Seewölfe Paket 8. Roy Palmer
„Elizabeth Bonaventura“ drehte noch weiter in den Wind und jagte dem anderen Schiff nach, das in eigenartigen Schlägen zu kreuzen begann.
Drake runzelte die Stirn und fragte sich was dieser Bursche wohl mit seinen merkwürdigen Kreuzschlägen bezweckte. Auf diese Art und Weise konnte er ihm nicht entwischen, das kostete ihn nur Zeit.
Und weit und breit war kein anderes Schiff zu sehen, das diesem Spanier eventuell helfen konnte.
Nach einer Weile wechselte der Gegner erneut den Kurs. Er drehte von Ost auf Ostsüdost und schließlich nach Südost.
Drake und Fenner verfolgten das Manöver aus schmalen Augen.
„Zweifellos segelt dieser Bastard schneller als wir, aber er hat Angst, in den Bereich unserer Geschütze zu geraten. Hat der Stückmeister sofort wieder nachladen lassen?“
„Wir sind gefechtsbereit, Sir“, antwortete Fenner diensteifrig und hoffte, daß die üble Laune des Admirals bald vorübergehen möge, denn jetzt schienen Drake die Manöver des anderen brennend zu interessieren.
„Sehr gut, ich denke, diesmal pakken wir ihn von der anderen Seite. Geben Sie Befehl auf die Stationen, aber warten Sie noch einen Augenblick, Mister Fenner, ich will sehen, wie er manövriert, um ihn besser packen zu können.“
„Er segelt stur Südostkurs, Sir. Wenn wir nach Süd …“
Drake sah seinen Stabschef gelassen an.
„Ich weiß, was ich zu tun habe, Mister Fenner“, sagte er kühl und einigermaßen beherrscht. „Wir gehen wieder auf Südkurs und verlegen ihm den Weg. Sollte er erneut den Kurs ändern, haben wir nicht viel verloren. Er gerät damit in den Bereich unserer Kanonen.“
„Dann werden wir es ihm heimzahlen, Sir“, versprach Fenner mit grimmigem Gesicht. „Sollen wir die englische Flagge zeigen?“
Drake überlegte kurz, dann schüttelte er den Kopf.
„Noch nicht, erst wenn wir ihn vor den Rohren haben.“
Hasard blickte wieder durch das Spektiv und nickte anerkennend.
„Ein zäher Bursche, das muß man ihm lassen. Seit wir ihm die Blinde weggeschossen haben, ist bei ihm an Bord der Teufel los, und jetzt will er es wissen.“
„Er segelt wie der Teufel hinter uns her“, sagte Ben und grinste. „Wie ein wütender, bis zum Bersten angefüllter Teufel, aber er schafft es nicht, wir sind schneller.“
Er sah, wie der Seewolf die Lippen verzog, bis man seine weißen Zähne blitzen sah. Ja, jetzt war dieser schwarzhaarige Satan wieder in seinem Element, jetzt dachte er mit Haken und Ösen, um den Gegner aufs Kreuz zu legen, nachdem er mit ihm Katze und Maus gespielt hatte.
„Pete! Kursänderung auf Ostsüdost. Die anderen an die Brassen und Schoten, aber noch nicht dichter holen. Wir ändern später noch einmal den Kurs auf Südost.“
Brighton und Big Old Shane warfen sich einen Blick zu. Der alte Waffenschmied von der Feste Arwenack, stieß dem Bootsmann leicht den Daumen in die Rippen.
„Sieh ihn dir an“, sagte er mit seiner tiefen Stimme. „Sieh ihn dir genau an, diesen Teufelsbraten. Weißt du, was er jetzt gerade ausheckt?“
Brighton brauchte immer erst etwas Anlauf, bis er in Fahrt geriet, aber dann war er voll da.
„Ich kann es mir denken“, sagte er leise, „er will den Burschen in die Falle locken. Aber es ist ein Spanier oder ein Portugiese, und ich nehme an, daß der sich hier noch besser auskennt als wir. So einfach wird das nicht gelingen.“
„Abwarten, Ben. Der Bursche ist blind vor Wut, ihm geht es nur darum, die Scharte auszuwetzen, und ein blindwütiger Gegner begeht Fehler und bemerkt sie meist zu spät. Früher oder später wird er aufbrummen.“
Hasard drehte sich um und klemmte das Spektiv unter die Achselhöhle.
„Der Name ist kaum zu erkennen“, sagte er, „irgend etwas mit ‚naventura‘ am Ende. Liegt der Kurs an, Pete?“
„Liegt an, Sir!“
„Du weißt, daß du jetzt höllisch aufpassen mußt“, schärfte der Seewolf seinem besten Rudergänger noch einmal ein. „Ich lasse jetzt die Blinde wegnehmen, damit du bessere Sicht hast. Zwei Mann stehen auf der Bank und geben dir Zeichen, für alle Fälle.“
Die große Sandbank, die sie jetzt umsegelten, sah man kaum. Aber das Wasser auf ihr war nicht tiefer als eineinhalb Faden. Pete Ballie segelte die „Isabella“ hart daran vorbei, bis ihm von der Back aus Zeichen gegeben wurden, daß das Wasser wieder tiefer wurde.
„Neuer Kurs Südost!“ rief Hasard.
Die Segel wurden getrimmt, der Wind fiel jetzt dwars ein. Der Seewolf blickte wieder zu der Galeone hinüber.
„Ich hoffe, daß er in seinem Eifer versuchen wird, uns den Weg zu verlegen“, sagte er ruhig. „Wenn er sich hier allerdings sehr gut auskennt, fällt er nicht darauf herein. Ändert er aber den Kurs auf Süd, dann brummt er auf und wir können uns die Hände reiben.“
„Und wenn nicht?“ fragte Ben.
„Dann haben wir ihn ein bißchen geärgert und versuchen es später noch einmal.“
Ein paar Minuten vergingen, in denen fast alle gespannt nach dem Segler blickten.
„Er fällt ab!“ schrie Dan begeistert. „Er geht tatsächlich auf Südkurs.“ Hasard stemmte die Fäuste in die Hüften und ließ keinen Blick mehr von dem Schiff.
Gleich darauf hörten sie ihn lachen, so laut, wie er schon lange nicht mehr gelacht hatte. Es war ein höhnisches Lachen voller Schadenfreude, in das die Seewölfe sofort einfielen. Die „Isabella“ erzitterte unter diesem Höllengelächter, und ein paar der Männer krümmten sich und höhnten über den Gegner, denn der bäumte sich plötzlich auf, als er die Sandbank rammte. Und dann saß er fest.
Francis Drake bemühte sich immer noch, seinen Zorn zu unterdrükken. Nach außen hin schaffte er es auch, aber innerlich fühlte er sich mit Wut bis zum Bersten angefüllt.
Man sah es ihm an, wenn er, die Hände auf dem Rücken verschränkt, von einer Seite zur anderen lief, an dem fast reglos stehenden Fenner vorbei, vor dem Schanzkleid wieder umkehrte und seine rastlose Wanderung erneut aufnahm.
Es ging ihm alles nicht schnell genug, er wollte dem Spuk ein Ende bereiten, und so blieb er ruckartig stehen, als von der Back her ein heller Schrei gellte.
Drake verstand ihn nicht. Er blickte irritiert nach vorn und sah dann Fenner an.
In diesem Augenblick hob eine unsichtbare Riesenfaust die „Elizabeth Bonaventura“ ruckartig aus dem Wasser und stoppte sie auf der Stelle.
Der Stoß war so gewaltig, daß die Masten erzitterten, die Rahen wild zu schwingen begannen und auf Deck zu stürzen drohten: Wie durch ein Wunder blieben sie oben.
Dafür warf der Stoß die Männer um. Das Schiff erzitterte in allen Spanten und Fugen, knirschend, krachend und schlurfend wühlte es sich in den Sand.
Drake kippte nach vorn, verlor den Halt und stürzte, streckte jedoch noch geistesgegenwärtig die Hände vor und milderte seinen plötzlichen Sturz dadurch etwas ab.
Thomas Fenner verlor das Gleichgewicht und knallte in voller Länge auf die Planken, und als er schmerzhaft das Gesicht verzog, fiel der Rudergänger wie ein nasser Sack über ihn.
Drake versuchte, sich einigermaßen würdevoll zu erheben. Er hatte das Gefühl, jemand habe ihm ein glühendes Messer ins Herz gestoßen.
Er verspürte keinerlei Schmerz, aber die Erkenntnis, wie ein blutiger Anfänger auf eine Sandbank gelaufen zu sein, versetzte ihm einen so nachhaltigen Schock, daß er geraume Zeit keine Worte fand. Er stand nur da, zutiefst gedemütigt. Er fühlte sich von Gott persönlich bestraft und verachtet, und dann stieg der Zorn in ihm hoch wie eine Riesenwoge, die ihn überschwemmte.
Was