Seewölfe Paket 9. Roy Palmer

Seewölfe Paket 9 - Roy Palmer


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haben schon verstanden, was du gesagt hast, Mister Carberry“, erklärte Dan O’Flynn. „Aber du irrst dich. Wir haben unsere Pflicht erfüllt und herausgekriegt, daß der saubere Sir Richard Bingham Spanier gefangen hat.“

      „Nun laßt mich mal raten“, sagte Hasard, während Carberry verdrießlich schnaufte. „Bestimmt handelt es sich um Schiffbrüchige.“

      Bill nickte eifrig. „Sieben Mann. Es sind bis auf die Knochen abgemagerte Jammergestalten, bei deren Anblick einem ganz elend zumute wird. Wir haben nur gesehen, wie berittene Gardisten die Spanier in den Hof der Kommandantur getrieben haben, mehr nicht.“

      „Aber als barmherziger Samariter wird Bingham sich bestimmt nicht aufführen“, fügte Dan O’Flynn hinzu.

      „Der Himmelhund“, sagte sein Vater. „Er wird aus ihnen ’rausprügeln, wo ihr Schiff liegt. Dann erscheint er bei uns und verlangt, auszulaufen und den Kahn zu entern.“

      Der Seewolf war aufgestanden. „Solange warten wir aber nicht. Dan und Bill, ihr habt gute Arbeit geleistet. Männer, rafft euch trotz eurer vollen Bäuche auf und bereitet euch auf einen Besuch bei Bingham vor. Ich lasse es nicht zu, daß dieser Bastard hilflose, halbverhungerte Spanier foltert. Wir gehen jetzt zu Jean Ribault hinüber und unterrichten ihn über das, was Dan und Bill gesehen haben. Danach marschieren wir mit einem starken Trupp geradewegs zur Stadtkommandantur.“

      7.

      Dort hatte sich inzwischen einiges ereignet. Vega de la Torre und seine sechs Kameraden waren in die finsteren Kerkerzellen im Kellergewölbe des Gebäudes gesperrt worden, je zwei Mann in eine vergitterte Zelle, de la Torre in Einzelhaft. Gardisten hielten vor den Türen Wache. Dann erschienen eiligen Ganges Sir Richard Bingham, der hagere Harris und ein Koloß von Kerl mit einem etwas kleineren Gehilfen – der Foltermeister und sein Knecht. Doc Wheeler war auf Binghams Anordnung nach Hause zurückgekehrt, ein betroffener, unruhiger Mann, der von schwersten Gewissensbissen geplagt wurde.

      Bingham richtete über Harris noch einen Apell an die sieben Gefangenen: „Redet! Ihr befindet euch in der Gewalt des englischen Gouverneurs von Westport und habt die Pflicht, mir alles zu verraten. Wo ist euer Schiff? Wer ist euer Kapitän? Was habt ihr geladen? Was wolltet ihr am Ufer der Clew Bay auskundschaften?“

      De la Torre trat an die Tür seiner Zelle und schloß die Finger um die dicken, rostigen Eisenstäbe. „Unser Schiff ist gesunken. Wir sind die einzigen Überlebenden“, erwiderte er. „Was sollen wir sonst noch berichten? Ich weiß es nicht. Tun Sie, was Sie nicht lassen können, Gouverneur.“

      Harris übersetzte seine Worte, und Bingham ließ eine Reihe lästerlicher Verwünschungen vom Stapel.

      „Du Hund lügst!“ schrie er den spanischen Offizier an. „Aber das wirst du noch bereuen! Hinkle, nimm dir diesen frechen Hurensohn als ersten vor!“

      Hinkle, der Foltermeister, trat mit seinem Gesellen auf de la Torres Zelle zu. Ein Gardist öffnete mit umständlichen Gesten die Verriegelung.

      „Etwas schneller, wenn ich bitten darf“, fuhr Bingham den Mann an. „Harris, sag den spanischen Hunden, daß sie zum letztenmal Gelegenheit haben, es sich zu überlegen. Danach kenne ich keine Gnade mehr.“

      Harris tat seine Pflicht, aber die Spanier schwiegen.

      Hinkle und sein Gehilfe wollten sich Vega de la Torre greifen, der mit unbewegtem Gesicht in der jetzt offenen Zellentür stand, da geschah etwas Unerwartetes.

      Juan Flores klammerte sich an den Gitterstäben seines Verlieses fest und rief: „Nein, nicht, aufhören! Ich rede! Ich sage alles, was ich weiß!“

      Harris übersetzte auch dies. Bingham stoppte seine Schergen durch eine herrische Gebärde, blickte zu Juan, überlegte kurz und befahl dann: „Den Kerl ’rauslassen. Wenn er schwindelt – was ich garantiert sehr schnell herausfinde –, lasse ich ihn standrechtlich erschießen.“

      Francisco Sampedro, der in derselben Zelle untergebracht war wie Juan Flores, versuchte den Moses zurückzuhalten. „Bist du wahnsinnig geworden?“ zischte er.

      „Ruhe!“ brüllte Bingham. „Schlagt diesen Hund zusammen, wenn er noch ein Wort sagt!“

      Harris übersetzte auch dies, er war ein pedantischer, diensteifriger Untertan. Sampedro fuhr zurück, als zwei Stadtgardisten in drohender Haltung auf ihn zurückten. Er und die anderen mußten tatenlos zusehen, wie Juan Flores aus seiner kurzen Haft geholt und zu Bingham geführt wurde. Der hatte die Arme vor der fetten Brust verschränkt und sah den jungen Mann erwartungsvoll an.

      Nein, Juan hatte nicht einmal mit Sampedro besprochen, was er plante. Er wußte, daß der Koch der „Gran Grin“ ihn daran gehindert hätte.

      Aber Juan hatte sich in den Kopf gesetzt, seine Kameraden vor dem peinlichen Verhör zu bewahren – und nicht nur das. Er hatte auch eine List ersonnen, mit der er Bingham und dessen Schergen gründlich hereinlegen konnte. Er, Juan, würde wahrscheinlich dabei vor die Hunde gehen, aber das war ihm völlig egal, denn er dachte an seinen Schwur.

      Juan sah den dicken Stadtgouverneur aus geröteten, brennenden Augen an. „Senor“, sagte er leise. „Wenn Sie mir und meinen Kameraden zu essen und zu trinken geben und uns verschonen, dann verrate ich wirklich alles – nicht nur, wo unser Schiff liegt, sondern noch viel mehr.“

      Bingham lauschte Harris’ Übersetzung, dann erwiderte er: „Ich lasse mich von diesem ausgemergelten Kastanienfresser doch nicht erpressen. Er muß so oder so ausspucken, was er weiß. Sag ihm das, Harris.“

      „Sir“, mischte sich Hinkle ein. „Ich an Ihrer Stelle würde ihm genehmigen, was er verlangt. Was kostet es Sie denn schon? Wir sparen eine Menge Arbeit und Zeit – wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.“

      Bingham wollte Hinkle zunächst barsch zurechtweisen, dann aber gab er dem Foltermeister recht und ließ Juan Flores zurück ins Erdgeschoß führen, wo er ihm in einem karg ausgestatteten Raum Brot, Wurst, Käse und Wasser auftischen ließ.

      Das gleiche ließ er auch de la Torre, Sampedro und den übrigen vier Gefangenen bringen. Die Spanier waren versucht, das Essen gegen die Kerkerwände zu schleudern und das Wasser zu verschütten, aber dann siegten doch Hunger und Durst, der Selbsterhaltungstrieb und die Gewißheit, daß sie gestärkt viel besser einen Ausbruchversuch unternehmen konnten, über die Wut, die sie wegen Juan Flores’ „Verrat“ empfanden.

      In dem kahlen Raum des Erdgeschosses schlang Juan alles in sich hinein, was ein Bediensteter des Gouverneurs herzlos vor ihn hingeknallt hatte. Bingham saß auf einem Stuhl und verfolgte voll Abscheu, wie der junge Mann aß und trank.

      „Ein Tier, dachte Harris, der ergeben neben ihm stand, das wärst auch du Fettsack, wenn du gehungert und gedurstet hättest wie der Junge dort.

      Harris hütete sich aber, es offen auszusprechen. Er hing am Leben und wollte nicht, daß er es wegen einer unüberlegten Äußerung jäh verlor.

      Juan Flores war am Ende seiner Mahlzeit angelangt. Seine Geschichte hatte er sich zurechtgelegt, und er blickte in gespielter Dankbarkeit zu Bingham hinüber, der ihm aufmunternd zunickte.

      „So, und nun leg mal schön los“, forderte Bingham ihn auf. „Deine Freunde sind auch versorgt worden. Der Foltermeister und sein Knecht haben keine Hand an sie gelegt. Ich habe also mein Wort gehalten. Pack aus, Junge.“

      Und Juan Flores legte los. Harris brauchte ihn nicht zweimal aufzufordern. Juan schluckte den letzten Bissen Brot gierig herunter und begann dann regelrecht zu schwadronieren.

      „‚Gran Grin‘, so heißt unser Schiff, und es ist nicht gesunken, sondern liegt vor dem Ufer einer Insel, die dieser Bucht vorgelagert ist. Die ‚Gran Grin‘ ist das Vize-Flaggschiff des Biskaya-Geschwaders, Senor, jawohl, sie müßten mal sehen, was für ein schmuckes großes Schiff: 1160 Tonnen schwer. Sehr zugesetzt haben uns die Engländer bei Calais, dann sind wir auf unserer Reise rund um England und Irland in diesen Sturm geraten, der uns den Rest gegeben hat – und jetzt auch noch der Überfall


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