Seewölfe Paket 9. Roy Palmer

Seewölfe Paket 9 - Roy Palmer


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sonst müßten deutliche Spuren zu finden sein.“

      „Da hast du recht, Ferris. Aber jetzt hat es mich gepackt, das Rätsel müssen wir lösen, unbedingt.“

      „Du sagst es. Etwas geht hier nicht mit rechten Dingen zu.“

      Wieder war ein Knacken irgendwo im Schiff zu hören, aber es ließ sich nicht feststellen, woher das Geräusch kam. Es hörte sich so an, als wäre jemand gesprungen.

      Beide sahen sich an, aber sie sagten nichts. Statt dessen gingen sie unter der nötigen Vorsicht zur nächsten Kammer, die offenbar dem ersten Offizier gehört hatte.

      Hier war es feucht, modrig und die Luft abgestanden. Die spartanische Einrichtung war nicht zertrümmert. Der Raum wirkte, als hätte hier seit Menschengedenken niemand mehr gehaust.

      Auch die folgende Kammer war leer und die übernächste. Dann gab es noch eine Vorratskammer, einen großen hohen Raum. Von hier bezogen die ehemals zur Schiffsführung gehörenden Besatzungsmitglieder anscheinend ihre Extra-Portionen, oder sie wurden von hier aus verteilt, weil die Mannschaft klaute.

      Alles war von Schimmel überzogen, aber die Spuren in den Mehlsäkken, Bohnen und Schrot bewiesen, daß entweder auch die Ratten am Werk gewesen waren oder sich irgend jemand hier Nahrung beschafft hatte.

      Jetzt blieben nur noch die Laderäume und die Pulverkammer übrig. Mehr Räume hatte der Segler nicht aufzuweisen.

      Ihre Stiefel hallten über die Planken, als sie zu Carberry zurückkehrten und ihm berichteten.

      Der Profos verzog das Gesicht.

      „Donegal hatte gar nicht mal so unrecht mit seinem Geisterschiff. Er hat schon …“

      „Uuuu-aahhhh!“ erklang ein Schrei aus dem Schiffsinnern und unterbrach Carberrys Worte.

      Die drei Männer standen wie erstarrt an Deck. Tuckers Lippen hatten sich zu einem freudlosen Grinsen verzogen, und das wirkte jetzt wie festgefroren. Er war nicht in der Lage, seine Gesichtsmuskeln zu bewegen.

      Carberry stand in der lauernden Haltung eines Verfolgten an Deck und schien in dieser Pose wie erstarrt. Die Pistole hing kraftlos in seiner mächtigen rechten Pranke.

      Hasard selbst war bei diesem tierischen Schrei ebenfalls unwillkürlich zusammengezuckt, doch er fing sich gleich wieder.

      Beim Satan, es gab keine Geister, höchstens zweibeinige, die sich dafür ausgaben, um die Leute zu erschrekken. Diesem Geist würde er das Fell windelweich klopfen, und dann wollte er doch mal sehen, was aus dem Geist dann wurde.

      „Das kam aus der Nähe der Segellast“, sagte er.

      „Oder aus dem Laderaum unter der Kuhl.“

      Auch der Profos war jetzt überzeugt, daß da kein Geist geschrien hatte, sondern ein Mensch, der sich vielleicht in seiner Angst vor den Unbekannten versteckt hielt.

      Carberry und Tucker hebelten mit der Axt die Luken des Frachtraumes auf und legten sie beiseite.

      Licht fiel nach unten und auf einen verwahrlosten bärtigen Mann, der wie ein verängstigtes Tier in einem Winkel kauerte und angstvoll mit weitaufgerissenen Augen nach oben starrte.

      Sein Lager bestand aus alten Lumpen, zerfetzten Segeln und aufgefaserten Tauen. Er rührte sich nicht, sondern starrte nur weiter zu den Seewölfen herauf.

      „Ob sie den zurückgelassen haben?“ fragte Tucker leise.

      Niemand wußte eine Antwort darauf. Jedenfalls mußte sich der verwildert aussehende Mann schon seit einer kleinen Ewigkeit hier völlig allein an Bord befinden.

      Hasard fragte ihn auf Spanisch mit leiser Stimme, ob er nicht heraufkommen wolle.

      Er kriegte keine Antwort. Statt dessen erhob sich der mit einer schmutzigen Hose bekleidete Mann mit einem Schrei und rannte durch den Laderaum. Gleich darauf war er verschwunden.

      Alle drei blickten verblüfft in alle Ecken, aber der Fremde schien sich in Luft aufgelöst zu haben.

      Das Rätsel war jedoch schnell gelöst, als Hasard in den Raum hinunterstieg und sich die Lampe nachreichen ließ. Der Mann hatte ein paar Schottbretter entfernt, die vom Laderaum in die Segellast führten und versteckte sich dort. Er lag mit verzerrtem Gesicht auf den Planken, als Hasard in die muffige Kammer leuchtete.

      „Keine Angst“, sagte er auf Spanisch in beruhigendem Tonfall. „Wir wollen dir nur helfen, niemand tut dir etwas.“

      Er redete weiter beruhigend auf ihn ein und wies dabei nach oben.

      Der verwilderte Mann schüttelte angstvoll den Kopf, dann kroch er noch weiter in die Segellast und steckte seinen Kopf unter die angefaulten Segel.

      Von oben warf Tucker eine Jakobsleiter hinunter. Er und Carberry zogen sich etwas zurück, um den Mann nicht zu erschrecken, falls er wieder aufkreuzte.

      Hasard versuchte es weiter, doch der Bärtige wagte sich nicht aus seiner Ecke heraus, bis dem Seewolf nichts anderes übrigblieb, wieder nach oben zu steigen.

      „Er wird sich schon noch beruhigen, wenn er merkt, daß wir nichts von ihm wollen“, sagte er. „Er scheint vor Angst halb verrückt zu sein, deshalb hat er sich auch da unten versteckt, da fühlt er sich offenbar sicher.“

      „Und wenn er nicht an Deck klettert?“ fragte Tucker. „Wir können doch nicht Ewigkeiten auf ihn warten.“

      „Er wird bald Hunger und Durst haben, und dazu muß er die anderen Räume aufsuchen.“

      Dan O’Flynn kletterte an Bord, der den Schrei zwar gehört, ihn aber nicht hatte deuten können. Jetzt erzählten sie ihm von dem Fremden.

      „Das muß grauenhaft sein“, sagte Dan. „Wochen- oder monatelang allein auf einem Schiff, nur Ratten zur Gesellschaft. Und das Schiff treibt irgendwo herum, ohne daß er etwas dagegen unternehmen kann. Ich begreife nur nicht, daß man ihn zurückgelassen hat, denn freiwillig ist er doch sicher nicht geblieben.“

      Der Fremde gab ihnen Rätsel auf, wie ihnen auch das ganze Schiff einschließlich der verschwundenen Mannschaft Rätsel aufgab.

      Aus dem Raum erklang wieder dieser Schrei einer verängstigten Kreatur, der durch Mark und Bein ging.

      Hasard versuchte es wieder und wieder, redete ihm zu, versprach ihm sauberes Trinkwasser und Proviant, und dann trat endlich ein Erfolg ein.

      Das verwilderte und abgezehrte Individuum näherte sich mit unendlich vorsichtigen Bewegungen dem offenen Luk, blieb stehen und blinzelte nach oben.

      „Sind die beiden Ungeheuer endlich weg?“ fragte er mit hysterisch klingender Stimme. „Habt ihr sie vertrieben?“

      Die vier Seewölfe sahen sich ratlos an. Niemand wußte, von welchen Ungeheuern der Spanier sprach.

      Um ihn nicht noch mehr zu verängstigen, nickte Hasard.

      „Ja, jetzt sind sie fort, sie sind nicht mehr auf dem Schiff.“

      Wieder erschien unruhiges Flakkern in den Augen des Mannes. Sein Blick war äußerst mißtrauisch, er zog sich wieder ein paar Yards zurück.

      „Sie waren ja auch nicht auf dem Schiff“, schrie er. „Sie befinden sich außenbords. Sie schwimmen immer an der Backbordseite. Tagelang, wochenlang, immer schwimmen sie nebenher.“

      „Niemand schwimmt mehr neben dem Schiff“, sagte Hasard, der an Haie dachte. Aber davor konnte der Mann schließlich keine Angst haben, wenn er sich an Bord befand.

      „Ihr habt sie vertrieben?“ fragte der Spanier mißtrauisch.

      Tucker grinste ihn an und zeigte auf seine Axt.

      „Hiermit haben wir sie erschlagen“, sagte er.

      Der Spanier lachte höhnisch und schüttelte den Kopf mit den langen verfilzten Haaren.

      „Man kann sie nicht erschlagen“, behauptete er, „denn sie sind ja schon lange tot.“


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