Revierkampf. Frank Goldammer

Revierkampf - Frank Goldammer


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völlig regungslos dazusitzen und durch schmale Augenschlitze alles zu beobachten.

      »Was stellen wir jetzt damit an?«, fragte die Staatsanwältin ein wenig ungehalten. Tauner konnte sie sogar verstehen. Für sie, wie für ihn und alle anderen, schien der Fall abgeschlossen, noch ehe er begonnen hatte. Und nun kam plötzlich dieser schmale Mann, der seinen Verlust nicht verarbeiten konnte, und machte eine solche Aussage. Eine solche vage Aussage, mit der niemand etwas anfangen konnte, der nicht täglich mit den Tieren etwas zu tun hatte.

      Die Staatsanwältin legte die Unterarme auf den Tisch und sah Tauner fragend an. »Nun?«

      Tauner hob die Schultern. Ab und an dürften auch andere etwas entscheiden. Und einfach so dazusitzen und die Diekmann-Wachte zu betrachten, war auch ganz nett. Heute hatte sie sich für den Schneewittchen-Look entschieden. Ihre Haare waren seit einigen Monaten schwarz, wodurch ihr Gesicht fast weiß wirkte. Sie trug einen schwarzen Rock und eine weiße Bluse. Der knallrote Lippenstift hätte wohl an jeder anderen Frau ein wenig aufdringlich oder gar nuttig gewirkt, bei der Staatsanwältin war jedoch die Farbe ein gezielter Akzent mitten im schwarz-weißen Ensemble. Tauner fragte sich, in welches Fitnessstudio sie ging und ob die Männer dort ab zu etwas von dem sahen, was die Diekmann-Wachte unter ihrer Kleidung verbarg, in der Sauna vielleicht.

      »Wenn Sie fertig sind mit Starren, erzählen Sie mir, welchen Eindruck Sie von den Eltern der Toten haben«, meinte die Staatsanwältin. »Mich macht Ihre Aussage stutzig, die hätte das scheinbar gar nicht richtig interessiert.«

      Hätte er nur nichts davon gesagt, dachte Tauner und richtete sich in seinem Stuhl auf. »Der Flieger meinte, es gäbe da wohl einen Disput in der Familie, offenbar zieht der sich durch alle Generationen. Der Tod ihrer Tochter hat sie anscheinend nicht sehr getroffen.«

      »Wissen denn die Kinder von Frau Weigelt davon?«

      »Woher soll ich das denn wissen?«, fragte Tauner. Und was sollte die Frage, war er jetzt zum Boten für schlechte Neuigkeiten degradiert?

      »Sie waren doch bei den Eltern, haben Sie sich nicht mit denen unterhalten?« Diekmann-Wachte blickte ihn ehrlich an. Jeder andere Mensch hätte ihr das abgenommen, Tauner nicht, dazu kannte er die junge Frau zu gut. Der Lippenstift war bezeichnend für sie. Er verhieß das Paradies, entpuppte sich jedoch schnell als das Gegenteil, und zwar als Jüngstes Gericht.

      Tauner beschloss, es auf eine andere Weise zu probieren, anstatt direkt auf Konfrontationskurs zu gehen. »Die Ambach nahm an, der Zoodirektor hätte die Kinder der Weigelt informiert. Dem bin ich nicht weiter nachgegangen. Und bestimmt habe ich 20 andere Fragen vergessen. Morgen fahren wir noch einmal dahin!«

      Uhlmanns Stuhl drehte sich ihm ein paar Zentimeter zu, so weit, bis der Dicke seinem Kollegen aus dem Augenwinkel einen Blick zuwerfen konnte.

      »Ich sage Ihnen, was Sie beide morgen machen! Zuerst gehen Sie in den Zoo und führen ein paar Gespräche. Drohen Sie ruhig mit Vorladungen, falls jemand nicht dazu bereit ist. Versuchen Sie der Aussage auf den Grund zu gehen. Außerdem können Sie ein wenig Recherche betreiben, über Unfälle in Zoos. Sie haben nicht zufällig ein paar Zeugen vom Unfall aufgenommen?« Diese Frage ging an Tauner.

      Der schüttelte den Kopf. »Ich bin meinen Kindern nachgelaufen.«

      »Sind die nicht schon groß?«, fragte die Staatsanwältin.

      »Ja, sind sie, aber deshalb nicht weniger beleidigt, weil meine Arbeit mir wieder einmal wichtiger war.«

      »Das war ja nun wirklich akut, da hätten Sie nicht einfach untätig bleiben dürfen!«

      Tauner setzte ein Lächeln auf, eines, mit dem er eine seiner harmloseren Sarkasmen ankündigte. »Ich gebe Ihnen die Telefonnummer, dann können Sie es ihnen erklären.«

      Der Staatsanwältin schien die Ironie jedoch nicht zu bemerken. »Na immer her damit!«

      »Ach was, das war nur Spaß!« Tauner winkte ab und erhob sich. »Wir sind doch fertig für heute, oder?«

      »Nein, ich wollte Sie noch fragen, ob Sie heute Abend mit mir Essen gehen?«

      Uhlmann verschluckte sich fast an dem Gehörten, und Tauner wusste nicht, wie er die Frau ansehen sollte.

      »War nur Spaß!« Diekmann-Wachte schüttelte den Kopf über so viel Naivität. »Wenn Sie mit dem Zoobesuch fertig sind, würde ich Sie bitten, die Kinder der Verstorbenen aufzusuchen. Sollte es keine weiteren Auffälligkeiten geben, werde ich den Fall übermorgen abschließen und den Leichnam freigeben. Schönen Abend noch!«

      »Ich finde das nur fair!«, hatte Pia eine halbe Stunde später dazu zu sagen.

      »Fair? Wem oder was gegenüber?«, fragte Uhlmann. Was ihm jetzt zum Glück fehlte, war Ruhe und eine Flasche Bier, alles andere hatte sich auf morgen verschoben.

      Pia tat, als wäre es offensichtlich und die Frage völlig überflüssig. »Fair dem Affen gegenüber«, sagte sie, während sich Tauner Aktennotizen machte und fest entschlossen war, sich heute auf keinerlei Verbalgeplänkel einzulassen.

      »Dem ist das doch egal«, grunzte Uhlmann.

      »Er wird in der Presse als Mörder gehandelt. Hier!« Pia hob eine Boulevardzeitung in die Luft und klopfte auf das Titelblatt. ›Mörderaffe‹, stand da geschrieben. Tauner hatte schon schlechtere Schlagzeilen gelesen.

      Uhlmann ließ seinem Mund ein unflätiges Geräusch entweichen. »Na, wenn der Affe einer ist.«

      »Es ist kein Mord, der Mörderaffe ist immer noch ein Tier. Es war ein Unfall! Die Folge davon, dass er eingesperrt ist und schlecht behandelt wird. Bestimmt war es einfach eine Instinkthandlung und niemand hat das Recht, ihn als Mörder zu bezeichnen. Außerdem kommen jetzt jeden Tag ein paar Tausend Leute in den Zoo und starren ihn an und können es offenbar kaum erwarten, dass er noch jemanden umbringt. So ein Primat ist nicht einfach nur ein Tier, er hat Gefühle, er nimmt die Stimmung wahr, und bestimmt schlägt sich diese auf seinen Gemütszustand nieder. Das ist wie beim Menschen. Ein Mensch merkt es doch auch gleich, wenn niemand ihn leiden kann.«

      Uhlmann grinste breit. »Du widersprichst dich fast im selben Satz. Wenn er ein so sensibles Wesen ist und Gefühle hat wie ein Mensch, dann hat er vielleicht auch aus Mordlust gehandelt, auch ein sehr menschliches Gefühl.«

      Zum Glück hatte er das nicht gesagt, dachte Tauner.

      »Du bist genauso blöd wie du dick bist!«, fauchte Pia.

      »Ich hab schon sechs Kilo abgenommen!«, freute sich der Beleidigte ungerührt.

      Pia nahm ihre Tasche. »Tschüss«, sagte sie knapp und verschwand aus der Tür, die ein wenig lauter zufiel als nötig.

      Uhlmann drehte sich zu Tauner. »Ich habe geschwindelt, es sind nur zwei!«

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