Big Ideas. Das Film-Buch. John Farndon
Zauberspiegel diese »die Schönste im ganzen Land« nennt. Der Film wurde die Vorlage für die Disney-Filme der nächsten 80 Jahre, von Aschenputtel bis Die Eiskönigin.
Spiel mit der Gefahr
Eine der größten Herausforderungen bei Kinderfilmen ist es, das Material dem Publikum angemessen zu präsentieren und gleichzeitig Spannung zu erzeugen. Schneewittchen versetzt seine jungen Zuschauer absichtlich in Angst, angefangen mit der Szene, in der Schneewittchen im Wald Panik bekommt, als die Bäume lebendig werden, bis zu den Momenten, in denen die böse Königin den Tod des Mädchens plant. Als der Prinz die Heldin mit einem Kuss weckt, ist das Böse besiegt und die Angst gebannt. Disney weiß, dass das »Happy End« ohne einen echten Konflikt zuvor niemals eine entsprechende Wirkung entfalten würde.
Ebenfalls sehenswert: Fantasia (1940)
ICH HABE DAS GEFÜHL, WIR BEFINDEN UNS NICHT MEHR IN KANSAS
DER ZAUBERER VON OZ / 1939
IM KONTEXT
GENRE
Musical, Abenteuerfilm
REGIE
Victor Fleming
DREHBUCH
Noel Langley, Florence Ryerson, Edgar Allan Woolf (Drehbuch); L. Frank Baum (Roman)
STARS
Judy Garland, Frank Morgan, Ray Bolger, Bert Lahr, Jack Haley, Margaret Hamilton
FRÜHER
1938 Garland tritt neben Mickey Rooney in Love Finds Andy Hardy auf.
SPÄTER
1939 Nur Monate nach Der Zauberer von Oz erscheint Flemings Vom Winde verweht.
1954 Erstmals nach vier Jahren tritt Garland in dem Musical-Hit Ein neuer Stern am Himmel erneut in einem Film auf.
Zahlreiche Filme aus der klassischen Hollywood-Ära sind heute vergessen. Andere bleiben bei Kritikern hoch angesehen, während das moderne Publikum nicht mehr viel mit ihnen anfangen kann. Daneben gibt es Filme wie Victor Flemings Der Zauberer von Oz, der nicht nur die Zeiten überdauert hat, sondern die Menschen bis heute unterhält. Jede Generation begeistert sich neu für den Film, der in das Kulturgut der Menschheit eingegangen ist. Selbst wer ihn noch nie gesehen hat, kann bei »Somewhere over the Rainbow« mitsingen und versteht die Anspielung, wenn jemand die Hacken zusammenschlägt und sagt: »Am schönsten ist es zu Hause«. Der Zauberer von Oz, heute über 70 Jahre alt, gehört zu den Wegbereitern des modernen Kinos.
Kritiker haben Motive und Charaktere in Der Zauberer von Oz als Symbole für politische und wirtschaftliche Themen der USA gedeutet.
Wunderbares Spektakel
Der Film erzählt, wie das Mädchen Dorothy (gespielt von der 17-jährigen Judy Garland), das auf einer Farm in Kansas lebt, in das Auge eines eindrucksvollen Wirbelsturms gerät und in das Land von Oz getragen wird. Hier begibt sie sich in Begleitung eines bunten Trios – einer Vogelscheuche, eines Blechmanns und eines Feigen Löwen – auf den Ziegelsteinweg und versucht, die Böse Hexe des Westens nicht auf sich aufmerksam zu machen. Ihr Ziel ist die Smaragdstadt, wo der geheimnisvolle Zauberer von Oz lebt. Die Geschichte ist weithin bekannt, aber was den Zauberer von Oz auszeichnet, ist weniger das »Was« als das »Wie«. Der Film steht im Dienst des großen Spektakels: Jedes einzelne Bild lotet die Grenzen des noch jungen Mediums aus.
»Mit zwei Jahren sah ich mir den Film jeden Tag an. Es fiel mir schwer, zu verstehen, dass ich nicht in den Film hinein konnte, denn er fühlte sich für mich so real an.«
Zooey Deschanel im Dokumentarfilm These Amazing Shadows, 2011
Als Dorothy in Oz ankommt, öffnet sie ihre Augen in einer blassen, sepiagefärbten Schwarz-Weiß-Welt und die unausgereifte Filmtechnik lässt den Film knacken und krachen. Doch als sie die Tür öffnet und nach draußen tritt, wird der Zuschauer vom Anblick von Oz in Technicolor überwältigt. Als der Film 1939 herauskam, sahen viele Zuschauer in diesem Moment erstmals Film in Farbe. Regisseur Fleming war sich dieser Tatsache voll bewusst. Er nimmt sich Zeit, den extravaganten Set des Landes der Munchkins mit der Kamera zu erkunden, sodass eine Welle halluzinatorischer Farben aus allen Winkeln auf den Betrachter einstürzt. Anschließend folgen Spezialeffekte, eine Musiknummer mit Hunderten Schauspielern und ein Showdown mit der Antagonistin, der Bösen Hexe des Westens (die Szenen- und Kostümbildner waren aufgefordert, so viele Farben wie möglich zu nutzen, um das Technicolor-Format voll auszuschöpfen). Währenddessen gewöhnen sich die Zuschauer daran, erstmals Farbe zu sehen. Dieser Film verfolgt den Ansatz, »wenn weniger mehr ist, wie viel mehr muss mehr dann sein?«, und überwältigt mit einer Produktion, die keine Kosten scheute. In dieser Hinsicht ist dieser Film ein Vorreiter des modernen Blockbusters, mit Musiknummern statt Action.
Minute für Minute
00:11
Dorothy rennt von ihrem Zuhause in Kansas fort, um ihren Hund Toto vor der Nachbarin Miss Gulch zu retten. Der Wahrsager Professor Marvel überredet sie zurückzukehren.
00:19
Das Haus schlägt in Oz auf und tötet die Böse Hexe des Ostens, was von den Munchkins gefeiert wird. Die Böse Hexe des Westens schwört Rache.
00:58
Die Freunde erreichen die Smaragdstadt, wo der Zauberer verspricht, ihre Wünsche zu erfüllen, wenn sie ihm den Besen der Bösen Hexe bringen.
01:21
Toto führt die Freunde zur Burg, wo die Hexe sie gefangen nimmt und die Vogelscheuche anzündet. Dorothy begießt sie mit Wasser und bringt dabei die Hexe zum Schmelzen.
00:17
Ein starker Wirbelsturm hebt Dorothys Farmhaus in die Lüfte. Miss Gulch wird auf ihrem Fahrrad in eine Hexe auf einem Besenstiel verwandelt.
00:34
Dorothy freundet sich auf dem gelben Ziegelsteinweg erst mit der Vogelscheuche, dann mit dem Blechmann und später mit dem Feigen Löwen an.
01:14
In ihrer Kristallkugel beobachtet die Hexe, wie die Freunde den verwunschenen Wald betreten. Sie schickt geflügelte Affen, die Dorothy entführen.