Seewölfe Paket 24. Roy Palmer
hat das kräftig unterstützt“, fügte Hasard junior den Worten seines Bruders hinzu.
„Erstaunlich“, sagte der Kutscher. „Aber Gegensätze ziehen sich an.“
„Willst du die Fische kochen?“ fragte Philip.
„Nein, braten“, entgegnete der Kutscher. „Ich zeige euch gleich, wie.“
„Dad hat aber noch einen anderen Grund, warum er dich mitgeschickt hat“, sagte Hasard. „Du kennst dich aus, Kutscher, und du hast wohl einen alten Schinken über Andros gelesen.“
„Ach so“, sagte der Kutscher. „Ja, das stimmt. Es war ein richtiger Foliant, und darin war Erstaunliches über die Insel aufgezeichnet. An das meiste kann ich mich noch erinnern.“
„Eben“, sagte Philip. „Folglich gibt es zwei Gründe, warum du an unserer Expedition teilnimmst.“
„Der erste geht geradewegs durch den Magen“, sagte der Kutscher. „Der zweite ist theoretischwissenschaftlicher Art. Aber so ein Experte bin ich nun auch wieder nicht. Vor allem kein studierter Mann.“
„Stell dein Licht nicht unter den Scheffel“, sagte Hasard junior. „Du mit deiner klugen und besonnenen Art wirst das schon meistern. Und Dad meinte auch, unter den Hitzköpfen müsse sich einer befinden, der immer klar bei Verstand ist.“ Er grinste von einem Ohr zum anderen.
„Laßt das bloß nicht Old Donegal und Carberry wissen“, sagte der Kutscher. „Die gehen gleich in die Luft, wenn sie so was hören. Von wegen Hitzköpfe.“
„Aber recht hat Dad“, sagte Philip junior. Er grinste genauso breit wie sein Bruder.
Nachdem das Gemüse im Kessel gelandet und die Fische fertig ausgenommen, abgeschuppt und gewaschen waren, zeigte der Kutscher den Zwillingen, wie sein Bratfisch-Rezept aussah: Er zerkleinerte Zwiebeln, Knoblauch und Petersilie auf dem Hackbrett, streute die Mischung in die größte Pfanne und dünstete sie auf der Holzkohlenglut vor.
Als die Zwiebeln glasig wurden, warf er den ersten halbierten Fisch in die Pfanne und briet ihn. Er streute etwas Salz über ihn, wendete ihn und wartete, bis er gar war. Dann legte er ihn in eine andere Pfanne, die er über der Glut warm hielt. Nun kam der nächste Fisch an die Reihe.
Wenig später trat die Crew zum Backen und Banken an, und heißhungrig fielen die Männer und die beiden Jungen über die Gemüsesuppe und die gebratenen Fische her. Dazu gab es Rotwein und eine von Old O’Flynn großzügig spendierte Extraration Rum.
Old O’Flynn wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab, als er seine Mahlzeit beendet hatte.
„So laß ich’s mir gefallen!“ rief er. „Gut gekocht, Kutscher! Nur weiter so!“
„Danke für die Blumen“, erwiderte der Kutscher lachend. „Aber Mary hat das sicher noch besser als ich verstanden.“
„Unsinn“, sagte der Alte. „Auf Mary lasse ich nichts kommen, aber richtig gut ist bei ihr nur Calaloo. Der Rest läßt zu wünschen übrig.“
Carberry wandte ihm sein narbiges Gesicht zu. „Das kannst du mir nicht erzählen, Donegal. Sag lieber, daß du sie auf Great Abaco zurückgelassen hast, damit sie dir nicht dauernd auf die Zehen tritt.“
Gespannt warteten die anderen auf Old O’Flynns Erwiderung. Zuerst sah es so aus, als wolle er wie ein Pulverfaß explodieren. Es fehlte nur noch die Lunte, die das Pulver in die Luft jagte. Dann aber bezwang er sich.
„Mister Carberry“, sagte er sehr beherrscht. „Bist du jemals verheiratet gewesen?“
„Nicht, daß ich wüßte.“ Carberry grinste wieder.
„Dann kannst du auch nicht beurteilen, was so eine Ehe bedeutet“, sagte der Alte.
„Nur Gemecker?“ fragte der Profos. Er griff nach Sir John, der immer noch auf seiner linken Schulter herumturnte, aber der Papagei zwackte ihm kräftig in den Finger.
„Das Gemecker gehört mit dazu“, erklärte Old O’Flynn. „Aber das Schönste ist, wenn du erfährst, daß Nachwuchs unterwegs ist. Und nun mal genauer: Welcher Hundesohn würde seine Frau Gefahren aussetzen und sie mit auf eine Fahrt mit ungewissem Ausgang nehmen? Und noch was. Allein die Schwankungen eines Schiffes können sich störend auf eine Schwangerschaft auswirken, aber davon hast du natürlich keine Ahnung.“
„Ach?“
„Es wird keinen Stammhalter geben, der das Fortbestehen der Carberry-Sippe garantiert“, sagte Old O’Flynn. „Aber die O’Flynns werden niemals aussterben, dafür hab’ ich gesorgt. Und damit es keine Schwierigkeiten gibt, ist Miß Snugglemouse auf Great Abaco geblieben. Klar?“
„Klar“, erwiderte Carberry. Er war jetzt viel zu verdutzt, um etwas Schlagfertiges zu äußern. Carberry-Sippe? Ja, wer hatte denn daran jemals gedacht?
Die anderen lachten. Ehe es Streit zwischen Old O’Flynn und Carberry gab, rief Sven Nyberg: „Kutscher! Was weißt du eigentlich über die Insel Andros? Raus mit der Sprache! Wir sind schon neugierig! Es hat sich herumgesprochen, daß du ein dickes Buch darüber gelesen hast!“
Der Kutscher trank noch einen Schluck Wein, dann sagte er: „Andros ist eine von Geheimnissen umwitterte Insel. Die Spanier nennen sie ‚Isla del Espiritu Santo‘.“
„Insel des Heiligen Geistes“, sagte Martin Correa. „Ja, so wurde sie von meinen Landsleuten getauft. Sie ist sehr groß, nicht wahr?“
„Der Koloß unter den Bahamas“, erwiderte der Kutscher. „Soviel ist bekannt. Im Schnitt soll die Insel an die fünfundzwanzig Meilen breit und über hundert Meilen lang sein. Und von der Ost- zur Westküste ist sie von kräftigen Meeresarmen durchzogen. Das sind die sogenannten Creeks oder Bights.“
„Aber das sind doch englische Ausdrücke“, warf Martin Correa ein.
Der Kutscher lächelte. „Es war ja auch ein englischer Foliant, in dem ich herumgeschmökert habe. Also, diese Creeks oder Bights sollen ein wahres Verwirrspiel für Nautiker sein.“
„Wie schön“, sagte Old O’Flynn ironisch. „Da haben wir ja was Feines vor uns.“
„Die drei Bights heißen Nord-, Mittel- und Süd-Bight“, fuhr der Kutscher unbeirrt fort. „Sie unterteilen die Insel in natürliche Regionen, nämlich Nord-Andros, Mittel-Andros, Mangrove-Cay und das zersplitterte Süd-Andros. Wenn ich mich recht entsinne, soll der Urwald im Inneren der Insel ziemlich dicht sein. Fast undurchdringlich.“
„Das wird ja immer schöner“, sagte Old O’Flynn. „Ach, wie schade, daß Mary nicht mit dabei ist. Sie hätte sicherlich gern ein paar bunte Blumen gepflückt.“
„Ein Tropenwald aus Pinien und Palmetto“, sagte der Kutscher. „Ja, so stand es in meinem Wälzer. Und natürlich mangelt es auch am Mangrovengestrüpp und am Spanischen Moos nicht.“
Carberry stieß einen dumpfen, grunzenden Laut aus. „Ha, wie sollte es auch! Ich hätte es glatt vermißt, das Moos, meine ich.“
„Ihr seid unvorstellbar witzig“, sagte der Kutscher. Er schoß einen Blick auf Old O’Flynn und den Profos ab, dann sprach er weiter. „Auf Andros gibt es eine Menge Binnenseen. Unzählige, stand in meinem Buch. Weiter Wasseradern, die in die Seen fließen, und überall Inselchen.“
„Ein feuchtes Paradies“, sagte Nils Larsen. „Und überall lauert das Wechselfieber, was? Nun mal ehrlich, Kutscher, hältst du das für einen besonders positiven Bericht?“
„Es soll keine positive Darstellung sein“, erwiderte der Kutscher. „Denn Andros ist eine abweisende Insel. Die Westküste wird ‚Schlammküste‘ genannt. Andros, die dunkle Insel. Ach ja, richtig, das hätte ich fast vergessen – Geister soll es dort auch geben.“
„Potzblitz!“ stieß Old O’Flynn hervor. „Das habe ich mir gedacht! Und ausgerechnet wir müssen zu der verfluchten Schlamm-Insel segeln? Das hat sich Hasard ja fein ausgedacht!“