Seewölfe Paket 11. Roy Palmer
Kerle sehen wirklich übel aus“, sagte er. „Denen sollten wir nicht über den Weg trauen.“
„Das tun wir auch nicht. Es scheinen Malaien zu sein – oder Indonesier von den Inseln. Ein paar Kerle, die wie Europäer aussehen, sind auch dabei.“
Auch der Profos blieb äußerst mißtrauisch, als er die wild durcheinanderrennenden Burschen sah. Einige hatten Musketen in den Fäusten und gebärdeten sich wie toll. Schüsse wurden abgefeuert, Pistolen krachten, und immer noch ließ sich keiner der Insulaner blicken.
Das gab Hasard immer mehr zu denken.
Zwei Meilen vor dem Strand sahen sie noch die Ausläufer eines Riffs, aber das wurde von Pete Ballie in einem kleinen Bogen umsegelt, bis sich die „Isabella“ dem Strand näherte.
„Fallen Anker!“ rief Hasard.
Der Anker rauschte aus, und sie mußten Trosse nachfieren, denn der Grund bestand aus Korallensand und der Anker slippte nach. Aber nach einer Weile schwojte die „Isabella“ doch ruhig im Wasser um die Trosse. Die Segel waren aufgegeit worden, die Seewölfe warteten.
Vom Strand trennte sie jetzt noch knapp eine Kabellänge.
Al Conroy verteilte Faustfeuerwaffen und vergaß auch nicht, die Drehbassen auszurichten, als einige der unrasierten Kerle ins Wasser sprangen und schwimmend die „Isabella“ zu erreichen versuchten.
„Schickt ein Boot!“ schrie jemand. „Nehmt uns an Bord!“
Es klang halb spanisch, halb portugiesisch, aber der Profos, der am Schanzkleid lehnte, tippte sich mit dem Finger an die Stirn.
„Das könnte euch Rübenschweinen so passen“, sagte er. „Ihr habt doch selbst ein Boot am Strand liegen.“
Hasard sah nur Rattengesichter, Visagen von ausgesprochenen Galgenvögeln, verschlagene, hinterhältige und schmierige Typen, die man nicht einmal mit der Kneifzange anfassen würde. Den Kerlen sah man ihre Tätigkeit zehn Meilen gegen den Südwind an. Das waren einwandfrei Piraten, Schnapphähne zur See, Halsabschneider, Gauner und Deserteure, ein buntes Gemisch aus vielen Nationen.
Die Kerle, die das hörten, drehten wieder ab und schwammen zum Strand zurück. Dann schoben sie das Boot ins Wasser, bemannten es und gingen erneut auf die Reise.
Sechzehn Männer zählten die Seewölfe, sechzehn mit allen Hunden gehetzte Marodeure, Seeräuber der übelsten Garnitur.
Sie pullten wie die Wilden zur „Isabella“. Wie sie sich das vorstellten, einfach an Bord zu gelangen, war dem Seewolf ein Rätsel.
Sie nahmen wohl an, es würde ihnen ungehindert gelingen. Wenn diese Brut erst einmal an Bord war, würde Zustand auf dem Rahsegler herrschen, soviel war sicher.
„Halt!“ rief Hasard mit donnernder Stimme, als die Entfernung nur noch zwanzig Yards betrug und die Kerle weiterpullten. „Kein Yard weiter, oder wir feuern mit der Drehbasse!“
Einige hörten auf zu pullen, doch ein bärenstarker Kerl mit rotem Gesicht und Stiernacken stand im Boot auf und blickte den Seewolf aus verschlagenen Augen an.
Auch er sprach das spanisch-portugiesische Gemisch, das die Seewölfe gut verstanden.
„Ah, Capitano, wir sind ehrliche Handelsfahrer!“ rief er. „Gute, ehrliche Kaufleute, die Pech hatten. Nehmt uns an Bord, wir wollen weg von dieser Insel. Pullt weiter, Leute!“ rief er im selben Atemzug und grinste herausfordernd.
Der Seewolf nickte Al Conroy zu, der eine Flaschenbombe in der Hand hielt. Er zündete die Lunte an, maß die Entfernung und schleuderte die Flasche ins Meer.
Dicht vor dem Boot krepierte sie noch halb unter Wasser und überschüttete die Kerle mit einem Hagel Seewasser, das wie eine Fontäne über sie rauschte.
Erst da hörten sie auf zu pullen, ließen das Boot aber weiter zur „Isabella“ treiben.
„He, was soll das?“ schrie der Anführer erbost. „Behandelt man so ehrliche, in Not geratene Seeleute? Wir sind in friedlicher Absicht erschienen, unser Schiff haben wir verloren.“
„So ehrlich seht ihr auch gerade aus, ihr Schnapphähne“, sagte der Seewolf laut. „Auf meinem Schiff habt ihr nichts zu suchen. Verschwindet!“
Ein Wutgeheul war die Antwort. Einer der Kerle zog eine Pistole unter der Ducht hervor. Ohne lange zu zielen, drückte er ab und schoß. Die Kugel sauste dicht an Carberrys Schädel vorbei und blieb im Mast stecken.
Da richtete sich schon ein anderer auf und griff nach einer geladenen Muskete.
„Wenn ihr uns nicht freiwillig aufnehmt, dann geht es eben anders“, sagte der stiernackige Riesenlümmel hämisch.
Die Kerle wollten es nicht anders, und es sah ganz danach aus, als wollten sie mit dem Mut der Verzweiflung die „Isabella“ entern.
Sie waren jedenfalls zu allem entschlossen, das zeigten sie deutlich genug.
Noch bevor der Musketenschütze feuern konnte, traf ihn ein Pfeil von Batutis Langbogen. Der Mandingo traf immer sein Ziel, und diesmal rettete er wahrscheinlich einem Seewolf damit das Leben.
Der Schütze ließ die Muskete fallen, riß die Arme hoch und kippte mit einer seitlichen Drehung außenbords. Er versank sofort im Meer.
Wieder ertönte ein Wutgeheul von den Piraten. Der Stiernackige schleuderte ein Entermesser, aber jetzt hatte der Seewolf genug.
Er ließ die Drehbasse aus kürzester Distanz abfeuern.
Sie war mit einer Kettenkugel geladen, und Al Conroy nahm genau Maß.
Die Kugel eierte blitzschnell heraus, knallte in den Bug des Bootes und zerfetzte ein paar Planken.
„Die nächste ist mit grobem Blei geladen“, warnte Hasard. „Wenn ihr jetzt nicht augenblicklich verschwindet, schicken wir euch auf den Grund!“
Der Stiernackige fluchte laut und ordinär und hob drohend die Faust.
„Ihr Hunde!“ schrie er. „Ihr dreckigen Halunken! Wenn ihr nicht zu feige seid, dann kommt an Land. Dort werden wir es austragen, und ich werde euch schon zeigen, wie man euch kleinkriegt!“
„Das war meine letzte Warnung an euch Lumpengesindel“, sagte Hasard ruhig. Er gab Al den Befehl, die mit Grobschrot geladene Drehbasse ebenfalls auf das Boot zu richten.
Die Piraten kannten die Wirkung von gehacktem Blei. Auf kurze Distanz abgefeuert, wirkte sie besonders verheerend, und jetzt begannen sie zu kuschen, als sie in die dunkle Mündung der Drehbasse blickten.
„Noch etwas“, sagte Hasard. „Werft eure Waffen ins Meer, augenblicklich, sonst feuern wir! Ihr seid genau im besten Bereich der Drehbassen.“
Stumm glotzten sie sich an. Damit hatte selbst der Stiernackige nicht gerechnet. Er zögerte noch unentschlossen, aber als er jetzt überall hinter dem Schanzkleid Waffen auftauchen sah und in die Gesichter dieser hartgesottenen Burschen blickte, da wußte er, daß seine letzte Stunde geschlagen hatte, wenn er die Aufforderung nicht befolgte.
In ohnmächtiger Wut warfen sie eine Muskete nach der anderen ins Wasser, bis auch die letzte verschwunden war.
„Und jetzt die Pistolen!“ forderte Hasard. „Auch die du noch im Gürtel stecken hast!“
„Verdammt!“ brüllte der Stiernakkige.
Da ruckte die schwenkbare Drehbasse noch etwas weiter herum und senkte sich leicht.
„Das werdet ihr noch bereuen, ihr Hurenböcke!“ schrie er. Dann warf er voller Wut auch die Pistolen über Bord.
„Sehr schön“, höhnte der Profos. „Und jetzt verzieht euch, sonst ziehe ich euch die Haut in Streifen von euren Piratenärschen!“
Das narbige Gesicht und Carberrys entschlossene kalte Wut verfehlten ihren Eindruck nicht auf das Piratengesindel.
Sie drehten unter lautstarken Verwünschungen