Nachhaltig Geld anlegen. Wolfgang Mulke
den Umgang mit Stakeholdern oder die Vermeidung von negativen Folgen durch die Arbeit der Firma. Dahinter steht die Überzeugung, dass sich verantwortliches Verhalten auch wirtschaftlich langfristig lohnt, etwa durch zufriedene Beschäftigte oder stabile Kundenbeziehungen.
Nun stellen sich natürlich zwei Fragen: Nach welchen Standards wird das ethischökologische Verhalten eines Unternehmens gemessen? Und wer nimmt die Bewertung vor?
Tatsächlich gibt es bisher noch keinen einheitlichen Standard für die Nachhaltigkeit eines bestimmten Unternehmens. Damit bleiben auch die ESG-Kriterien zunächst einmal sehr allgemein. Denn was genau bedeutet „umweltverträgliche Produktion“? Ohne verbindliche Maßstäbe, die einen Vergleich der einzelnen Unternehmen einer Branche ermöglichen, ist eine Einordnung und Bewertung schließlich nicht möglich.
Die EU setzt ESG-Standards
Bald wird es zumindest innerhalb der Europäischen Union eine einheitliche Definition nachhaltiger Investments geben. Darauf hat sich die EU-Kommission verständigt. Und auch das Europäische Parlament hat der Verordnung zugestimmt. Sechs Umweltziele sind damit verbunden: Investments sollen beim Klimaschutz helfen, sie sollen einen Beitrag zur Vermeidung von Treibhausgasen leisten, die nachhaltige Nutzung und den Schutz von Meeresressourcen ermöglichen, den Übergang in eine Kreislaufwirtschaft unterstützen, die Umweltverschmutzung vermindern und die biologische Vielfalt der Ökosysteme schützen und wiederherstellen.
Damit stellt die EU-Kommission Verbrauchern und professionellen Investoren eine Orientierungshilfe für den unübersichtlichen Markt zur Verfügung. Lange stritten die Mitgliedsländer über Details wie die Bewertung von Atomkraft und Gaskraftwerken. Am Ende zäher Verhandlungen steht aber nun die sogenannte EU-Taxonomie, also eine Einteilung der Investments in verschiedene Güteklassen. Drei davon wird es geben.
Unter „Grün“ werden jene wirtschaftlichen Tätigkeiten eingeordnet, die für einen geringeren CO2-Ausstoß sorgen. Dazu zählen etwa die Solarindustrie, die Aufforstung von Wäldern oder grüne emissionsarme Mobilitätsangebote.
Die Klassifizierung „Transition“, also Übergang, steht für Aktivitäten, die im Vergleich zum Branchendurchschnitt und zur gesamten Industrie weniger Treibhausgase erzeugen.
Schließlich gibt es die Klasse „Enabling“, zu Deutsch: ermöglichen. Darin sind jene Investments enthalten, die es anderen Marktteilnehmern ermöglichen, CO2 einzusparen.
Die EU-Kommission wird damit nicht zu einer staatlichen Ratingagentur. Vielmehr müssen zunächst große Unternehmen, nach und nach dann auch mittlere und kleine Firmen neue Berichtspflichten erfüllen. Auf gut Deutsch: Die Wirtschaft muss zeigen, was sie für den Klimaschutz tut und wie diese Maßnahmen wirken.
Seit Anfang 2021 gilt der inhaltliche Rahmen für das grüne Ziel. Konkrete Kriterien für die anderen fünf müssen bis Ende 2021 vorgelegt werden. Das alles ist ein Bestandteil des „Green Deal“, mit dem Europa bis 2050 klimaneutral werden will, und erfordert riesige Investitionen in neue klimaschützende Technologien, in die Infrastruktur, aber auch in den sozialen Zusammenhalt. In diese Felder fließt nach Ansicht der EU-Kommission zu wenig Kapital von Privatanlegern und Investoren, auch weil ESG-Angebote nicht transparent genug sind.
Nachhaltigkeits-Ratingagenturen
Die Bewertung von Nachhaltigkeit ist schwierig, weil einerseits einheitliche Definitionen fehlen, andererseits sehr verschiedene Wertmaßstäbe zur Geltung kommen. Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von Ratingagenturen, die sich darauf spezialisiert haben, die Nachhaltigkeit von Unternehmen zu bewerten.
Diese Ratingagenturen arbeiten oft im Auftrag von Fondsgesellschaften oder den Herausgebern von Nachhaltigkeitsindizes. Sie helfen den Fondsmanagern, die ja eher Finanzmarktexperten sind, bei der Einschätzung der Unternehmen, deren Aktien für ihren Fonds in Frage kommen. Jede Ratingagentur führt den Nachhaltigkeitscheck anhand eigener Kriterien durch. Dabei kommt leicht ein Katalog mit einer dreistelligen Zahl an überprüften Faktoren zusammen.
Wie viel CO2 stößt die Produktion eines Industriekonzerns aus? Was ist über dessen Lieferketten bekannt? Wie hoch ist der Frauenanteil in der Führungsebene? Wie geht das Unternehmen mit Gewerkschaften um? Die Liste der untersuchten Aspekte ließe sich mit vielen anderen Beispielen fortführen. Eine Stärke der Ratings ist, dass die Agenturen ihre Informationen nicht nur vom Unternehmen selbst, sondern auch aus anderen, öffentlich zugänglichen Quellen beziehen. So werten sie etwa Medienberichte aus oder verfolgen die Berichte von Nichtregierungsorganisationen wie der Internationalen Arbeitsorganisation.
Abschalten
Konventionelle Kraftwerke oder Atommeiler gehören auf lange Sicht der Vergangenheit an. Anleger und Anlegerinnen wollen erneuerbare Energien.
Was für Anleger manchmal nicht so leicht nachvollziehbar ist: Die Ratings für einzelne Unternehmen fallen oft unterschiedlich aus, weil die Agenturen nicht die gleichen Bewertungsansätze verfolgen. Die Differenzen resultieren aus der jeweiligen Gewichtung einzelner Kriterien. So kommt beispielsweise bei der Analyse des gleichen Konzerns bei einer Agentur, die vor allem ökologische Faktoren hoch einschätzt, ein anderes Ergebnis heraus als bei einer Agentur, die soziale und ökologische Kriterien in gleicher Weise gewichtet. Das jeweilige Ergebnis beeinflusst die Investitionsentscheidung von Fonds oder auch die Zusammensetzung von Nachhaltigkeitsindizes. Ein Beispiel dafür ist die Bewertung des Sportartikelherstellers Nike. Der Fonds Steyler Fair Invest hat den Konzern aufgrund seiner Stärken im Klimaschutz und des Managements der Lieferketten in sein Portfolio aufgenommen. Dagegen fand Nike keine Aufnahme in den MSCI-Index, weil dessen Analysten soziale Aspekte der Geschäftspolitik kritisieren.
Auf diese Namen sollten Sie achten
Die Oekom Research AG, die seit 2018 zur Gruppe der Beraterfirma ISS gehört, wurde schon 1993 gegründet und gilt als eine der führenden Ratingagenturen auf ihrem Gebiet. Bewertet werden nicht nur Unternehmen, sondern auch Staaten. In Deutschland war Oekom in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts Pionier in Sachen Nachhaltigkeitsbewertungen.
Sustainalytics ist eine global operierende ethisch-ökologische Ratingagentur mit Sitz in Amsterdam. Das Unternehmen ist aus dem Zusammenschluss mehrerer kleiner und größerer Nachhaltigkeits-Ratingagenturen hervorgegangen. In die Unternehmensbewertung fließen bei Sustainalytics mehr als 100 Kriterien ein.
SAM Group Holding aus der Schweiz ist der „Erfinder“ eines der wichtigsten Nachhaltigkeitsindizes: Das Unternehmen hat den Dow Jones Sustainability Index entwickelt.
Die Schweizer Inrate AG befasst sich mit der Bewertung von Unternehmen, Ländern oder Immobilien nach ESG-Standards. Ein wesentlicher Geschäftszweig sind Impact-Ratings. Hier untersucht Inrate von der Produktion von Vorprodukten über die Lieferketten, die eigentliche Herstellung der Waren und Güter bis hin zur Entsorgung die Auswirkungen der Tätigkeit des Unternehmens auf Umwelt und Gesellschaft.
Die RepRisk AG mit Sitz in Zürich untersucht Unternehmen im Auftrag zum Beispiel von Fondsgesellschaften hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeitsrisiken. Nach eigenen Angaben nutzt die Agentur dafür ausschließlich Quellen außerhalb des betreffenden Unternehmens und überprüft täglich mit Hilfe künstlicher Intelligenz über 80 000 Quellen, darunter Zeitungen und Onlinemedien, soziale Netzwerke oder Blogs. Auch die Webseiten von Organisationen, Aufsichtsbehörden oder Regierungen werden gecheckt. Auf diese Weise gewonnene Informationen zu etwaigen Nachhaltigkeitsrisiken werden anschließend von Analysten des Unternehmens gesichtet. So sollen Risiken einzelner Unternehmen früh identifiziert werden.
Das Institut für Markt-Umwelt-Gesellschaft (Imug) entstand 1992 als Ausgründung der Universität Hannover. Neben einer an Nachhaltigkeit orientierten Marktforschung für Unternehmen erstellt das Imug auch ESG-Ratings von Unternehmen oder Staaten als Beratungsleistung für Investoren.
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