Seewölfe Paket 11. Roy Palmer

Seewölfe Paket 11 - Roy Palmer


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stieß einen schnaubenden Laut aus. „Das war eine gute Rede, Morgan. Hasard, dies ist Morgan Young, und er stammt aus Southampton, wofür er selbstverständlich nichts kann.“

      „Sind wir uns früher schon mal begegnet, Morgan Young?“ fragte der Seewolf.

      „Nein, Sir, aber ich weiß trotzdem, daß man Ihnen den Beinamen ‚Seewolf‘ verliehen und Sie zum Ritter geschlagen hat“, erklärte Young stolz. Er war ein großer Mann biederen Aussehens, mit dunkelblonden Haaren, wasserblauen Augen und einem dichten Vollbart, der ihm in der Gefangenschaft gewachsen war.

      Hasard musterte dieses Gesicht prüfend, aber er konnte sich nicht entsinnen, jemals zuvor mit diesem Mann zu tun gehabt zu haben. Er trat auf Youngs Koje zu, in die der Mann auf seine Anweisung hin gelegt worden war, blieb am Fußende stehen und hielt sich mit einer Hand am Pfosten der Umrandung fest.

      „Wer hat dir das erzählt, Morgan?“ wollte er wissen.

      „Ein Landsmann, Sir Philip.“

      „Du kannst ruhig Hasard zu mir sagen. Meine Männer pflegen mich so zu nennen.“

      „Danke, Sir Hasard. Ich …“

      „Den ‚Sir‘ kannst du auch weglassen, denn unser Kapitän legt keinen gesteigerten Wert darauf, mit seinem adligen Titel angeredet zu werden“, unterbrach ihn der Profos. „Aber nun mal fix raus mit der Sprache, Morgan, laß dir gefälligst die Würmer nicht einzeln aus der Nase ziehen: Wer zur Hölle ist dieser Engländer, der dir über den Seewolf erzählt hat?“

      „Ein Mitgefangener aus dem Arbeitslager der Spanier, aus dem ich letzte Nacht ausgebrochen bin. Er heißt Jonny. Aber davon abgesehen – ich habe auch in England schon von den Taten des Seewolfs und seiner Mannschaft vernommen, bevor ich auf der ‚Balcutha‘ anheuerte und …“

      Diesmal war es der Seewolf, der ihm das Wort durch eine Geste abschnitt. „Augenblick, Morgan. Hast du wirklich Jonny gesagt?“

      „Ja, Sir.“

      „Jonny?“ wiederholte nun auch der Kutscher verblüfft. „Ja, sollte das etwa unser Freund sein, den wir auf Neuseeland kennengelernt haben?“

      „Beschreibe mir bitte diesen Mann“, forderte Hasard den befreiten Sträfling auf.

      „Gern“, sagte Morgan Young. Er mußte unwillkürlich lachen. „Also, dieser Jonny ist alles andere als eine Schönheit, aber ein uriger Kerl, das kann ich euch versichern. Er ist nicht sehr groß geraten und viel zu dick für mein Dafürhalten, außerdem hat er so krumme Beine, daß man ein ausgewachsenes Schwein zwischen ihnen hindurchscheuchen könnte.

      Seine Nase sieht aus wie eine Kartoffel, seine Augen sind klein und rot, und im Mund hat er statt Zähne lauter häßliche Stummel. Wenn man ihn so sieht, hält man ihn für ein wandelndes menschliches Wrack. Aber ich glaube, er ist in Wirklichkeit ein Teufelskerl. Bei unserem Ausbruch sollte er dabeisein, aber wir haben es nicht mehr geschafft, ihn zu befreien, weil uns ein Posten überraschte, der alle anderen Spanier durch einen Musketenschuß alamierte.“

      „Das ist er“, sagte der Kutscher.

      „Hat er vielleicht auch einen Bart?“ erkundigte sich der Profos.

      „Nein“, entgegnete Young.

      „Den hat er sich inzwischen abrasiert“, meinte der Seewolf mit einem Seitenblick auf Carberry.

      Carberry begann sich am Kinn zu kratzen und dachte: Hölle und Teufel, das hätte dir aber auch selbst einfallen müssen!

      Hasard wandte sich wieder an Morgan Young. „Also, nach deiner Beschreibung müßte das Sumatra-Jonny sein, der sich auf der Insel auskennt wie kein zweiter Weißer.“

      „Richtig, Sumatra-Jonny, so nannten ihn seine Leute gelegentlich. Und ich wäre froh gewesen, wenn er mit uns geflohen wäre, mit Romero und mir, aber das wurde leider vereitelt.“

      „Morgan“, sagte Hasard. „Am besten beginnst du mit deiner Geschichte ganz von vorn. Wie bist du hierher, nach Ostindien, geraten und weshalb haben die Spanier dich gefangengenommen und in Ketten gelegt?“

      „Ich war Decksmann auf der ‚Balcutha‘“, erklärte Morgan Young. „Dieser Dreihundert-Tonner lief vor gut zehn Monaten aus Bristol aus und hatte ungefähr sechzig Abenteurer und Glückritter an Bord, die alle in dieser Gegend hier Fuß fassen wollten. Die einen glaubten, in Ostindien Gold zu finden, die anderen wollten ein Leben in Freiheit führen, wieder andere wollten irgendwo, auf einer der Gewürzinseln oder auf einem anderen einsamen Eiland, eine englische Kolonie errichten. Wir waren Engländer, Iren und Schotten, und es war keiner unter uns, der vorher schon mal weiter als bis nach Nordafrika gesegelt war.“

      „Ein Haufen Narren also“, sagte Carberry respektlos. „Was habt ihr euch bloß eingebildet? Daß hier das Paradies auf euch wartet?“

      „Der Kapitän der ‚Balcutha‘ stellte uns ähnliche Fragen und gab uns auch zu spüren, daß er uns für Dummköpfe hielt. Aber letztlich konnte es ihm ja egal sein, welche Art von Fracht er beförderte. Wir arbeiteten hart, und obendrein mußten wir für die Überfahrt auch noch bezahlen.“

      „Gar nicht auf den Kopf gefallen, dieser Kapitän“, meinte der Kutscher. „Eine Ladung, die ihm kein Risiko brachte. Wenn einer über Bord ging, hatte er selber schuld. Hauptsache, die Decksarbeit wurde verrichtet.“

      „So war es“, bestätigte der Mann aus Southampton. „Aber Pech hatte er trotzdem. Wir segelten südlich an Sumatra vorbei, weil es in der Malakkastraße von Piraten wimmeln sollte. Also gerieten wir in die Straße von Mentawai, aber hier kriegten wir einen Sturm auf die Mütze, der es in sich hatte. Ich will mich kurz fassen: Unser Schiff sank mit mehreren Lecks im Rumpf, und fast die ganze Besatzung ertrank, einschließlich des Kapitäns und seiner Offiziere. Nur wir fünf konnten uns an Land retten: Trench, Josh Bonart, Sullivan, Christians und ich. Aber es war unser Pech, daß wir ausgerechnet an der Hafenbucht von Airdikit landeten. Kaum hatten wir das Wasser ausgespuckt, das wir geschluckt hatten, und richtig Luft geholt, da waren wir von spanischen Soldaten umstellt. Sie brachten uns in das Lager, und dort wurden wir erst mal in Ketten gelegt. Am Tag darauf wußten wir, welches Schicksal uns zugedacht war: Wir mußten auf dem Bauplatz schuften, auf dem die neue Festung errichtet wird.“

      „Wann sank euer Schiff?“ fragte Hasard.

      „Vor etwa zwei Monaten.“

      „Und ein paar Schiffbrüchige waren den Dons gerade recht, denn sie brauchen Arbeitssklaven für ihren Festungsbau“, sagte Carberry. „Wieso sind sie überhaupt auf die hirnverbrannte Idee verfallen, mitten im Dschungel ein Kastell zu errichten? Hast du das erfahren, Morgan?“

      „Ja. Die Festung wird den Hafen bewachen, in dem eines Tages die Kriegsgaleonen und Kriegskaravellen liegen sollen, die die gesamte Straße von Mentawai kontrollieren. Spanien will es nicht zulassen, daß hier andere Länder Kolonien errichten.“

      „Aha“, sagte der Profos.

      „Die Sträflinge sind Engländer, Holländer und Franzosen, aber auch spanische und portugiesische Meuterer, die hier ihre Strafe abbüßen“, fuhr Young fort. „Es sind insgesamt etwa siebzig Mann, aber vor zwei Monaten waren es noch mehr. Nicht, daß einige etwa fliehen konnten, nein, Airdikit galt bisher als ausbruchssicher. Aber ich habe einige Männer unter der mörderischen Hitze und der erbärmlichen Schufterei sterben sehen, und das war kein schöner Anblick, das kann ich euch schwören.“

      „Ganz bestimmt nicht“, sagte der Seewolf. „Wir waren selbst schon Gefangene der Spanier und haben Ähnliches erlebt, können dir also nachfühlen, was du durchgestanden hast. Die Bedingungen sind unmenschlich, und sehr lange hält keiner durch.“

      „Romero hat es anderthalb Jahre über sich ergehen lassen, der arme Teufel“, sagte Young mit erbitterter Miene. „Jetzt ist er tot.“ Er berichtete, was sich in der vergangenen Nacht zugetragen hatte und ließ keine Einzelheit aus.

      Ben Brighton, Big Old Shane, Ferris Tucker und Old O’Flynn gesellten sich während seiner Schilderung zu ihm


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