Seewölfe Paket 11. Roy Palmer

Seewölfe Paket 11 - Roy Palmer


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die Enden der dünnen Strikke mit Ed Carberrys Fesseln.

      Insgesamt vier solcher Säcke waren es, und als sie sie ins Boot wuchteten, wurde klar, daß es sich bei dem Inhalt um nichts anderes als Steine handelte. Lavabrocken oder sonstwas.

      Dem Profos war es reichlich egal, ob es nun erkaltete Lava oder Felsgestein war. Fest stand, daß sie ihm zentnerschwere Gewichte an den Leib gehängt hatten – um ihn zu ersäufen wie eine Katze.

      Obwohl nur dieser niederschmetternde Umstand letzten Endes zählte, ertappte er sich dabei, daß er darüber herumgrübelte, was für Steine es nun wohl sein mochten.

      Sinnigerweise hatten sie seine Augen nicht verbunden, diese Kanalratten, diese dreimal verfluchten hinterhältigen Rübenschweine. Als sie seine Fußkette von Dan O’Flynn gelöst hatten, war es ihm noch nicht gleich klargeworden, was sie planten. Aber als sie dann mit zehn Mann über ihn hergefallen waren – draußen vor dem Palast, da war es ihm wie Schuppen von den Augen gefallen.

      Jetzt erlebte er alles bis ins Kleinste mit – eben weil sie ihm die Augen nicht verbunden hatten. Mit voller Absicht hatten sie das nicht getan.

      Teuflische Bastarde!

      Nie in seinem Leben hätte er es sich träumen lassen, einmal auf eine so schändliche Weise zu enden. Hier mußte er sich wie ein Stück Vieh auf der Schlachtbank fühlen. Schlimmer als ein Delinquent, der nach einem ordnungsgemäßen Gerichtsurteil hingerichtet wurde – auf welche Weise auch immer. Einem solchen Delinquenten gestattete man wenigstens noch einen Rest an menschlicher Würde.

      Den Tod hatte Edwin Carberry nie gefürchtet. Allein deshalb nicht, weil er stets eine bestimmte Vorstellung vom Sterben gehabt hatte. Seite an Seite mit seinen Gefährten im wildesten Kampfgetümmel, Mann gegen Mann mit blanken Waffen – dann irgendwann der alles entscheidende Hieb wie ein Blitz aus heiterem Himmel – ein Hieb, den man fast nicht mehr spürte.

      Ja, das wäre für den Profos der „Isabella“ ein ehrenvoller Tod gewesen. Selbst wenn ihn das Schicksal in einem Kampf an Land ereilt hätte, wäre es für ihn noch nicht unehrenhaft gewesen – obwohl Schiffsplanken für einen Profos natürlich der bessere Platz zum Sterben waren.

      Aber dies, verdammt noch mal, war das Niederträchtigste, was Menschen einem Menschen zufügen konnten.

      Ed Carberry drehte den Kopf ein wenig mehr zur Seite, so daß er besser sehen konnte, was sich am Strand abspielte. Mehr als den kleinen Finger konnte er praktisch nicht bewegen. Sie hatten ihn höllisch gut verschnürt. Darin verstanden sie ihr Handwerk, diese drahtigen kleinen Satansbraten.

      Die sechs Kerle, die Mühe gehabt hatten, sein Lebendgewicht zu schleppen, standen noch immer abwartend neben dem Boot. Am Ufer hochaufgerichtet dieser Kerl in Weiß, Ayia Padang Mantra, der Brahmane. Ed Carberry erinnerte sich sehr genau an das alberne Vorstellungszeremoniell im sogenannten Königspalast. Dieser komische Raja hatte damit nichts anderes bezweckt, als sich aufzuspielen und seine Macht zu demonstrieren. Lächerlich! Gefesselten Gefangenen gegenüber konnte selbst eine Laus ihre Macht unter Beweis stellen.

      Der Brahmane scheuchte jetzt die vier Steinträger mit einer herrischen Handbewegung fort.

      Die Männer hasteten los, als säße ihnen der Leibhaftige im Nacken. Der Weißgekleidete genoß offenbar einen ungeheuren Respekt.

      Ayia Padang Mantra stieß einen kehligen Befehl aus. Die sechs Männer, die neben dem Boot ausgeharrt hatten, schwangen sich behende an Bord. Der leicht gebaute Kahn mit den weit geschwungenen Auslegerstangen schaukelte beträchtlich. Die Indonesier griffen nach den Paddeln, deren Blätter aus dünnem Holz bestanden und kreisrund waren.

      Ed Carberry mußte den Kopf noch mehr drehen, um zu erkennen, daß jetzt auch der Brahmane an Bord ging. Einen Moment blieb er aufrecht stehen. In der rechten Hand hielt er Palmenblätter, in die eine halbe Kokosnußschale gebettet war.

      An Land herrschte völlige Stille. Nur das leise Rauschen des Windes in den hohen Kronen der Palmen war zu hören.

      Der Brahmane griff mit der Linken in die Kokosnußschale und sprengte Wasser über das Boot und die Männer. Heiliges Wasser, wie sie es nannten. Dazu murmelte er einen monotonen Sermon von kehligen Worten. Die sechs Indonesier hielten die Köpfe geneigt. Dann, schließlich, setzte sich der Brahmane auf ein schmales Brett, das der Achterducht einer Ruderjolle ähnelte.

      Ed Carberry drehte den Kopf zur anderen Seite. Ja, das Beiboot der „Isabella“ lag noch dort am Strand, wo sie es zurückgelassen hatten. Die Indonesier konnten damit offenbar nicht viel anfangen.

      Das Auslegerboot wurde abgestoßen, und die sechs Männer tauchten die Paddel ein. Mit rasch zunehmender Fahrt glitt der schlanke Bootskörper durch den mäßigen Wellengang. Unmittelbar unter seinem Kopf hörte Ed Carberry das rhythmische Klatschen der Wellen gegen den Rumpf.

      Erneut stimmte der Brahmane ein monotones Gemurmel an. Dabei sprengte er mit weit ausholenden Handbewegungen sein heiliges Wasser nach links und rechts in die Fluten.

      Dieses Gemurmel zerrte an Ed Carberrys Nerven. Er hatte die unbestimmte Ahnung, daß der Moment, in dem es endete, auch sein eigenes Ende bedeutete.

      Urplötzlich empfand der Profos unendliche Einsamkeit. Eine Einsamkeit, wie er sie noch nie gespürt hatte. Angst kroch in dem bärenstarken Mann hoch, und er haßte sich für dieses Gefühl. Doch dann sagte er sich, daß es wohl keinen Menschen gab, der angesichts eines solchen Todes keine Angst verspürte.

      Eine Ewigkeit schien verstrichen zu sein, obwohl das Boot erst vor wenigen Sekunden abgelegt hatte. Ed Carberry verlor jegliches Zeitgefühl. Das Murmeln des Brahmanen trug dazu bei, ebenso das gleichmäßige Klatschen beim Eintauchen der Paddel.

      Der Profos gab sich einen inneren Ruck und zwang sich, seine letzten Gedanken der „Isabella“ zu widmen, die vor der Insel ankerte. Die stolze Galeone war seine Welt gewesen, und er wollte wenigstens in Gedanken dort sein, wenn es mit ihm zu Ende ging.

      Daß Hasard und die anderen ihm nicht helfen konnten, stand für ihn fest. Es gab keine Rettung, denn für die Indonesier genügte ein schneller Stoß, um ihn über Bord zu befördern und zu ersäufen. Kein Beiboot konnte schnell genug sein, damit sie ihn dann noch rechtzeitig heraufholten.

      Das Gemurmel des Brahmanen erhielt einen dunklen Unterton. Dieser Unterton wurde stärker, im nächsten Moment schien es, als mische sich eine zweite Stimme in die rituellen Redewendungen des Ayia Padang Mantra.

      Ed Carberry wurde erst dann stutzig, als aus dieser vermeintlichen zweiten Stimme ein mächtiger, grollender Baß wurde.

      Die sechs Indonesier stießen einen Entsetzensschrei aus, hielten jäh mit dem Paddeln inne und warfen die Köpfe herum.

      Der Brahmane erbleichte, brach sein Gemurmel gleichfalls ab. Auch er drehte sich um – langsamer jedoch, geradezu schuldbewußt.

      So konnte keiner von ihnen sehen, daß die Männer an Bord der englischen Galeone die Musketen wieder sinken ließen, die sie eben in Anschlag bringen wollten.

      Das mächtige Grollen schwoll an und verdichtete sich zu einem urgewaltigen Donner, der Erde und Wasser gleichermaßen vibrieren ließ.

      Schreckensbleich starrte der Brahmane zum Vulkankegel.

      Im nächsten Atemzug bestätigte sich seine Ahnung.

      Eine Rauchsäule stieg aus dem Krater hoch, bis sie vom Wind erfaßt wurde und zerfaserte. Das Grollen nahm indessen unvermindert zu.

      Jäh zuckte ein Glutstrahl fast kerzengerade aus dem Krater. Er wurde von einem schmetternden Krachen begleitet.

      Der Brahmane schrie einen gellenden Befehl.

      Wie von Furien gehetzt, tauchten die Indonesier die Paddel ein und wendeten das Boot. In rasendem Rhythmus peitschten die Paddelblätter das Wasser.

      Mit einem Funkenregen, der sich fächerförmig über den Vulkankegel ergoß, sank der Glutstrahl aus dem Krater in sich zusammen. Als das Auslegerboot den Strand erreichte, nahm auch das Grollen aus der Tiefe der Erde ab.

      Der


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