blut verloren, aber an dem Kratzer geht niemand zugrunde.“

      „Dein Wort in Gottes Ohr, Kutscher“, knurrte Smoky. „In den Tropen kann die winzigste Verletzung das große Aus bedeuten. Erzähl mir nichts. An mir soll es nämlich nicht liegen. Ich werde auch weiterhin die Zähne zusammenbeißen, solange ich noch die Kraft dazu habe. Wenn ich es aber nicht mehr schaffe, Kutscher, mußt du mir einen Gefallen tun!“

      „Ich bin Medizinmann, kein Schlächter!“ Der Kutscher winkte ab. Er wußte genau, auf was der Decksälteste hinauswollte. Bei dem bloßen Gedanken sträubten sich ihm schon die Nackenhaare.

      „Aber es ist deine Christenpflicht. Willst du, daß die Spanier mich fangen? Oder die Würmer mich bei lebendigem Körper auffressen, Mann? Was wäre in solchem Fall wirkliches Mitleid? Du mußt es tun. Versprich es mir, sonst stehe ich nicht mehr auf.“

      „Ja, zum Teufel. Aber ehe das eintritt, kämpfe ich wie ein Löwe. Ich werde dich pflegen wie eine Mutter. Und du tust mir den Gefallen und läßt dich nicht gehen. Gemeinsam werden wir es schaffen.“

      Smoky nickte und fiel wieder hintenüber. Für einen Augenblick hatte er sich aufgerichtet, den Kutscher am Arm gepackt und ihn wild angestarrt.

      Der Kutscher ahnte bereits, wie es weitergehen würde: das Fieber würde über den geschwächten Körper Smokys herfallen. Mit einem Blatt, das er von einer Palme abschnitt, verschloß er notdürftig die Schulterwunde. Mehr hatte er nicht. Ein paar biegsame Zweige mußten den Notverband halten. Das war besser als gar nichts. So konnte nicht jeder Schmutz ungehindert in die offene Wunde eindringen. Und der Patient hatte das Gefühl, daß etwas getan wurde.

      „Hol‘s der Satan“, schimpfte der Kutscher.

      Er hinkte zu Hasard, der sich bei seinem Nahen sofort aufrichtete, als habe er nie den Schlaf des Erschöpften genossen.

      „Was soll jetzt werden?“ fragte der Kutscher. „Wir haben Verwundete. Willst du warten, bis hier ein englisches Schiff vorbeisegelt? Ich fürchte, solange leben wir alle nicht. Bis dahin sind wir verhungert und verdurstet. Die Nahrungsmöglichkeiten sollen im Urwald noch schlechter sein als auf der Teufelsinsel, auch wenn du dir das nicht vorstellen kannst.“

      „Ich gebe niemals auf, soweit solltest du mich schon kennen. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Ich träume davon, meine ‚Isabella‘ wieder in Besitz zu nehmen.“

      „‚Deine Isabella‘?“ erkundigte sich der Kutscher streitsüchtig. „Wenn schon, dann unsere ‚Isabella‘.“

      „Leg nicht jedes Wort auf die Goldwaage. Wenn es dich beruhigt: es war nicht so gemeint“, erwiderte Hasard und grinste.

      Der Kutscher stand mit dem Gesicht zum Meer.

      „Ich habe auch etwas, das dich interessieren wird“, sagte der Kutscher leise, und seine Augen weiteten sich. „Dort hinten ist eine Schaluppe aufgetaucht. Ich will verdammt sein, wenn ich nicht lauter spanische Helme sehe.“

      Hasard sprang wie von der Tarantel gestochen auf. Gefahr belebte ihn. Herausforderung reizte ihn. Er hätte nicht den Kampf mit den Spaniern gesucht. Jetzt noch nicht. Aber wenn es denn sein mußte …

      Hasard entdeckte unschwer die Schaluppe.

      An Bord befand sich die halbe Wachmannschaft der Spanier. Am Bug stand, den Kieker vor dem Auge, Capitan Catalina, Kommandant der Teufelsinsel. Systematisch suchte er den Uferstreifen ab.

      „Woher weiß dieser Hurensohn, daß wir das Festland erreicht haben?“ fragte der Kutscher. „Es könnten uns doch auch die Haie gefressen haben.“

      „Er will sichergehen. Noch einen Fehler kann er sich nicht leisten. Wenn er uns nicht findet, geht er davon aus, daß wir nicht mehr leben, und kann Madrid melden, was ihm paßt. Er braucht nicht einmal zu erwähnen, daß es vorher einen Massenausbruch gegeben hat.“

      „Kann er sich so auf seine Leute verlassen?“ fragte Ferris Tucker, der sich ebenfalls erhoben hatte und zu den beiden trat.

      „In


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