Seewölfe - Piraten der Weltmeere 287. Davis J.Harbord

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 287 - Davis J.Harbord


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      In diesem Moment der aufflammenden Wut erlag Grammont – wie auch seine Schnapphähne – dem Irrtum, die beiden Männer seien allein in das Kellergewölbe vorgedrungen.

      „Auf sie!“ brüllte er seinen Kerlen zu, riß die Pistole aus dem Gurt, legte auf Hasard an und feuerte. Der Schuß dröhnte in dem Kellergewölbe wie die Breitseite einer Kriegsgaleone.

      Aber das Blei pfiff über Hasard weg, der sich reaktionsschnell hingeworfen hatte, Sekunden später jedoch wieder hochschnellte. Mit einem wüsten Degenhieb fegte er Grammont die Pistole aus der Hand, der die Waffe auf ihn schleudern wollte.

      Grammont brüllte wie ein wildgewordener Stier, seine Kerle genauso, die sich mit Säbeln, Degen oder den nackten Fäusten auf Hasard und Le Testu stürzten und meinten, leichtes Spiel mit diesen beiden Männern zu haben, die so wahnsinnig gewesen waren, allein eine mehr als zehnfache Übermacht anzugreifen.

      Aber der schwarzhaarige Riese und der Hugenotte glitten nach rechts und links auseinander, und die Lücke füllte sich von der Kellertreppe her mit Männern, deren wilder Schlachtruf wie Donnergrollen durch das Kellergewölbe brauste. Einer Sturmwoge gleich prallten sie auf die bretonischen Piraten.

      Und da war die Hölle los.

      Blanke Waffen klirrten aufeinander, Fäuste droschen drauflos, Männer ächzten, schrien, brüllten.

      Da langte Edwin Carberry, Profos der Seewölfe-Crew, mitten hinein – er pfiff auf die „Piekser“, wie er es nannte –, bekam zwei Haarschöpfe zu fassen und donnerte die dazu passenden Köpfe zusammen. Das war schon schlimm genug, aber viel schlimmer war sein häßliches, zernarbtes Gesicht, das unten in einem Kinn endete, das man getrost als Hackklotz zum Holzspalten benutzen konnte.

      Die beiden Kerle wankten mit glasigen Augen umeinander – dieses furchtbare Gesicht mit dem wüsten Kinn als letztes im geistigen Blickfeld.

      Und der Profos röhrte wie ein Auerochse. Es war ihm so richtig urig zumute, denn zu seiner Wonne erspähte er in dem Getümmel von fliegenden Fäusten und blitzenden Klingen und zornroten Köpfen das Rübenschwein Easton Terry, diese miese Kakerlake, die mit gehetzten Blicken um sich schaute und nach einem Fluchtweg suchte.

      Und Carberry stieß wie ein Rammbock vor, leider nur zwei Schritte, denn jemand stellte ihm ein Bein, und er krachte zu Boden wie eine gefällte Rieseneiche. Allerdings riß er dabei gleich drei Kerle mit nach unten und langte dem einen noch im Liegen ein Ding auf die Nase, das den Ärmsten schrill quieken ließ.

      Zu diesem Zeitpunkt katapultierte Batuti, der Riese aus Gambia, gerade Jean Bauduc, den Kapitän der abgesoffenen „Petite Fleur“ – was soviel wie kleine Blume hieß –, durchs Kellergewölbe. Und da fühlte sich Jean Bauduc keineswegs als Blümchen, falls er sich je mit dem Namen seines Schiffes identifiziert hatte, was aber unwahrscheinlich war. Jedenfalls fühlte er sich wie eine Pusteblume, wenn überhaupt. Der Wind pfiff ihm Lidschläge lang um die Ohren. Er klatschte gegen die Wand des Kellergewölbes, daß ihm Hören und Sehen verging. Im Sturz, bei dem man ja nach einem Halt sucht, griff er in die brennende Fackel, die in der eisernen Halterung steckte, und da war’s aus mit den blumigen Vergleichen.

      Das war alles sehr hektisch in diesem tobenden Hexenkessel. Jean Bauduc riß die Fackel mit sich nach unten und hatte auch noch das Pech, sie unter seinem Hintern zu deponieren. Dort qualmte sie, und er brüllte.

      Merkwürdig genug war die Kampfesweise der Seewölfe: Sie setzten ihre Blankwaffen nur ein, um den Gegnern die Waffen aus den Händen zu schlagen. Und dann legten sie mit den Fäusten los – eine fast verächtliche Geste, die ausdrückte, daß es ihrer Meinung nach genüge, den Kerlen mal ordentlich das Fell zu versohlen. Für die elegante Fechtweise mit Degen und Säbel waren ihnen diese Küstenstrolche zu billig.

      So verstummte nach ein paar Minuten das Klirren der Blankwaffen, die mit verächtlichen Fußtritten zur Seite gefegt wurden. Dafür war das Klatschen von Ohrfeigen und gewaltigen Maulschellen zu hören oder die trockenen Laute kräftiger Fausthiebe.

      Oh, das ging den Schnapphähnen mächtig auf den Geist und nervte sie, zumal diese Engländer auch noch lachten, als hätten sie einen herrlichen Spaß daran, sich mal so richtig austoben zu können. Sie hätten eben mal in der „Bloody Mary“ in Plymouth erleben müssen, wenn die Seewölfe loslegten und Nathaniel Plymsons finstere Kneipe auseinandernahmen, daß die Fetzen flogen. Dann wäre ihnen vieles klar geworden – ganz abgesehen von der kämpferischen Erfahrung und Praxis dieser Männer aus England.

      Das waren keine Anfänger oder Neulinge oder biedere Seeschafe, wie man sie bisher auf den englischen Handelsfahrern angetroffen und mühelos außenbords oder ins Jenseits befördert hatte. Nein, diese Männer waren eine Klasse für sich, und zwar deswegen, weil sie schon durch zu viele Höllen gegangen waren.

      Es stand schlecht für Spanien und Frankreich. Anders ausgedrückt: es war von Anfang an eine verlorene Schlacht. Gegen die Philip Hasard Killigrew, Le Testu, den Korsen Montbars, Ferris Tucker, Ben und Roger Brighton, Ed Carberry, Blakky, Smoky, Batuti, Reeves, Mulligan und Ray Hoback war kein Kraut gewachsen. Denn auch die drei Männer von der „Fidelity“ – Reeves, Mulligan und Ray Hoback – wuchsen über sich hinaus, angestachelt von der Kampfeslust der Seewölfe, erbittert über den Verrat ihres Kapitäns Easton Terry, dessen Wechsel auf die Seite des Gegners auch sie mitbekommen hatten.

      Und es waren Jerry Reeves, der sehnige, hochgewachsene Bootsmann der „Fidelity“, und der ungeschlachte Mulligan, Schiffszimmermann der Galeone, die zu Easton Terry durchstießen und ihn an die Wand des Kellergewölbes nagelten. Dem war das zynische Grinsen längst vergangen. Das Papier, das er in der rechten Hand gehalten hatte, flatterte zu Boden – niemand beachtete es:

      Auch Yves Grammont stand bereits mit dem Rücken an einer Wand und wurde von Hasard durchgewalkt. Er übte mit ihm mittels Maulschellen zakkige Blickwendungen, wobei der Schädel des Vollbarts mal nach links und mal nach rechts flog.

      Als Ignazio, der vierschrötige Simpel und Vorstehhund Lucio do Velhos, Hasard ins Genick sprang, wirbelte der Seewolf blitzschnell mit dem Kerl auf dem Rücken herum, warf sich gegen die Wand und quetschte ihn ein bißchen zusammen. Ignazio hatte das Gefühl, zwischen zwei Mühlsteine geraten zu sein.

      Inzwischen setzte Smoky, der Decksälteste der Seewölfe-Crew, die Übungen seines Kapitäns an Yves Grammont fort. Und bei jeder Maulschelle brüllte er: „Hopp und hepp und hopp!“

      Pierre Servan, Kapitän der versenkten „Antoine“, geriet an Ferris Tucker, der ihm mit einem jähen Griff den schwarzen Hut mit der breiten Krempe über die Augen zog. Da war er blind und empfing seine Lektion, die da lautet, daß man tunlichst vermeiden soll, beim Nahkampf so ein Ding auf dem Kopf zu tragen.

      Einer von Grammonts Kerlen riß eine Fackel aus der Halterung und wollte sie Blacky auf den Schädel hauen. Aber der glitt elegant zur Seite, und so schmetterte sich der Kerl die brennende Fackel selbst gegen das rechte Bein. Das war auch nicht die wahre Freude. Er brannte sich Löcher in die Hose, heißes Pech spritzte herum und brachte gleich ein paar Kerle auf Trab, die zwischenzeitlich den Boden aufgesucht hatten, natürlich nicht freiwillig. Sie sprangen auf wie gepiekt, und das stimmte, denn das heiße Pech hatte die Wirkung von gebündelten Stecknadeln.

      Das war ein Jammern und ein Wehgeschrei!

      Es war Ferrat, ein krummbeiniger, aber katzenschlauer Kerl von Grammonts Flaggschiff „Louise“, der schließlich auf die Idee verfiel, das Kellergewölbe abzudunkeln, um das Fäustemassaker zu beenden und eine bestimmte Fluchtmöglichkeit wahrzunehmen.

      Er glitt wie ein Aal durch die kämpfende Masse, mußte auch ein paar Hiebe dabei einstecken, aber er entfernte die noch brennenden Fakkeln – und plötzlich war es duster wie in einem verschlossenen Bierfaß.

      2.

      Spionage und Gegenspionage, Aktion und Konteraktion werden von Kennern dieses Metiers, das sich zumeist im Dunkel abwickelt, das Spiel der Füchse genannt. Um bei diesem Bild zu bleiben: Das Spiel wird stets von den ganz großen, den mittleren und den kleinen Füchsen betrieben. Es kann


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