Big Ideas. Das Feminismus-Buch. Ann Kramer
Hygiene, Gesundheitspflege, Familienplanung und Frauenwahlrecht ein. Im Alter zog sie sich an die Küste nach Hastings zurück, wo sie 1910 nach einem Schlaganfall starb.
Hauptwerke
1856 An Appeal in Behalf of the Medical Education of Women 1860 Medicine as a Profession for Women 1895 Pioneer Work in Opening the Medical Profession to Women
DIE MENSCHEN BILLIGEN BEIM MANN, WAS BEI DER FRAU SCHARF VERURTEILT WIRD
SEXUELLE DOPPELMORAL
IM KONTEXT
ZITAT IN DER ÜBERSCHRIFT
Josephine Butler, 1879
SCHLÜSSELFIGUR
Josephine Butler
FRÜHER
1738–1739 Essays der schwedischen Autorin Margareta Momma zeigen die Benachteiligung der Frau in der Ehe auf.
1792 Die britische Feministin Mary Wollstonecraft setzt die Ehe in Die Verteidigung der Frauenrechte mit legaler Prostitution gleich.
SPÄTER
1886 England hebt die Contagious Diseases Acts auf, das die Zwangsuntersuchung Prostituierter erlaubte.
1918 Schweden schafft das Lex Veneris, die staatliche Kontrolle der Prostitution ab.
2003 Neuseeland entkriminalisiert als erstes Land die Sexarbeit und gewährt Sexarbeiterinnen Schutz und Rechte.
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts hinterfragten Feministinnen in Großbritannien und Schweden eine Doppelmoral, die für sie inakzeptabel wurde: Die Gesellschaft billigte beim Mann sexuelle Aktivität und Promiskuität, während die Frau bis zu ihrer Heirat rein und jungfräulich sein sollte. Damit einher ging eine höchst zwiespältige Einstellung zur Prostitution. Prostituierte galten als »soziales Übel«, dem eine respektable Frau aus dem Weg zu gehen hatte, aber auch als unvermeidlicher und wichtiger Teil der unkontrollierbaren männlichen Sexualität. Zunehmend wiesen Feministinnen darauf hin, wie diese Doppelmoral Frauen in »gute Gattinnen« und »schlechte« Frauen einteilte und Männern ermöglichte, alle Frauen zu unterdrücken.
Eine französische Prostituierte posiert um die Wende zum 20. Jahrhundert auf einem Foto. Zu Zeiten des Ersten Weltkrieges gab es allein in Paris schätzungsweise offiziell 5000 und inoffiziell 70 000 Prostituierte.
Strafgesetze
Im 19. Jahrhundert führte schnelles Bevölkerungswachstum in Europa zu einer dramatischen Ausbreitung von Geschlechtskrankheiten, vor allem der Syphilis. Panik brach aus. Besonders in Großstädten wie London, wo laut einem Bericht von 1835 rund 80 000 Frauen als Prostituierte arbeiteten, beschuldigten die Behörden Prostituierte, diese Krankheiten zu verbreiten.
Strafgesetze wurden erlassen, angeblich, um die Verbreitung von Krankheiten zu verhindern. In Schweden mussten sich alle Prostituierten ab 1859 in einer Behörde anmelden und wöchentlich untersuchen lassen. In England bestimmten die von 1864 bis 1867 erlassenen Contagious Diseases Acts, dass eine Frau, die im Verdacht stand, »gemeine« Prostituierte zu sein, festgenommen und zwangsuntersucht werden konnte. Weigerte sie sich, konnte sie inhaftiert werden, bestand eine Infektion, konnte sie bis zu drei Monate in ein Krankenhaus gesperrt werden.
Widerspruch wagen
1869 gründete die britische Feministin Josephine Butler die Ladies’ National Association (LNA), um gegen diese Gesetze vorzugehen. Ihr Argument war einfach: Die Gesetze seien ungerecht und offenbarten die sexuelle Doppelmoral. Sie bestraften die Opfer (Frauen) der männlichen Ausbeutung und ließen die Täter (Männer) ungestraft. Butler hob auch die Klassenungerechtigkeit hervor, da das Gesetz Männer der Ober- und Mittelschicht schützte und gegen Frauen der Arbeiterklasse vorging. Die Gesetze machten Prostituierte zu einer »Sklavenklasse«, die Männern Vergnügen verschaffen sollten.
Nach dem Vorbild der LNA entstand 1879 in Stockholm die Svenska Federationen (Schwedische Föderation). Mit öffentlichen Veranstaltungen und ihrer Zeitung Sedlighetsvännen (Freund der Tugend) protestierte sie gegen die Frauen stigmatisierende Regulierung von Sexarbeit. Die kulturelle Debatte über Sexualmoral ergriff in den 1880er-Jahren ganz Skandinavien, angeführt von Schriftstellern wie dem Norweger Henrik Ibsen und dem Schweden August Strindberg. Letzterer wurde 1884 wegen Blasphemie angeklagt, nachdem er in seinen Erzählungen Heiraten Frauen und Männer als ebenbürtig dargestellt hatte.
»Wir entkommen den Männern niemals, bis wir sterben.«
Worte einer Prostituierten The Shield (Mai 1870)
Sichere Zukunft
Die LNA und die Schwedische Föderation brauchten Mut, um die sexuelle Doppelmoral und die Ausbeutung der Prostituierten in einer Zeit anzuklagen, in der solche Themen für respektable Frauen »tabu« waren. Die LNA wies auch auf wichtige Zusammenhänge zwischen Prostitution und ökonomischen Bedingungen hin. Dies wurde in den 1970er-Jahren wieder Thema, als sich Prostituierte in Großbritannien, Frankreich und den USA allmählich organisierten und verlangten, als Sexarbeiterinnen anerkannt zu werden.
Nora oder Ein Puppenheim
Nora erklärt ihrem schockierten Ehemann Helmer auf diesem Druck aus einer französischen Reihe (um 1900), warum sie ihn verlassen will.
1879 feierte das Theaterstück Nora oder Ein Puppenheim des norwegischen Autors Henrik Ibsen im Königlichen Theater in Kopenhagen Premiere. Das in einer zeitgenössischen Stadt spielende Stück thematisiert über die Hauptfiguren die sexuelle Doppelmoral, die einer scheinbar glücklichen Ehe der Mittelschicht zugrunde liegt. Nora, deren anfängliche Kindlichkeit einer zunehmenden Nachdenklichkeit weicht, weigert sich schließlich, die untergeordnete und gehorsame Gattin – die »Puppe« – zu spielen. In einem aufwühlenden Ende verlässt sie Mann und Kinder und schlägt die Tür hinter sich zu.
Das Drama gab Ibsens Überzeugung Ausdruck, eine Frau könne nicht sie selbst sein, solange Männer die gesellschaftlichen Regeln bestimmten und durchsetzten – zu seiner Zeit ein Skandal. Da es das ungleiche Verhältnis zwischen Mann und Frau realistisch zeigte, gilt das Stück heute als klassisches Gesellschaftsdrama.
KIRCHE UND STAAT SETZEN DEN MANN DURCH EIN GOTTESRECHT ÜBER DIE FRAU
INSTITUTIONEN ALS UNTERDRÜCKER
IM KONTEXT
ZITAT IN DER ÜBERSCHRIFT
Matilda Joslyn Gage, 1893
SCHLÜSSELFIGUR
Matilda Joslyn Gage
FRÜHER
1777