Big Ideas. Das Feminismus-Buch. Ann Kramer
Caroline Norton, Barbara Leigh Smith Bodichon
FRÜHER
1736 Sir Matthew Hale schreibt in History of the Pleas of the Crown, dass ein Ehemann nicht für Vergewaltigung seiner Frau belangt werden kann, da sie sich ihm gegeben hat.
1765 William Blackstone legt in einem Kommentar zu den Gesetzen Englands die Prinzipien für die Ehefrau dar.
SPÄTER
1923 Britische Frauen erhalten durch den Matrimonial Causes Act dasselbe Recht auf Scheidung wie Männer.
1964 Der Married Women’s Property Act erlaubt Frauen, die Hälfte von erspartem Haushaltsgeld zu behalten.
Im 19. Jahrhundert war die Ehefrau in England und den USA rechtlich gesehen Eigentum ihres Mannes. Diesen untergeordneten »Ehestand der Frau« hatte es gegeben, seit die Normannen im 11. Jahrhundert England erobert hatten. Um 1850 begannen zwei Frauen, Caroline Norton und Barbara Leigh Smith Bodichon, das Gesetz zu bekämpfen.
Das Gesetz über den Ehestand der Frau forderte, dass alle Rechte und der Besitz einer Frau mit der Heirat auf ihren Mann übergehen: Besitz, Geld, persönliche Habe sowie ihr Erbe.
Gesetzlicher Status
Im Rahmen des Ehegesetzes konnte ein Mann seine Frau körperlich »disziplinieren« und sie einsperren, um dafür zu sorgen, dass sie seine häuslichen und sexuellen Bedürfnisse erfüllte. Nur der Vater war Vormund der gemeinsamen Kinder, er konnte sie bestrafen, ihrer Mutter wegnehmen und jemand anderem in Obhut geben. Ein Mann hatte auch das Recht auf den Besitz seiner Frau. Mit der Heirat wurde das Paar vor dem Gesetz zu einer Person, und die Frau verlor all ihre Rechte, die sie vor der Ehe hatte. Ihr Ehemann wurde verantwortlich für ihr Handeln, sie lebte unter seinem Schutz.
Die reichsten Familien sorgten durch ein Ausgleichsgesetz dafür, dass ihre Frauen ihr Kapital behielten. Voreheliche Vereinbarungen stellten sicher, dass das Kapital der Frau für die Dauer der Ehe in einem Treuhandfond verwahrt wurde und alle Zinsen ihr gehörten. Doch ein solches Arrangement war teuer und stand nur den sehr Begüterten offen.
Für eine Scheidung waren ein privater Parlamentsbeschluss und drei getrennte Gerichtsverfahren erforderlich, weshalb sie unüblich waren. Nur drei Frauen erwirkten zwischen 1765 und 1857 die Scheidung. Als Gründe wurden nur brutale Grausamkeit, Inzest oder Bigamie anerkannt. Eine rechtliche Trennung war möglich, aber teuer. Auch wenn sich ein Paar trennte, gehörte der gesamte Verdienst der Frau ihrem Mann, obwohl er sie theoretisch finanziell weiter unterstützen musste. Ein Ehemann konnte auch Männer, die er einer sexuellen Beziehung oder eines »kriminellen Verhältnisses« mit seiner Frau verdächtigte, verklagen.
Grausamkeit in der Ehe
Erstmals wurde dieses Ehegesetz von Caroline Norton angegriffen, einer Frau aus der oberen Mittelschicht mit vielen Kontakten in Politik, Kunst und Gesellschaft, die als Autorin und Herausgeberin einer Zeitschrift Geld verdiente. 1835 schlug ihr Mann George Norton sie so brutal, dass sie eine Fehlgeburt erlitt und zu ihrer Mutter floh. Bei ihrer Rückkehr stellte sie fest, dass ihr Mann die Ehe beendet hatte, ihr den Zutritt zum Haus verwehrte und ihre drei Söhne, deren jüngster erst zwei Jahre alt war, weggebracht hatte. Er verklagte den Premierminister Lord Melbourne wegen eines »kriminellen Verhältnisses« zu seiner Frau. Das Gericht befand Melbourne zwar für unschuldig, doch Carolines Ruf war ruiniert. Ihr Mann schickte die Kinder zu Verwandten und erlaubte ihnen kaum Kontakt zu ihrer Mutter. Sechs Jahre später starb der jüngste Sohn durch einen Unfall, was Caroline auf Vernachlässigung zurückführte.
Caroline blieb von ihrem Mann finanziell abhängig. Er nahm ihr ganzes Geld, verdientes wie ererbtes, und der Unterhalt, den er ihr bezahlen musste, blieb oft aus. In gesellschaftlichen Kreisen galt ihre Situation als große Ungerechtigkeit.
Caroline Norton, Sozialreformerin und Schriftstellerin, kämpfte Mitte des 19. Jahrhunderts für den Schutz von Frauen, nachdem sie unter ihrem gewalttätigen Ehemann gelitten hatte.
Schutz für Frauen
1837 wurde Caroline Norton für eine Änderung des Vormundschaftsgesetzes aktiv und forderte für nicht ehebrüchige Frauen die Vormundschaft für Kinder unter sieben Jahren und Zugang zu älteren Kindern. Sie schrieb polemische Pamphlete, die sie privat in Umlauf brachte und in denen sie darauf hinwies, dass eine Frau die Vormundschaft nicht einklagen könne, weil sie rechtlich nicht existierte. Der Parlamentarier Thomas Talfourd erklärte sich bereit, einen Gesetzentwurf einzubringen, doch das Oberhaus lehnte ihn mit zwei Stimmen Mehrheit ab. Caroline Norton reagierte 1839 mit einem Pamphlet, in dem sie um Unterstützung bat und das sie an jeden Abgeordneten schickte. Das führte zum Erlass des Custody of Infants Act im selben Jahr – zu spät für Norton, da ihr Mann ihre Kinder bereits nach Schottland gebracht hatte, wo das Gesetz nicht galt.
1854 trat Norton mit English Laws for Women für Reformen ein. Ein weiteres Pamphlet aus demselben Jahr, A Letter to the Queen on Lord Chancellor Cranworth’s Marriage and Divorce Bill, führte die Ungerechtigkeiten auf, die sie durch ihren Mann und das Rechtssystem erlitten hatte. Sie verglich die Situation gewöhnlicher Frauen mit der von Königin Victoria, die von allen respektiert wurde. Norton erklärte, dass Cranworths Scheidungsgesetz von 1854 die Rechte der Frau zu wenig berücksichtigte.
In all ihren Schriften warb Norton eher für Verständnis und Schutz als für Gleichstellung, die sie »absurd« nannte. Sie vertrat die vorherrschende Sicht der Zeit: dass Männer die »heilige Pflicht« hätten, die Frauen zu beschützen.
Die Victoria Press druckte Englands erste feministische Zeitung The English Women’s Journal. Emily Faithfull hatte sie 1860 gegründet, um für Frauen das Recht auf Arbeit zu fordern.
Ladies of Langham Place
English Laws for Women regte die Frauenrechtlerin Barbara Leigh Smith Bodichon an, Bildung für Mädchen zu fordern. 1854 schrieb sie A Brief Summary in Plain Language of the most Important Laws concerning women. Im Gegensatz zu Norton war sie nicht polemisch, sondern beschrieb, wie sich verschiedene Gesetze für Frauen auswirkten. Sie zeigte auf, welche Rechte Frauen nicht hatten.
In den späten 1850er-Jahren unterstützte Leigh Smith die Gründung der Ladies of Langham Place, der ersten feministischen Vereinigung Großbritanniens. Ihre gebildeten Mitglieder aus der Mittelschicht verfassten Petitionen zur Reformierung der Rechte verheirateter Frauen. 1856 wurden dem Unterhaus Petitionen mit über 26 000 Unterschriften, auch denen der Schriftstellerinnen Elizabeth Gaskell und Elizabeth Barrett Browning, vorgelegt. Zum Teil dank Nortons und Leigh Smiths Lobbyarbeit trat 1857 der Matrimonial Causes Act in Kraft. Dies führte zur Gründung des ersten britischen Scheidungsgerichts, was einen ersten Schritt zur Abschaffung des alten Ehegesetzes darstellte. Doch hatten Frauen weiterhin kein Recht auf Besitz.
Leigh Smiths Buch Women and Work von 1857 argumentiert, die wirtschaftliche Abhängigkeit der Frau von ihrem Mann sei herabwürdigend. Sie solle frei sein, ihr eigenes Geld zu verdienen. Zusammen mit ihrer Freundin Bessie Rayner Parkes gründete Leigh Smith The English Woman’s Journal. Von 1858 bis 1864 setzte es sich für eine bessere Bildung für Frauen ein, was sie zu besseren Ehefrauen, Müttern und Gouvernanten machen und ihnen ermöglichen würde, durch Arbeit unabhängig zu sein.
1859 zogen die Ladies an den Langham Place 19, zum Londoner