Seewölfe Paket 11. Roy Palmer
murmelte Romero.
„Und wenn ihr erst frei seid, dann wär’s mir eine höllische Ehre, wenn ihr mich als nächsten von diesem elenden Pflock befreien würdet.“
„Jonny, mein Ehrenwort darauf“, raunte Morgan Young ihm zu.
Romero arbeitete mit verbissenem Eifer weiter, wußte aber, daß er den Schlegel und das Scharfeisen nicht mehr lange in seinen verkrümmten, schmerzenden Fingern halten konnte.
Der Wind briste auf, nahm immer mehr zu, wurde stürmisch und schien sich darüber zu erzürnen, daß die Segel der großen Galeone ihm Widerstand boten. Heftig blies er in das stark gelohte Zeug und pfiff und heulte in den Luvwanten und Pardunen.
Die „Isabella VIII.“ segelte durch die Nacht, mit nordwestlichem Kurs und halbem Wind, der aus Südsüdwest wehte. Mit Backbordhalsen und hart über Steuerbordbug krängend bahnte sie sich ihren Weg durch die aufgewühlten Fluten und lief die südliche Öffnung der Mentawai-Straße zwischen der Südwestküste von Sumatra und den Mentawai-Inseln an.
Im Südwesten, dort, wo sich schon am späten Nachmittag drohend die schwärzlichen Gewitterwolken zusammengeballt hatten, zuckten jetzt hin und wieder Blitze auf, die wie Irrwische vom Himmel in die See glitten und dort in den unergründlichen Tiefen verschwanden.
Ben Brighton, der Erste Offizier und Bootsmann der „Isabella“, stand neben seinem Kapitän Philip Hasard Killigrew auf dem Achterdeck, hielt sich mit einer Hand an der Nagelbank fest und schickte immer wieder besorgte Blicke nach Süden.
„Da braut sich ganz schön was zusammen!“ rief er dem Seewolf zu. „Und wir alle können heilfroh sein, daß du heute nachmittag die Kursänderung angeordnet hast, schätze ich!“
„Ja, ich bin sicher, daß wir noch einen biestigen Sturm auf die Jacke kriegen“, sagte Hasard so laut, daß es durch das Pfeifen des Windes und das Rauschen des Wassers hindurch zu verstehen war. „Wenn es allzu hart wird und wir ihn nicht abwettern können, verholen wir in eine Bucht, entweder auf einer der Inseln oder auf Sumatra.“
Tatsächlich war die Galeone in der Mentawai-Straße ziemlich geschützt, und es war eigentlich kein großer Umweg, den sie beschrieb, wenn sie ganz hindurchsegelte und später, bei der Insel Simeulue, wieder auf den westlichen Kurs zurückging, den der Seewolf ursprünglich festgelegt hatte, nachdem sie die Sundastraße verlassen hatten.
Er wollte hinüber in den Indischen Ozean und ihn quer durchfahren, als Ziel galt irgendwann die Ostküste Afrikas. Ob diese Überquerung aber nun nördlich oder südlich des Äquators stattfand, hatte im Grunde keine große Bedeutung.
Welchen Sinn hatte es, wenn er sich in den Kern der Schlechtwetterzone hinauswagte und dabei das Risiko einging, daß die „Isabella“ schwer angeschlagen wurde? Sie war zwar ein gutes, robustes Schiff, das schon manchen Sturm hinter sich hatte, aber unsinkbar war sie auch nicht. Außerdem hatte Hasard nicht das Recht, die Crew leichtfertig einer derartigen Gefahr auszusetzen.
Man sollte den Teufel nicht zu sehr am Schwanz ziehen, das hatten auch die jüngsten Erfahrungen auf der Insel Seribu gezeigt.
Old Donegal Daniel O’Flynn, der an der Schmuckbalustrade des Achterdecks stand und auf die Kuhl blickte, war der gleichen Meinung. Immer wieder nickte er bedeutungsvoll vor sich hin und murmelte etwas von der „Vorsehung“, den „Mächten der Finsternis“ und dem „heimtückischen Bösen“, das man in dieser Situation ja nicht herausfordern sollte.
Die Situation wurde laut seinen neuesten Darlegungen durch die Konstellation der Himmelsgestirne maßgeblich beeinflußt, aber ob er nun wirklich genau über die Sterne Bescheid wußte, war keinem an Bord der „Isabella“, so richtig klar.
Der Alte drehte sich um, stapfte über das tanzende Deck zum Ruderhaus hinüber und trat zu Blacky, der bei Beginn der ersten Nachtwache um acht Uhr Pete Ballie als Rudergänger abgelöst hatte.
„Es ist gut, aber auch wieder schlecht, daß wir in diese gottverdammte Meerenge hineinlaufen“, sagte Old O’Flynn. „Wir könnten mit Spaniern und Portugiesen zusammentreffen, Blacky, mit einem starken Verband. Macht euch alle auf was gefaßt, heute nacht noch.“
Blacky prüfte unausgesetzt Kurs und die Segel. „Woher willst du das wissen?“ fragte er.
„Ganz einfach. Sirius steht in einem ungünstigen Winkel zur Venus, und das bedeutet für uns dicken Verdruß.“
„Pech für Sirius“, sagte Blacky lakonisch, ohne den Alten auch nur aus den Augenwinkeln heraus anzusehen. „Diese Venus soll ja ein scharfer Brocken sein, hab ich gehört, und da …“
„Nein!“ unterbrach Old Donegal ihn scharf. „Sie ist kein Brocken, sondern ein Stern!“
„Ah so.“
„Und es gibt eine Wissenschaft, du Lorbas, die nennt sich Astrologie. Man sieht sich die Sterne an und weiß, welches Schicksal einem beschert wird.“
„So?“ meinte Blacky. „Aber wie sollst du die Sterne sehen, wenn der Himmel wolkenverhangen ist? Kannst du mir das mal erklären?“
Old O’Flynn verzog das Gesicht zu einer Grimasse der Verachtung. „Dummbeutel“, sagte er – und verließ schleunigst das Ruderhaus. Eine Antwort auf Blackys berechtigte Frage wußte er nämlich selbst nicht.
Der Seewolf war mittlerweile an die vordere Schmuckbalustrade des Achterdecks getreten, beugte sich leicht vor und legte die Hände als Schalltrichter an den Mund.
„Ed!“ schrie er.
„Sir?“ tönte es von der Kuhl zurück, etwa aus der Richtung der Gräting und der Beiboote. Die Gestalt des Profos’ war dort mehr zu ahnen, als richtig zu erkennen, aber er war da, allgewaltig und lautstark wie immer.
„Laß die Zurrings der Beiboote und die Haltetaue der Kanonen noch mal überprüfen!“ rief Hasard ihm zu. „Und dann sollen die Männer vorsichtshalber schon mal die Luken und Schotten verschalken und die Manntaue spannen, verstanden?“
„Aye, Sir, verstanden!“ meldete Carberry. Er schwenkte herum und ließ die übliche Wortkanonade auf die Männer los: „Ihr Himmelhunde, habt ihr’s nicht gehört? Flitzt los und zeigt die Hacken, willig, oder braucht ihr eine Sondereinladung? An die Stücke, an die Boote, und her mit den Spanntauen, zur Hölle, ich hab das schon schneller gesehen, ihr blinden Kanalratten! Ich will die Taue so stramm wie eure gottverdammten Affenärsche sehen, oder es gibt Zunder, daß es raucht! Mister Davies, pennst du? Mister Stenmark, muß ich dir Feuer unterm Achtersteven machen? Oh, ihr Triefaugen und Rübenschweine, wer hat euch bloß gezeugt?“
Matt Davies rannte zum Kutscher hinüber, um mit diesem zusammen das Kombüsenschott zu verschalken.
„Teufel auch“, sagte er wütend. „Manchmal denke ich, es wäre doch besser gewesen, wenn sie unseren Profos auf Seribu in den Teich gekippt hätten, wie sie’s vorgehabt hatten!“
„Wie?“ Der Kutscher hob erstaunt den Blick. „Hättest du ihm das wirklich gewünscht – daß er mit Steinen beschwert jämmerlich ersoffen wäre?“
„Na“, meinte Matt mit einem schiefen Grinsen. „Das nun auch wieder nicht. Aber sie hätten ihn ja wenigstens mal kurz einstippen und dann wieder hochziehen können. Vielleicht hätte ihm das Salzwasser ein wenig seine große Klappe gestopft.“
„Das glaubst du wirklich?“
„Man wird doch wohl noch an was glauben dürfen“, sagte Matt Davies. „Stell dir mal vor, du dürftest ihm ein paar Gallonen Wasser aus dem Wanst pumpen. Wäre das nicht …“
Weiter gelangte er nicht, denn hinter seinem Rücken brüllte Carberry von neuem los: „Mister Davies, du Höhlenmolch, glaubst du, ich sitze auf meinen Ohren? Du sollst nicht dumm ’rumquatschen, du sollst arbeiten, daß die Schwarte kracht!“
„Jetzt wird einem schon das Maul verboten“, brummte Matt Davies.
„Leg dich bloß nicht mit ihm an, Matt“,