Seewölfe - Piraten der Weltmeere 287. Davis J.Harbord
einfach die kleinen Füchse ein eigenes Süppchen zu kochen beginnen.
Ein Füchslein dieses letzteren Typs war Albert, der auch ganz schlicht nur der „Bucklige von Quimper“ genannt wurde, zumal niemand seinen vollen Namen kannte und auch der Vorname Albert vielleicht nur eine Tarnbezeichnung war.
Dieser Albert war ein ziemlich schräger Vogel – hager, häßlich, einen wirren, schwarzen Haarfilz auf dem Kopf. Wer ihn beschreiben sollte, hätte als sein typischstes Merkmal zuerst den Buckel genannt, ohne zu ahnen, daß dieser Buckel nicht echt war. Das war erst zu merken, wenn das Ding mal verrutschte, und das tat es garantiert, wenn Albert aus Versehen oder durch eigenes Pech in eine. Keilerei geriet, in der er durchgebeutelt wurde.
Die Idee zu diesem guten Stück beruhte auf Alberts genialem Einfall, ein bißchen auf das Mitleid zu spekulieren, wobei er sich – psychologisch durchaus richtig – sagte, die Leute würden einen Buckligen nicht antasten und zufrieden lassen.
Diesen Effekt steigerte er noch dadurch, daß er den Trottel spielte, den Blödian, eine Rolle, die jeder intelligente Mensch übernehmen kann, wenn er ein bißchen lallt, das Gesicht hängen läßt und den Augen einen stieren Ausdruck verleiht.
Mit dem Buckeldings hatte Albert schon allerhand Ärger gehabt. Die Konstruktion bestand aus einem den Schultern angepaßten Stück Holz – als Hökker zurechtgeschnitzt –, das mittels Lederriemen auf dem Kreuz festgeschnallt werden konnte. Getarnt wurde der Buckel von einem langen schwarzen Umhang, der natürlich das Groteske von Alberts äußerer Erscheinung noch verstärkte. Auf empfindsame Menschen wirkte Albert unheimlich, für die lieben Kleinen war er der Kinderschreck, rohen Gemütern hingegen diente er als Objekt ihrer Spottlust, wobei ihm auch passieren konnte, einen Tritt in den Hintern zu empfangen.
Solche Scherze erlaubten sich die Saufbolde und Grobiane, die jene Kneipe in Quimper aufsuchten, in der Albert einer Tätigkeit, nachging – sofern er nicht als Füchslein dunkle Wege beschritt –, die überall in der Welt den Dümmsten der Dummen vorbehalten bleibt. Das heißt, Albert rangierte auf der untersten Stufe des dienenden Personals und erledigte jene Arbeiten, für die andere zu faul, zu erhaben oder zu vornehm waren. Er fegte die Kneipe aus, scheuerte die Schanktische, spülte Gläser, entleerte die Nachttöpfe – der Kneipe war ein Etablissement für Liebesdienste angeschlossen –, bediente die Gäste, hackte Holz, versorgte die Ölfunzeln, kurz, er war das sogenannte Mädchen für alles.
Diese Kneipendienste waren die sichtbare Seite im Dasein des Monsieur Albert. Im Dunkel und unsichtbar jedoch blieb die Tätigkeit, die der „Bucklige“ als kleiner Fuchs ausübte. Schlicht gesagt war er der Verbindungsmann zwischen Lucio do Velhos spanischer Agentengruppe und den französischen Piraten unter Yves Grammont. Er war die Kontaktperson zwischen beiden Gruppen. Natürlich empfing er für diese Tätigkeit klingende Münze.
Das hatte bisher alles bestens geklappt – auch an diesem Tage, als er Yves Grammont mit ein paar von seinen Kerlen sowie deren Gefangenen Easton Terry zu dem Kellergewölbe der Burgruine in der Nähe von Quimper geführt hatte, wo sie von Lucio do Velho und seinen vier Begleitern erwartet worden waren.
Er hatte den „Treff“ hergestellt und war wieder in die Kneipe in Quimper zurückgekehrt.
Von da ab allerdings war alles schiefgelaufen. Eine Gruppe von Engländern in Begleitung Le Testus und des furchtbaren Korsen war am Abend in die Kneipe eingedrungen und hatte dort einen handfesten Tanz entfesselt. Und sehr schnell hatte sich herausgestellt, daß er, der „Bucklige“ von Quimper, das Ziel dieses rabiaten Besuchs gewesen war.
Sie hatten ihn in die Mangel genommen – oben, im Etablissement der Kneipe. Viel hatte nicht gefehlt, und sie hätten ihn mit seinem hölzernen Buckel verprügelt. Denn dieses Mal war ihm das bucklige Kunstwerk nicht nur verschoben worden, sondern es hatte sich bei der Beutelei von seinem Rücken gelöst, und da war es aus gewesen mit seiner Rolle als verwachsener Irrer.
Dieser schreckliche Korse – Montbars hieß er – hätte ihm fast den Hals umgedreht. Unter dem Druck dieser rauhen Behandlung hatte Albert alles gestanden und den Kerlen verraten, wo Yves Grammont, der englische Gefangene und die Spanier zu finden wären, nämlich in dem Kellergewölbe der Burgruine.
Albert war überzeugt, daß ihm dieser Verrat das Leben gerettet hatte. Die Engländer waren sofort aus der Kneipe verschwunden, als sie erfahren hatten, was sie wissen wollten.
Das Durcheinander, das sie zurückließen, war total. Der Wirt tobte, die Weiber kreischten, und die Liebhaber verlangten ihr Geld zurück. Die Kerle, die in der Kneipe gesessen und dort von den Engländern blutige Nasen und blaue Augen empfangen hatten, waren ebenfalls sauer und kündigten dem Wirt an, seinen Bums demnächst durch Nichtbesuch zu sabotieren. Schließlich gäbe es in Quimper ja auch andere Schenken, wo man nicht gleich zusammengedroschen würde.
Alles in allem wurde der Zorn von Liebhabern und Gästen auf den Wirt abgeladen, und der gab ihn an Albert weiter. Denn mit Recht hatte er den Buckligen als die Wurzel des Übels erkannt.
Albert wurde achtkantig gefeuert.
Er hatte sich oben im Obergeschoß kaum sein Holzdings wieder umgeschnallt und wankte noch ganz benebelt von der rauhen Behandlung die Treppe zum Schankraum hinunter, da geriet er vom Regen in die Traufe, weil ihn der erboste Wirt abfing.
„Du lausiger Mistkerl!“ wurde Albert angebrüllt. „Sieh dir an, was hier passiert ist! Ich bin ruiniert! Und warum das alles? Weil diese Kerle hinter dir her waren …“
„Aber ich bin unschuldig!“ jammerte Albert. „Ich kenne diese Kerle überhaupt nicht! Ich schwöre es. Noch nie hab’ ich die gesehen.“
„Aber sie kannten dich!“ brüllte der Wirt. „Sie haben ja nach dir gefragt! Da erbarmt man sich einer Mißgeburt wie dir und hat nichts als Scherereien. Was geht hier überhaupt vor? Was wollten die von dir, he? Hast du ihnen was geklaut, du verdammter Galgenstrick?“ Die Rechte des Wirts zuckte vor und krallte sich in Alberts schwarzen Umhang. „Kannst du mir mal verraten, wo du dich immer rumtreibst, wenn du dich von hier verdrückt hast? Heraus mit der Sprache!“ Und Albert wurde ein zweites Mal gebeutelt und durchgerüttelt, daß er um seinen Buckel bangen mußte.
„Ich bin unschuldig!“ zeterte Albert. „Gott ist mein Zeuge …“
„Der Teufel ist dein Zeuge!“ schrie der Wirt außer sich. „Ich will wissen, was hier gespielt wird, verdammt noch mal! Warum waren diese englischen Hundesöhne hinter dir her?“
Albert steckte mal wieder arg in der Klemme. In seinen Nöten verfiel er auf seinen alten billigen Trick, den Blödian zu markieren. In diesem Fall begann er, etwas irre zu kichern, kuhäugig dreinzuschauen und zu lallen.
Er lallte: „Oh-oh-oh! Da tauchen wieder die Nebel auf, in denen sich die Gespenster verbergen, die mit feuchten Fingern nach uns greifen und …“
Bei dem Wirt verfing das nicht mehr. Er unterbrach Alberts Gefasel über die Nebelgespenster mit einer schallenden Ohrfeige und schmetterte auch gleich noch eine Rückhand hinterher. Da er den Umhang losgelassen hatte, kreiselte Albert zur Tür.
Der Wirt benutzte die Gelegenheit und verpaßte Albert einen mächtigen Fußtritt in den Allerwertesten. Albert schoß durch die Tür nach draußen wie eine Rakete. Sein Glück war, daß sie offengestanden hatte. Die Tür war bei der Keilerei zuvor demoliert worden und hing nach draußen schief in den Angeln.
Albert sauste bäuchlings über die Katzenköpfe und schloß mit ihnen unliebsame Bekanntschaft. Den Abschluß seiner Reise bildete eine Kiste, in die er hineinkrachte. Sein Buckel verhinderte, daß er auch noch die Rückseite durchbrach. Als er seinen Kopf befreit und sich aufgerappelt hatte, stand der Wirt in der Tür.
„Laß dich hier nie wieder blicken, du Mißgeburt!“ brüllte er. „Hau ab! Verschwinde, du Strolch!“
„Aber Sie haben mir meinen Lohn für die letzte Woche noch nicht gezahlt!“ rief Albert wütend. „Das ist Betrug! Ausbeutung ist das!“
„Komm her, dann zahle ich dir deinen Lohn, du Ratte!“ schrie der Wirt und schwenkte eine Peitsche. „Hiermit zahl ich dich