Seewölfe - Piraten der Weltmeere 287. Davis J.Harbord
beugte sich vor und gestattete ihm einen recht ergiebigen Blick in den tiefen Ausschnitt ihrer Bluse.
„Albert“, sagte sie leise, „du planst, ihm den Schatz abzunehmen, stimmt’s?“
Er zuckte etwas zusammen. Konnte dieses hübsche, verführerische Weib Gedanken lesen? Ja, genau das plante er. Das Füchslein wollte sein eigenes Süppchen kochen. Wenn die großen Füchse sich stritten, mußte für die kleinen etwas abfallen. Außerdem konnte er dann jederzeit behaupten, er habe den Engländern schaden wollen. Das würde auch seinen Verrat in einem anderen Licht erscheinen lassen. Natürlich würde er dann von seiner Beute an Grammont und Lucio do Velho etwas abführen müssen, um seine Loyalität unter Beweis zu stellen. Aber er würde schon dafür sorgen, daß sein Anteil nicht zu knapp ausfiel. Es war eben nicht mehr dagewesen – basta!
Und Lucille? Die würde auch kassieren wollen. Er starrte in das Tal zwischen den beiden Hügeln, und seine Gedanken flatterten wie Schmetterlinge durcheinander. Er versuchte sich vorzustellen, wie sie bei Mondschein nackend um den Brunnen tanzte, und konnte nicht verhindern, daß seine Ohren rot wurden. Überhaupt: Als „Buckliger“ in der Kneipe hatte er sich als Neutrum verhalten müssen, aber er war ein Mann, und es war ihm in dem sündigen Etablissement keineswegs leicht gefallen, die Rolle der Keuschheit zu spielen.
„Du siehst süß aus mit den roten Ohren“, sagte Lucille schelmisch und drohte mit dem Finger. „Hast du ein bißchen an Liebe gedacht?“
Das Weib konnte tatsächlich Gedanken lesen. Allerdings vergaß Albert dabei, daß Lucille aufgrund ihres Gewerbes über ein gerüttelt Maß an Erfahrungen verfügte, um das Mienenspiel ihrer Liebhaber richtig zu deuten. Außerdem war sie sich ihrer Wirkung auf Männer auch bewußt. Sie brauchte nur dies oder das etwas zur Geltung zu bringen, und schon wurde der Köder geschluckt.
Auch Albert hing bereits am Angelhaken. Daß er vorhin zusammengezuckt war, als sie seinen Plan angedeutet hatte, war ihr ebenfalls nicht entgangen. Jetzt war sie fester denn je entschlossen, an dem großen Fischzug teilzunehmen.
Gurrend sagte sie: „Zuerst habe ich wegen deines Buckels Mitleid mit dir gehabt. Aber als ich wußte, daß er falsch war, habe ich dich bewundert. Du bist schon ein ganzer Kerl, daß du so etwas auf dich genommen hast. Das imponiert mir. Du hast dich hänseln und verspotten lassen und keine Miene dabei verzogen. Das soll dir mal einer nachmachen! Ich glaube, wir passen beide gut zusammen – auch in der Liebe!“
Das häßliche Gesicht Alberts wurde rot wie eine Tomate.
„Danke“, sagte er verlegen und trank hastig von seinem Wein. Er konnte sich nicht erinnern, jemals bewundert worden zu sein – und dann noch von einer so verführerischen Frau, die zwar eine Hure war, aber einen echten Mann zu erkennen wußte. Er war eben ein echter Mann. Jemand, der in die Rolle eines Buckligen schlüpfte, war etwas ganz Besonderes und nicht Alltägliches, jawohl, Lucille hatte das bestätigt.
Er stand auf, holte vom Tresen noch einen Becher und schenkte ihr von seinem Wein ein. Sie tranken sich zu – auf den Schatz, den sie sich aneignen wollten, auf die Liebe, die sie ihm versprochen hatte, auf die Zukunft, die sie meinten, rosig vor sich liegen zu sehen. Das Problem war nur, wie man sich des Schatzes bemächtigen sollte.
„Hast du schon einen Plan?“ fragte Lucille.
Ja, den hatte Albert. Er wollte in den anderen Kneipen – er kannte sich in Quimper bestens aus – etwa zwanzig wilde Kerle zusammentrommeln, mit ihnen das Schiff des Seewolfs überfallen und es ausplündern.
„Aber dann müssen wir mit diesen Kerlen teilen“, sagte Lucille.
Albert schüttelte den Kopf. „Wir müssen nicht. Das hängt ganz davon ab, wie geschickt wir uns verhalten. Wir könnten zum Beispiel vorher mit den Kerlen einen Festpreis vereinbaren. Für ein paar Münzen tun die alles. Wir sagen natürlich nichts von einem Schatz, sondern erklären, daß die Engländer mit zwei Schiffen hierher vorgedrungen seien, um ein Landeunternehmen vorzubereiten oder französische Handelsfahrer zu kapern – irgend so etwas, verstehst du?“
Lucille lächelte ihn an. „Ich wußte doch, daß du ein schlauer Fuchs bist.“
„Man muß nur an den richtigen Fäden ziehen“, sagte Albert etwas überheblich. Er fühlte sich sehr geschmeichelt, daß Lucille ihn einen schlauen Fuchs genannt hatte.
Allerdings – mit den „richtigen Fäden“, an denen er ziehen wollte, hatte er sich etwas zuviel zugemutet. Er würde nicht an den Fäden ziehen, sondern sich in sie verstricken.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.