Seewölfe - Piraten der Weltmeere 93. Fred McMason
erwiderte Dan müde. Er fühlte sich nach der kurzen Zeit im Ausguck wie zerschlagen. Alle Knochen taten ihm weh. Dort oben war die Hölle. Man wurde hin und her geschleudert wie an einem riesigen langen Stab, der direkt in den Himmel wuchs.
Um sie her war alles grau in grau. Schwarze Wellen wechselten mit grauen ab, dann wieder rollten schäumende, dunkelgrüne Seen heran. Über allem hing ein Himmel, der direkt über dem Schiff zu schweben schien. In den Luvwanten tobte sich der Wind aus, er ließ die Taljen und Blöcke gepeinigt knarren und ächzen.
Jedermann hatte das Gefühl, als würde die „Isabella“ leben und mit Ächzen und Stöhnen, Wimmern und Klagen gegen den höllischen Seegang protestieren, der sie quälte und folterte, der immer wieder versuchte, ihr die Planken aus dem Leib zu reißen, sie zu verwunden oder zu töten.
Die Gesichter wurden immer besorgter. Niemand wußte mehr, wo sie sich jetzt befanden. Waren sie schon unterhalb im südlichen Bereich der Magellanstraße, oder hatte der brüllende Sturm sie in eine andere Richtung versetzt?
„Wir müssen noch eins der Sturmsegel einholen“, sagte Hasard. „Wir haben vorn zuviel Druck auf dem Bug.“
Tucker, Carberry, Batuti und Dan verloren kein Wort. Es ging um ihrer aller Sicherheit, denn wenn der Mast das Segel nicht mehr trug, würde es ihnen ähnlich ergehen wie dem Spanier, der gerade sein Leben ausgehaucht hatte und jetzt zu seiner letzten Reise auf den Grund des Meeres unterwegs war.
Es wurde eine Schinderei, eine mühsame Schufterei, das Sturmsegel einzuholen. Sie konnten nur mit einer Hand arbeiten, die andere brauchten sie zum Festhalten.
Als Ed Carberry, der Profos, das Einholen des Sturmsegels kommentarlos zulassen wollte, fing Dan an zu protestieren.
„He, Ed“, sagte er unwillig, „wie, zum Teufel, sollen wir das Ding aufgeien, wenn deine Sprüche fehlen, he?“
„Ja, da habt ihr recht, ihr lausigen Kakerlaken“, brummte der Profos. „Beeilt euch gefälligst, sonst ziehe ich euch die Haut in Streifen von euren verdammten Affenärschen! Und hoffentlich klarierst du lausiger Decksaffe bald die Nagelbank!“ brüllte er Batuti an, der grinsend seine weißen Zähne zeigte.
„Wenn Profos groß Maul, Segel gehen viel schneller“, sagte der Gambianeger und klapperte mit den Zähnen, weil ihn jetzt ganz erbärmlich fror.
Nachdem das Sturmsegel dichtgeholt worden war, versuchten die Männer, sich wieder auf das Achterdeck zurückzukämpfen. Es wurde ein Spiel mit dem Leben, doch kurz vor dem Niedergang blieb der Profos stehen und sah sich um.
„Wo ist Bill?“ fragte er.
Dan zeigte nach vorn. „Der ist schon vor einer halben Ewigkeit nach vorn gegangen.“
Carberry kämpfte sich wieder zurück. Er fletschte die Zähne, als ein Brecher ihm die Beine unter dem Leib wegriß, er fluchte und tobte, bis er endlich vorn angelangt war.
Mit dem Aufreißen des Schottes begleitete ihn ein Wasserschwall nach unten.
Bill lag in seiner Koje und hatte sich mit den Füßen darin verkeilt, um nicht durch die wilden Bewegungen hinausgeschleudert zu werden. Sein Gesicht war grün, der Profos erkannte es trotz des dämmerigen Lichtes, das hier herrschte.
„Was ist denn los, Junge?“ fragte er, während er sich wie ein Hund schüttelte, daß die Tropfen nach allen Seiten flogen.
„Mir ist schlecht“, erklang es kläglich aus der Koje. „Mir ist sterbenselend.“
Der schmächtige, dunkelhaarige Schiffsjunge sah den Profos an, als wolle er sterben. Immer wieder schluckte er und kämpfte mit aufsteigender Angst und Panik.
Der rauhbauzige Profos strich ihm mit seiner gewaltigen Pranke über die Haare.
„Das ist doch kein Grund zum Kotzen“, brummte er. „Das bißchen Wind hat nichts zu bedeuten, und die Wellen erst recht nicht. Du bist ganz einfach seekrank, mein Junge, das gibt sich wieder.“
„Aber ich war noch nie seekrank, Sir! Mir dreht sich dauernd der Magen um. Ich glaube, wir saufen ab!“
„Dann bist du aber der einzige, der das glaubt“, polterte Carberry. „Auf dem Achterdeck würfeln sie vor Langeweile und saufen Rum, erzählen sich Witze und lassen sich die Sonne auf die Bäuche scheinen. Und du liegst hier und jammerst!“
„Es wird schon besser, Sir, glaube ich wenigstens. Sind wir bald in der Magellanstraße?“
„Das dauert noch ’ne Weile, nur nichts überstürzen. Bleib ruhig liegen, ich seh später nach dir!“
„Vielen Dank, Sir!“ rief der Junge ihm nach, „Sie glauben wirklich nicht, daß wir untergehen?“
„Besteht dazu vielleicht ein Grund, Kerl! Sieh dir doch das Schiff an, ist es schon jemals untergegangen?“
„Nein, Sir!“
„Na also! Haben wir nicht schon so manchen Sturm abgeritten?“
„Ja, Sir!“
„Na, siehst du! Diesen reiten wir auch ab! Und wenn du noch mal jammerst, dann ziehe ich dir das Fell über die Ohren, du lausiger Pökelhering!“
Der Junge grinste schwach. Er kannte den Profos und auch seine rauhe Art. Er meinte es nie so hart, wie er es sagte, und das beruhigte den Jungen ungemein, der seine Angst nicht zeigen wollte.
Mit einem Grinsen auf den Lippen verschwand der Profos. Bill fand, daß er es glänzend verstand, einem die Angst zu nehmen, gerade seine rauhe Art, das Poltern, und weil er alles ins Lächerliche zog oder bagatellisierte. Von wegen auf dem Achterdeck würfeln oder sich langweilen, dachte der Junge, die hatten bestimmt alle Hände voll zu tun, um das Schiff auf dem Wasser zu halten.
Richtig stolz war er jetzt und unterdrückte den Brechreiz, der ihm immer wieder den Magen umkrempelte, als würde eine große Faust ihn zusammenpressen. Jetzt fühlte er sich schon besser, und mit einem zaghaften Grinsen sah er dem entschwindenden Profos nach.
Als Carberry wieder aufs Achterkastell enterte, hatten die Gesichter der anderen noch nichts von ihrer Besorgnis verloren.
Der Seewolf hob die Schultern, die Karten hatte er weggelegt.
„Ich möchte wissen, wo wir sind“, sagte er. „Der Sturm muß uns schon um etliche Meilen versetzt haben. Wir werden später, sobald die See sich etwas beruhigt, einen zweiten Anlauf nehmen, und dann soll es mit dem Teufel zugehen, wenn wir nicht in die verdammte Magellanstraße segeln.“
Langsam kam die Nacht, es wurde dunkel, doch das Wetter änderte sich nicht. Immer noch ging die See haushoch, immer noch heulte und tobte der Sturm, der die „Isabella“ vor sich herblies, ohne daß sie ihm Widerstand entgegensetzen konnte.
Die Seewölfe kamen aus ihren nassen Klamotten nicht heraus. Die Nacht brachte neue Schrecken mit sich.
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