Seewölfe Paket 9. Roy Palmer

Seewölfe Paket 9 - Roy Palmer


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Bingham Sie überfallen kann.“

      De Mendoza erkannte die Ehrlichkeit in Hasards Worten. Er ergriff die dargebotene Hand und drückte sie.

      Seine Besatzung und er wurden von der „Isabella“ übernommen, während Jean Ribault und Karl von Hutten mit der „Vengeur“ weiter nach Süden sicherten.

      De Mendoza ließ auch die Kriegskasse des Biskaya-Geschwaders bergen und auf die Galeone des Engländers bringen. Und wieder hatte er einen Grund, sich zu wundern, denn keiner der Seewölfe rührte die Truhe an.

      Wenig später segelten beide Schiffe westwärts. Die Spanier erhielten ihre erste. Mahlzeit, und der Kutscher, von einigen Männern der Crew unterstützt, kümmerte sich auch um ihren gesundheitlichen Zustand. Er behandelte die Spanier nicht nur mit Lebertran – es bedrufte weitaus mehr, um sie vor den Folgen ihrer großen Entbehrungen zu schützen.

      Die „Isabella“ und die Karacke verholten hinter Clare Island – auf Warteposition. Hier bot Kapitän de Menzoda dem Seewolf an: „Senor, übernehmen Sie die Kriegskasse. Ich überlasse sie Ihnen gern – als Entgelt für das, was Sie für uns getan haben.“

      Hasard lächelte. „Danke für das Angebot, aber ich muß es ablehnen. Wenn ich jemandem helfe, dann tue ich es nicht, weil ich mir davon Gewinn verspreche.“

      „Ich wollte Sie nicht beleidigen …“

      „Das tun Sie auch nicht“, sagte der Seewolf. „Aber ich lege großen Wert darauf, daß Sie die Kriegskasse mit nach Hause nehmen. Es ist Ihr Verdienst, Capitán, daß dieser Schatz erhalten geblieben ist, und Ihnen steht dafür eine Auszeichnung zu.“

      „Darauf verzichte ich gern“, erwiderte der Spanier ernst. „Ich hätte tausendmal vorgezogen, meine Mannschaft beisammenhalten zu können.“

      „Sie haben keinen Grund, sich deswegen etwas vorzuwerfen.“

      „Nein. Aber ich werde dies alles nie vergessen“, sagte de Mendoza. „Sollte Spanien jemals wieder versuchen, England anzugreifen, so werde ich zum Deserteur, Senor Killigrew.“

      Der Angriff der Binghamschen „Flotte“, der rund eine Stunde später auf das Wrack der „Gran Grin“ erfolgte, stellte sich als völlige Pleite heraus. Kein Schuß fiel – auf wen sollten die fünfzig Soldaten des ehrenwerten Sir Richard denn wohl auch feuern?

      „Die Ratten haben das Schiff verlassen“, sagte der Hauptmann.

      „Behalten Sie Ihre weisen Sprüche für sich!“ schrie Bingham ihn an. „Los, entern! Wir wollen doch mal sehen, wo sich die Hunde verkrochen haben!“

      Er enterte selbstverständlich als letzter, was ihm bei seinem Leibesumfang erhebliche Mühe bereitete. Dann hatte er selbst Gelegenheit, sich davon zu überzeugen, daß sich auf dem Wrack keine Menschenseele mehr befand.

      Nichts, kein Prinz Ascoli, kein Herzog von Medina Sidonia, keine Kriegskasse des Biskaya-Geschwaders. Aus war der Traum von den unvorstellbaren Pfründen, den Erpressungsgeldern, dem Reichtum, in dem Bingham zu schwelgen gedachte.

      „Ungeheuerlich“, ächzte Bingham, nachdem er sich gründlich ausgetobt und geflucht hatte. „Ich kann mir das nicht erklären.“

      „Ob Killigrew und Ribault dahinterstecken?“ sagte der Hauptmann der Garde. „Sie sind doch an uns vorbeigesegelt.“

      „Aber dann haben sie westlichen Kurs genommen“, fuhr Bingham ihn an. „Außerdem hätten die Kerle es nie so schnell geschafft, diesen Kahn zu plündern und dann heimlich zu verschwinden. Ach, rutschen Sie mir doch den Buckel ’runter, Sie Idiot!“

      Bingham blieb gar nichts anderes übrig: Er mußte unverrichteter Dinge und mit leeren Händen nach Westport zurückkehren. Hier wartete eine neue bittere Überraschung auf ihn. Die sieben spanischen Gefangenen waren verschwunden – spurlos.

      „Mein Gott, ich breche zusammen“, stöhnte Sir Richard Bingham, als ihm die Nachricht von den Soldaten überbracht wurde. Er hatte keineswegs übertrieben – plötzlich mangelte es ihm wirklich an Luft, und er sackte auf der Pier zusammen. Vier Gardisten mußten den japsenden und jammernden Mann in die Kommandantur tragen.

      Doc Wheeler, der sich kurz darauf einfand und dem Dicken eine Flasche Riechsalz unter die Nase hielt, konnte sich, als er von Bingham, dem Hauptmann, dem Lieutenant und den Soldaten gerade nicht beobachtet wurde, ein schadenfrohes Lächeln nicht verkneifen.

      Bingham hatte noch nicht alles hinter sich – eine weitere hübsche „Überraschung“ stand ihm noch bevor.

      In der Nacht drangen die „Isabella“ und die „Le Vengeur“ wieder nach Westport vor. Der Seewolf wischte dem dicken Bingham noch einmal gründlich eins aus, zum Abschied sozusagen, wie er es seinem Profos versprochen hatte.

      Ein Stoßtrupp von insgesamt zehn Mann unter der Führung von Ben Brighton und Karl von Hutten drang bis an Land vor. Die Männer setzten Spaken und Belegnägel ein, überwältigten so die Wachtposten am Kai und auf den Piers – und „vereinnahmten“ die beiden Schaluppen des Gouverneurs.

      Heimlich stahlen sich die Schiffe wieder aus dem Hafen, mit den Schaluppen im Schlepp.

      „Schade“, sagte Carberry. „Schade, daß ich Binghams Schrei nicht hören kann, wenn er erfährt, daß wir ihm auch noch die Schaluppen geklaut haben.“

      Hasard und Jean geleiteten die Spanier auf ihren Schiffen südwärts bis Fastnet Rock. In der Zwischenzeit faßten de Mendoza und seine letzten Männer wieder den nötigen Mut, den sie für die Heimreise nach Spanien brauchten. Die Schaluppen wurden bei Fastnet Rock mit allem ausgestattet, was sie brauchten – mit Proviant, Trinkwasser, Musketen und Munition, ja, sogar mit einigen Flaschen Wein und echtem irischen Whiskey.

      „Ja“, sagte de Mendoza, als Hasard noch einmal mit einem Beibott der „Isabella“ zu der Schaluppe gepullt war, in der der Kapitän saß. „Wir werden die Heimat erreichen. Unsere Dankbarkeit kennt keine Grenzen, Senor Killigrew. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“

      „Wenn Sie es nicht wissen, dann schweigen Sie“, entgegnete Hasard lächelnd. „Kommen Sie, lassen Sie mich zu Ihnen an Bord, ich habe Ihnen Kartenmaterial mitgebracht und Kursanweisungen aufgezeichnet, die für Sie von größter Wichtigkeit sind.“ Er enterte in die Schaluppe auf und übergab de Mendoza das Material.

      Sie verabschiedeten sich als Freunde voneinander.

      Dann enterte der Seewolf wieder in seine Jolle ab und ließ sich zurück zur „Isabella“ pullen.

      Carberry, der mitgekommen war und als Bootssteurer fungierte, grinste über sein wüstes Narbengesicht. Hasard begegnete seinem Blick und sagte: „Wenn jemand einen guten Witz erzählt hat, dann laß mich hören, Ed. Du grinst ja wie ein Honigkuchenpferd.“

      Carberry ließ die Pinne los, griff unter die Ducht und wuchtete etwas darunter hervor – eine Truhe, die Hasard verdammt bekannt erschien. Der Profos grinste jetzt wie zwei Honigkuchenpferde.

      „Die beste Beute, die wir je gemacht haben“, sagte er. „Weil sie nämlich ein Geschenk ist. O ja, das stimmt, Sir, wir haben die Kriegskasse nicht geklaut. Der nette Kapitän de Mendoza hat sie zu uns in die Jolle heruntergeben lassen, als du ihm deine Karten und Aufzeichnungen an Bord der Schaluppe überreicht hast. Nein, nein, wir brauchen gar nicht erst zu versuchen, den Spanieren die Truhe zurückzugeben – sieh doch mal.“

      Hasard blickte nach Süden. Carberry wies auf die Schaluppen, die jetzt die Segel gesetzt hatten und sich rasch entfernten. Sicher, man hätte sie einholen können, aber vielleicht hätte de Mendoza es als Beleidigung aufgefaßt, wenn Hasard ihm die Kriegskasse nachgeschleppt hätte. Spanier waren sehr eigen, wenn sie jemandem etwas schenkten.

      Als Hasard seine Überraschung verdaut hatte, sagte er: „Also, an dem Sprichwort ist doch was Wahres dran, Ed.“

      „An welchem, wenn man fragen darf?“

      „Daß die dümmsten Bauern die dicksten Kartoffeln haben …“

      Die Männer


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