Seewölfe Paket 9. Roy Palmer
Iren als auch die Spanier. Die Iren hatten wenig zu lachen unter Fitzwilliam, und ein spanischer Soldat auf irischem Boden, selbst ein Gefangener, war in Fitzwilliams’ Augen ein zu großes Risiko, in jeder Hinsicht. Daher war jeder „Don“ auf jeden Fall aus dem Weg zu räumen.
Wenn Bingham nun wirklich Fitzwilliams treu ergebener Diener war, so mußte er es auch strikt mit dessen Grundsätzen halten und als ihr „Vollzieher“ auftreten.
Hasard taxierte den dicken Bingham noch einmal mit seinem Blick. Ja, das schien er wirklich zu sein: ein korrupter Beamter der königlichenglischen Besatzer, der aus den Iren herauspreßte, was es herauszupressen gab – und der dabei selbstverständlich in die eigene Tasche wirtschaftete. So was gab’s nicht nur in Spanien und Portugal und in den Kolonien West- und Ostindiens, so was existierte traurigerweise eben auch daheim, im biederen England.
Natürlich konnte man Bingham auch knapper und treffender als fetten Widerling bezeichnen. Ausgerechnet ein solcher Typ mußte ihnen hier, in Westport, wo sie zufällig und aus purer Notwendigkeit eingelaufen waren, begegnen!
Sir Richard Bingham hatte seinen vor Eigenlob triefenden Vortrag beendet und sah die Freunde nun erwartungsvoll an. Jean Ribault räusperte sich verhalten. Er überließ es Hasard, die Unterredung weiterzuführen.
„Wir brauchen Proviant und Trinkwasser“, erklärte der Seewolf ohne Umschweife. „Sie werden sicherlich einiges von Ihren Vorräten erübrigen können, Sir, und wir werden es auf unsere Schiffe mannen lassen, sobald der Sturm etwas nachläßt.“
Bingham legte den Kopf etwas schief. „Noch heute nacht?“
„Vielleicht auch erst morgen früh“, erwiderte Hasard.
„Wenn der Sturm nachläßt“, fügte Jean noch einmal lächelnd hinzu, für den Fall, daß Bingham besonders schwer von Begriff war.
Bingham befeuchtete die Lippen mit der Zungenspitze und las noch einmal in dem von Elisabeth I. ausgefertigten Kaperbrief. Dann rollte er ihn zusammen und reichte ihn Hasard zurück. Hasard versenkte das kostbare Stück Büttenpapier wieder in der Innentasche seiner Jacke.
„Mein lieber Sir Hasard“, begann Bingham.
„Oh, den ‚Sir‘ können Sie ruhig weglassen“, sagte der Seewolf. „Nennen Sie mich auch weiterhin Mister Killigrew.“
„Aber Sie sind doch von Ihrer Majestät zum Ritter geschlagen worden, oder?“
„Geht das aus dem Kaperbrief hervor?“
„Das nicht, aber – aber auch Drake erhielt einen solchen Kaperbrief und wurde gleichzeitig durch den Ritterschlag geadelt“, entgegnete Bingham, der unter dem forschenden Blick des Seewolfs irgendwie unruhig wurde. „Daraus schloß ich nun, daß …“
„… daß auch unserem Seewolf diese Ehre zuteil geworden ist“, vollendete Jean Ribault, immer noch freundlich lächelnd, den Satz. „Und das hat auch seine Richtigkeit. Nur wollte Mister Killigrew durch seine Worte zum Ausdruck bringen, daß man sich unter Freunden auch mit einer gewissen Vertraulichkeit begegnen kann.“
Binghams Blick huschte zu Jean hinüber. Sofort ging er auf dessen Äußerung ein. „Ja, natürlich. Ich kann das nur begrüßen. Wir verstehen uns, Gentlemen, und das macht manches sehr viel einfacher, nicht wahr?“
„Ja“, sagte Hasard gedehnt. „Wir sind sozusagen unter uns.“ Er wollte jetzt wirklich wissen, auf was dieser schmierige Stadtgouverneur hinauswollte. „Reden Sie nur frei von der Leber weg, mein Freund.“
Der ehrenwerte Bingham begann sich wieder die Hände zu reiben. Ein Grinsen stahl sich in seine Züge. „Also, warum soll ich um den heißen Brei herumreden? Ich will Ihnen ein Geschäft vorschlagen, und ich schätze, Sie werden gern darauf eingehen. Eine Hand wäscht die andere, wie man sagt, und wir werden alle drei unseren Gewinn daraus schlagen.“
„So“, meinte Hasard. „Hat das ‚Geschäft‘ etwa mit den spanischen Schiffen zu tun, die Sie hier vorbeiziehen sehen?“
Bingham blickte höchst verwundert drein. „Ja. Wie haben Sie das so schnell ’rausgekriegt?“
2.
„Viel Scharfsinn gehört nicht dazu“, erwiderte Hasard. „Aber es wäre sehr nett von Ihnen, wenn Sie uns mitteilen würden, welchen Reim Sie sich auf das Auftauchen dieser Schiffe gebildet haben. Sie haben doch eben erwähnt, daß Sie von den Gefechten im Kanal schon vernommen haben.“
„Ja, ja. Also, das muß schon ein tolles Stück gewesen sein. Die Spanier hatten sich in den Kopf gesetzt, mit ihrer stolzen Armada eine Invasion auf der englischen Insel zu veranstalten. Habe ich recht?“
„Stimmt“, erwiderte Hasard.
Hai, dachte er dabei, Marodeur, elender Galgenstrick, ich weiß genau, was du vorhast, aber ich werde es dir nicht auf den Kopf zusagen, ich will es von dir hören.
Strauchritter, dachte Jean Ribault, während er dem Dicken lächelnd in die Augen schaute, Schnapphahn, Küstenwolf, erbärmlicher Leichenfledderer, der Blitz soll dich treffen, daß du zerspringst.
„Aber Lordadmiral Sir Howard von Effingham, der Oberbefehlshaber der englischen Flotte, hat diesen dreisten Angriff zurückgeschlagen, ja?“ fuhr Bingham fort. „Die Armada ist zerschlagen, ihre Reste irren um die Insel herum, nicht wahr? Wie ist denn die Schlacht im einzelnen verlaufen? War das nicht ein Freudentanz für die englische Nation?“
„Wir haben das nicht so genau verfolgen können“, teilte Hasard ihm eher mürrisch mit. „Wir waren Statisten und haben kaum eingegriffen, während Lord Howard, Sir John Hawkins, Sir Martin Frobisher und Sir Francis Drake die Hauptaktionen leiteten.“ Das entsprach nun ganz und gar nicht der Wahrheit, aber Hasard hatte keine Lust, sich mit seinen Taten zu rühmen und dem Fettwanst die Einzelheiten der Schlacht gegen die Armada auf die Nase zu binden.
„Ach so“, meinte Bingham. „Und warum segeln auch Sie jetzt um die Insel herum, bis an Irlands Küsten?“
Jean Ribault beugte sich ein wenig vor. „Na, nun raten Sie doch mal, werter Richard.“
Bingham hob seine rechte Hand und stieß seinen wurstigen Zeigefinger in die Luft. „Ich hab’s! Sie sind hinter den letzten spanischen Hunden her, um ihnen den Rest zu geben.“
„Gewissermaßen“, bestätigte Jean so freundlich wie möglich.
Hasard griff jetzt nicht ein – bewußt nicht. Er wollte Bingham die Mission verschweigen, die er sich selbst gestellt hatte. Diese Mission lautete, den schiffbrüchigen Spaniern nach Möglichkeit zu helfen. Es war ein Gebot der Ritterlichkeit und der Fairneß, denn einen Gegner, der schon am Boden lag, trat man nicht auch noch mit den Füßen.
So dachte Hasard. So dachte aber bei weitem nicht jeder englische Seemann und Kapitän, wie sich erwiesen hatte.
Bingham nun zählte zu der übelsten Kategorie von Schnapphähnen und Profitgeiern. Hasard hätte ihm am liebsten eine geharnischte Antwort entgegengeschleudert, aber er brauchte den Proviant und das Trinkwasser wirklich, denn bei den Orkneys hatten sie mit ihren eigenen Schiffsvorräten verzweifelten Spaniern aus der Klemme geholfen.
Der Seewolf hatte beschlossen, zum Schein auf Binghams schmutziges „Geschäft“ einzugehen. Genauso sah es auch Jean Ribault. Hasard kannte ihn lange genug, sie brauchten sich in vielen Dingen nicht erst lange abzustimmen, um denselben Weg zu beschreiten oder dieselbe Taktik zu wählen.
Bingham ließ sich auf seinen Sitzplatz zurücksinken und bot auch Hasard und Jean durch eine großzügige Geste endlich an, sich hinzusetzen.
Er strahlte plötzlich über sein pausbäckiges Gesicht, breitete die kurzen Arme aus und sagte: „Das trifft sich ja ausgezeichnet, meine lieben Freunde. Sie tun mir einen kleinen Gefallen, der auf einer Linie mit ihrem eigentlichen Vorhaben liegt, und ich stelle Ihnen dafür reichlich Proviant und Trinkwasser zur Verfügung.“ Er legte eine kleine Pause ein, ließ die Arme sinken, faltete die Hände über dem