Seewölfe Paket 8. Roy Palmer
nicht auf der Back, du gehst allein oder nimmst nur einen Mann mit.“
„Verstanden, Sir!“ rief Al Conroy und eilte aufs Vordeck, nur gefolgt von Smoky, dem Decksältesten.
Unterdessen errechnete Dan, daß die Begegnung auf zwei entgegengesetzten Kursen in etwa zweihundert Yards Abstand erfolgen würde.
Da beide Schiffe hart gesegelt wurden, würden, sie auch dementsprechend schnell aneinander vorbeilaufen und sich wieder das Heck zeigen.
Hasard erläuterte sein Vorhaben kurz und bündig.
„Damit wir nicht in den Genuß seiner Breitseite gelangen“, sagte er, „werden wir nach dem ersten Schuß sofort abdrehen, dem Gegner das Heck zeigen und ostwärts weitersegeln, südlich also auf die Sandbänke der Berlenga-Inseln zu. Vermutlich wird der Kerl nicht so schnell reagieren, und mit etwas Glück geht seine Breitseite ins Leere. Ich weiß nicht, ob der Don sich hier auskennt, aber wir haben hier vor ein paar Jahren einmal einen Gegner ausgesetzt, und ich kenne die tückischen Sandbänke noch genau.“
„Ich habe sie auch noch gut in Erinnerung, Sir“, sagte Pete Ballie, „ich würde in einer einigermaßen mondhellen Nacht noch hier durchfinden.“
Auch die meisten anderen entsannen sich der damaligen Sache, als sie hier einen Gegner aussetzen. Allerdings war das schon eine ganze Weile her.
„Hopp, hopp, ihr Kakerlaken“, sagte Ed zu den Männern in der Kuhl. „Schert euch gefälligst an die Brassen und Schoten und schlaft nicht ein, wenn wir den Kurs ändern, oder glaubt ihr etwa, unsere stolze Lady kann das alles allein, was, wie? Willig, ihr Läuseknacker, sonst spielt uns der Don zu einem Tänzchen auf, und ihr endet auf der Galeere wie die Burschen in Cadiz.“
Die Entfernung zu dem „Feind“ betrug noch etwa vierhundert Yards.
Der Irrtum wurde auf beiden Seiten nicht bemerkt, und von dem Ausgang dieser schicksalhaften Begegnung hatte auch noch niemand eine Ahnung. Wie sollten sie auch! Jeder hielt den anderen für einen Don, dem sie es ganz einfach zeigen mußten. Es war eine merkwürdige Situation, und nie hätte Hasard sich träumen lassen, daß ihm hier sein alter Kapitän Francis Drake von der „Golden Hind“ entgegensegelte, jener Drake von dem er sich vor langer Zeit im Zorn losgesagt hatte.
Francis Drake hielt die schlanke Galeone immer noch für einen Portugiesen oder Spanier, und auch er wollte so unauffällig wie möglich dicht an den Gegner heransegeln, um ihn ganz plötzlich zu überraschen. Das harmlos dahinsegelnde Schiff sollte sich von einer Sekunde zur anderen in eine feuerspeiende Festung verwandeln.
Der stämmige, untersetzte Admiral lächelte gegen seinen Willen, und als Fenner dieses Lächeln sah, erschien auch auf seinem Gesicht wieder das lüsterne Grinsen, dem Gegner eins zu verpassen, ohne daß der wußte, was ihm so plötzlich geschah.
„Lassen Sie erst feuern, wenn wir uns begegnen“, sagte Drake noch einmal. „Die Geschwindigkeit beider Schiffe ist groß, die Begegnung erfolgt sehr schnell, und wenn er die Breitseite voll geschluckt hat, sind wir schon weg und setzen dann noch die achteren Drehbassen blitzschnell ein.“
„Das ist ganz nach meinem Geschmack, Sir“, sagte Fenner anerkennend.
„Noch etwas, Mister Fenner: Sofort nach der Feuereröffnung zeigen wir die englische Flagge, damit dieser Philip auch genau weiß, mit wem er es zu tun hat, und bei wem er sich bedanken kann. Wie sieht es jetzt bei ihm an Deck aus? Einzelheiten zu erkennen?“
„Er ist nicht gefechtsbereit, Sir. Die Stückpforten sind geschlossen, ein paar Männer tummeln sich in der Kuhl, zwei andere befinden sich auf der Back. Die Kerle schlafen, Sir, aber wir werden sie gleich wecken.“
„Überwachen Sie das selbst, Mister Fenner“, ordnete Drake an. Aus seinem Gesicht war jetzt das Lächeln verschwunden, es wurde wieder ernst und verschlossen.
„Aye, aye, Sir“, sagte Fenner steif und ging auf das Batteriedeck, denn die Entfernung schrumpfte jetzt schnell zusammen.
Drake heimste im Stillen weiteren Ruhm für sich ein. Nachdem er eine ganze Weile fast reglos an der Schmuckbalustrade gestanden hatte, nahm er die für ihn typische Wanderung wieder auf und verschränkte dabei die Hände auf dem Rücken.
Er lächelte über Fenners besorgte Worte, der Gegner hätte die günstige Luvposition.
In diesem Falle tat es nichts zur Sache, ob Luv oder Lee, das blieb bei dieser kurzen Begegnung völlig gleich. Daraus würde niemandem ein Vorteil erwachsen, der Don konnte ihm bei der flüchtigen Begegnung nicht den Wind aus den Segeln nehmen.
Aus zusammengekniffenen Augen musterte er die Mannschaft, hörte das Brüllen des Profos, der etliches zu bemängeln hatte, und sah schließlich, daß unter Fenners Aufsicht alles seine Ordnung hatte.
Blieb noch dieser Don, dachte er überheblich, ein Brocken, den man im Vorbeigehen verspeiste, und dem jetzt eine höllische Überraschung bevorstand.
Drake, der immer alles gründlich und gewissenhaft tat, überzeugte sich durch einen Blick auf den Kompaß, daß sein Flaggschiff genau auf dem Kurs lag, den er angegeben hatte. Auch den Stand der Flögel und Segel überprüfte er mit einem schnellen Blick.
Die Schoten waren durchgeholt, es gab nichts zu bemängeln.
Der Tanz konnte losgehen.
Hasard blickte auf seinen Waffenmeister Al Conroy, der sich an Deck gekniet hatte und das Ziel aufnahm. Smoky reichte ihm gerade die Lunte.
Hundertfünfzig Yards, schätzte Hasard, der Al Conroy freie Hand gelassen hatte, um aus der für ihn günstigsten Position zu feuern.
„Jetzt könnte er ja mal so ganz langsam die Ladung herauslassen und dem lausigen Don zeigen, wer …“
Ed Carberrys Worte wurden von einem nachhallenden Dröhnen überlagert, das die Schiffsplanken erzittern ließ.
Vor dem Bug entstand eine rauchgraue Wolke, als die Drehbasse ihren tödlichen Eisenhagel mit wildem Gebrüll ausspie.
Ein paar Sekunden vergingen, dann schlug es drüben mit unglaublicher Präzision in den Bugspriet der heransegelnden Galeone ein.
Der schwere Bugspriet knickte ein wie morsches Treibholz, sackte weg und riß die obere und untere Blinde mit sich. Ein Gewirr aus Tauen, zerfetzten Segeln und zersplittertem Holz bildete augenblicklich einen wüsten Haufen, der über Bord klatschte, von einigen Stangen noch gehalten wurde und sich nur schwerfällig von dem Schiff löste.
Dabei geriet die Galeone leicht aus dem Kurs und scherte weiter nach Steuerbord aus.
Auf der „Isabella“ rissen die Seewölfe die Arme hoch und brüllten Al Conroys Namen, der mit diesem sauberen Schuß den Bug der Galeone in einen Trümmerhaufen verwandelt hatte.
Zur weiteren Begeisterung blieb allerdings keine Zeit mehr, denn jetzt scheuchte der Profos die Männer an die Schoten und Brassen, und der Rudergänger der „Isabella“ wirbelte das schwere Rad herum, um nach Hasards Anweisungen nach Osten abzulaufen, in Richtung der gefährlichen Sandbänke.
Ben Brighton grinste über das ganze Gesicht und rieb sich die Hände.
„Der kann gar nicht mehr feuern“, sagte er voller Schadenfreude, „denn jetzt ist er beschäftigt. Er muß seinen Kurs korrigieren, und da wir hart ablaufen, kann er nicht mehr seine Breitseite voll einsetzen. Mann, das haben wir diesem lausigen Don aber gründlich vermiest. Ein Meisterschuß war das!“
Auch der Seewolf lachte laut.
„Was Al treffen will, das trifft er auch“, sagte er anerkennend.
„Damit hat der Don nicht gerechnet.“
Inzwischen wurden die Segel nachgetrimmt, die „Isabella“ ging auf den neuen Kurs und zeigte dem angeschossenen Gegner das Heck. Der Don trieb so weit aus dem Kurs, daß man von ihm jetzt ebenfalls nur noch das Heck sah.
Jetzt erst fanden die Seewölfe Zeit, ihre Begeisterung noch lauter hinauszubrüllen. Dieses spanische Tänzchen gefiel ihnen