Seewölfe Paket 11. Roy Palmer

Seewölfe Paket 11 - Roy Palmer


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„Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe? Rede ich zu leise?“

      „Herrgott, nein“, stöhnte Matt.

      „Was, wie?“

      „Ich sagte: Aye, Sir!“ rief Matt, und dann kramte er rasch die Persenning und die Schalklatten her, mit denen der Kutscher und er das Kombüsenschott abzudichten hatten.

      Carberry blieb stehen. Durch Beinarbeit glich er die schwankenden Schiffsbewegungen aus. Er stemmte die Fäuste in die Körperseiten, schaute den Männern eine Weile zu und sagte dann: „Gut. So gefällt’s mir schon besser, ihr Stinte.“ Er gab noch einen grunzenden Laut der Zufriedenheit von sich, danach wandte er sich ab und marschierte von dannen, um auch den Rest der Crew zu kontrollieren.

      Bill, der Moses, hatte sich zu diesem Zeitpunkt vorsichtshalber schon mit einem Tau am Großmast festgebunden, um nicht von seinem luftigen Posten, dem Großmars, zu fallen. Er hielt prüfend Ausschau nach Südwesten, wo es wetterleuchtete und heftig blitzte und von wo aus jetzt unterschwellig grollender Gewitterdonner zu vernehmen war.

      Wie alle anderen wartete auch Bill darauf, daß der Seegang und der Wind zunahmen und es bald wie aus Eimern zu schütten begann. Doch in diesem Punkt wurden sie angenehm enttäuscht. Noch brach der Sturm nicht mit seiner vollen Macht los, ja, er schien zu zögern, irgendwie auf einem Wartepol angelangt zu sein, um Luft zu holen und dann so heftig wie nie loszubrüllen.

      Die erste Nachtwache, die bis Mitternacht dauerte, verlief voll innerer Anspannung und Ungewißheit über das, was noch folgen mochte. Energisch stemmte sich die „Isabella“ mit ihrem Vorschiff gegen die aufgerührte See, teilte die Wogen mit ihrem Bug und lief näher und näher auf die Straße von Mentawai zu.

      Würde es wirklich noch Verdruß geben, wie Old O’Flynn wieder mal prophezeit hatte – oder hatte der Alte dieses Mal die nahe Zukunft doch zu schwarz gemalt und sich getäuscht?

      2.

      Die Zeit verstrich quälend langsam, und Morgan Young spürte, wie ihm der Schweiß aus allen Poren des Körpers trat und Hoffnungslosigkeit von ihm Besitz ergriff.

      „Mein Gott, Romero“, flüsterte er. „Jesus, beeil dich, schlag kräftiger zu. Und wenn ich auch ein paar Kratzer dabei abkriege – es macht mir nichts aus.“

      „Sei still“, zischte der junge Spanier ihm zu. „Ich bin fast soweit. Santa Madre, sage jetzt nichts.“

      „Morgan“, flüsterte in diesem Moment Trench, einer von Youngs englischen Kameraden. „Die Zeit bis zur nächsten Wachablösung ist gleich um.“

      „Nein!“

      „Dann erscheint der Posten und überprüft unsere Ketten, dann …“

      „Halt den Mund!“ unterbrach Young ihn scharf. So laut, daß seine Stimme das Heulen und Tuscheln des Windes fast übertönte.

      „Madre de Dios“, flüsterte Romero. „Müßt ihr euch denn ausgerechnet jetzt herumzanken? Seid ihr des Teufels?“

      „Ja“, murmelte Young. „Wir sind alle des Teufels. Wir sind Narren, die das kriegen werden, was alle Narren verdient haben: einen Gnadenschuß ins Genick oder sonstwohin.“

      Romero hatte den einen Beinschäkel um Morgan Youngs Fußknöchel mit dem Scharfeisen aufgestemmt, so weit, daß der Engländer seinen Fuß jetzt herausziehen konnte. Jetzt arbeitete er an dem Schäkel des anderen, linken Beines, setzte das Auftreibwerkzeug an und schlug immer wieder mit dem kleinen Hammer zu, knapp, gezielt, mit verbissener Miene und aufeinandergepreßten Zähnen. Seine Hände und Arme schmerzten inzwischen heftig, er konnte es kaum noch aushalten.

      Dann, als Young kaum noch mit einem Erfolg seiner Anstrengungen rechnete, wisperte der Spanier: „Es geht, Morgan. Versuch es. Es kommt jetzt auf dich ganz allein an.“

      Morgan Young zog sofort die Beine an und zerrte sie aus den Beinschäkeln, die von Romero gerade weit genug aufgetrieben worden waren, daß er seine nackten Füße herausnehmen konnte. Von den Fußketten und dem schweren Eisengewicht befreit, vermochte Young nunmehr seinen ganzen Körper zum Pfahl hin zurückzuschieben und das Hinterteil durch die Öffnung seiner Arme zu pressen. Es war eine beinah akrobatische Verrenkung, die starke Schmerzen hervorrief, aber Young unterdrückte einen gequälten Laut, bezwang sich selbst, indem er sich innerlich wild als einen Schwächling und Dreckskerl beschimpfte, und arbeitete mit dem wütenden Eifer eines Besessenen weiter. Dabei kippte er um, weil die Pfahlkette ihn hemmte und ihm im Weg war.

      Es gelang ihm aber tatsächlich, die Arme bis unter seine Oberschenkel zu schieben. Jetzt zog er seine Waden an und drückte sie mit den Füßen zusammen so fest unter seine Schenkel, daß er die kurze Kette, die seine Hände zusammenhielt, ganz unter den angewinkelten Beinen hindurchbefördern konnte. Ein Ruck noch – er glaubte, seine eigenen Knochen im Leib knacken zu hören – und er hatte die Arme mitsamt seinen Händen vorn.

      Romero lag immer noch auf der Körperflanke, hatte ihn aber über die Schulter hinweg beobachtet. Er schob ihm jetzt den Schlegel und das Scharfeisen zu.

      Morgan Young setzte sich auf und angelte sich die beiden Hilfsmittel mit den Füßen. Er zog sie so dicht zu sich heran, daß er sie greifen konnte, dann trieb er in aller Eile ein Glied der Kette auf, die ihn an den Pfahl gefesselt hielt.

      Es war, wie er es sich ausgemalt hatte: Mit den Händen vor dem Körper konnte er problemlos arbeiten, obwohl die Handschellen und die kurze Kette ihn noch ein wenig behinderten.

      Die Kette am Pfahl sprang unter seinen energischen Hieben auf, er war frei.

      „Morgan“, raunte Romero. „Laß jetzt die Handschellen. Du kannst sie später öffnen. Hilf mir.“

      „Ja“, sagte der Engländer leise. Auf etwas unsicheren Beinen hastete er zu dem Kameraden hinüber, kniete sich neben ihn hin und erlöste ihn zuerst von dem Kugelgewicht und der Kette an den Beinen. Dann öffnete er auch die Pfahlkette. Dies alles ging viel schneller vonstatten als das, was der junge Spanier zuvor vollbracht hatte, denn Young befand sich ja in einer viel günstigeren Arbeitsposition.

      „Ich habe einen Glockenschlag gehört!“ zischte plötzlich einer der Männer. Es war Sullivan, auch einer von Youngs Freunden von der „Balcutha.“

      „Das ist die Wachablösung!“ flüsterte Jonny. „Morgan!“

      „Ja, ich höre dich, Jonny.“

      „Scheiß auf dein Ehrenwort – du kannst mich hinterher befreien!“

      „Hinterher?“ stammelte Young verdattert.

      „Ihr müßt erst diesen elenden Hundesohn von einem Don überwältigen!“ zischte Jonny ihm im Dunkeln zu. „Beeilt euch! Zum Tor! Er tritt gleich ein, und dann fallt ihr über ihn her!“

      „Wir könnten uns auch hinhocken und so tun, als wären wir noch gefesselt“, flüsterte Romero. „Wenn er zu uns tritt, springen wir auf und …“

      „Er schießt, bevor ihr auf den Beinen seid!“ schnitt Jonny ihm das Wort ab. „Glaub es mir, ihr müßt ihn am Tor packen! Schlagt ihn mit euren Handketten nieder! Das könnt ihr schaffen!“

      Morgan Young hatte seine Fassung wiedererlangt. Er richtete sich auf und lief geduckt los. Romero folgte ihm. Sie gelangten beim Tor an und hatten kaum zu beiden Seiten des einzigen großen, grob zusammengezimmerten Flügels Aufstellung genommen, da wurde von außen der Riegel zurückgeschoben.

      Sie hielten den Atem an.

      Das Tor schwang spaltbreit auf, eine Gestalt trat ins Innere der Palisade. Nur schemenhaft war sie in der Finsternis zu erkennen, aber doch gerade gut genug, um ein Angriffsziel zu bieten.

      Der Soldat zog das Tor hinter sich zu – dann stutzte er. Er hatte Morgan Young entdeckt, der sich von rechts her auf ihn zubewegte. Romero handelte jedoch geistesgegenwärtig. Er sprang den Spanier von hinten an und schlang ihm blitzschnell die Kette um den Hals, die auch seine Hände immer noch zusammengebunden


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