Drei Historische Liebesromane: Das 1500 Seiten Roman-Paket Sommer 2021. Alfred Bekker

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Die Erleichterung von Babrak und seinen Männern schien ihr verfrüht zu sein.

      Ihr Vater schien genau denselben Gedanken zu hegen.

      „Sie reden ihr Glück herbei, noch ehe sie es in den Händen halten“, erkannte Meister Wang. „Aber was auch immer geschehen mag, wir werden versuchen, es zu unserem Besten zu nutzen.“

      ––––––––

      Es war eine eiskalte Nacht und Li vertrieb sich die innere Unruhe, indem sie die griechischen und lateinischen Wörter wiederholte, die sie zuletzt von Bruder Anastasius gelernt hatte.

      Dann schlief sie schließlich ein, denn sie war von den Strapazen der zurückliegenden Zeit sehr erschöpft. Aber ihr Schlaf war äußerst unruhig, so als würde irgendeine innere Stimme sie ständig davon abhalten wollen, sich zu sehr dem traumlosen Nichts hinzugeben.

      Geräusche weckten sie dann aus ihrem leichten Schlaf. Schritte, dann Schreie, das Röcheln sterbender, vermischt mit den durchdringenden Lauten, die störrische Trampeltiere ausstoßen konnten.

      Li schnellte hoch. Das Feuer prasselte noch. Sie hatten diesmal mehr und vor allem besseres Brennholz zur Verfügung gehabt, deswegen war es nicht schon längst niedergebrannt.

      Und so fühlte Li sich auch nicht ganz so klamm und steif wie sonst, wenn sie am Morgen aufstand, um einen weiteren Tag in endloser Wanderschaft zu erwarten.

      Aber vielleicht war es gerade das helle Feuer, das der Karawane zum Verhängnis geworden war.

      Im Schein der Fackeln sah Li schwer bewaffnete Krieger. Die Helme hatten einen Nasenschutz, der ihrem Antlitz alles Menschliche nahm. Aber viele von ihnen trugen Bärte, deren Farbgebung jener erschreckend ähnlich war, die der Gürtel der Nomadin gehabt hatte.

      Mit Schwertern und Streitäxten fielen sie über Babrak den Feilscher und seine Männer her. Babrak kam noch nicht einmal mehr dazu, seine Decke zur Seite zu schlagen und nach seinem gebogenen Schwert zu greifen, da hatte ihm bereits einer der Angreifer den Schädel mit seiner Streitaxt gespalten.

      Stimmen riefen in einer Sprache durcheinander, die Li noch nie zuvor gehört hatte und die auch weder Griechisch noch Latein oder irgendein verwandter Dialekt war.

      Laut schreiend stoben zwei der Trampeltiere davon und gleich mehrere der Angreifer machten sich sofort daran, sie wieder einzufangen.

      Reiter tauchten in der Nacht wie schattenhafte Geister auf. Nur ihre Umrisse waren zu erkennen. Hin und wieder streifte das Mondlicht ihre Körper und Gesichter.

      Bruder Anastasius hatte lautstark zu beten begonnen.

      Der Kampf war innerhalb weniger Augenblicke zu Ende gewesen. Die meisten der Bewaffneten, die im Gefolge von Babrak dem Feilscher die Karawane begleitet hatten, waren noch halb im Schlaf erschlagen worden.

      Einige der Kameltreiber hatten versucht zu fliehen, aber die Fremden trieben sie zurück ins Lager. Einer von ihnen starb unter einem Schwertstreich, doch der Krieger, dessen Waffe dem Treiber in den Leib gefahren war, wurde von einem Reiter angeherrscht, der der Anführer zu sein schien. Von seiner Klinge troff das Blut. Er trug einen Helm ohne Nasenschutz, sodass sein Gesicht im Mondlicht gut zu sehen war. Der Bart war hell und leicht rötlich. Die Stimme klang dunkel und erinnerte an das Knurren eines Bären, wie man sie auf den Märkten von Xi Xia manchmal zur Schau gestellt sah.

      Er ließ sich aus dem Sattel gleiten. Die blutige Klinge wischte er an einem der Seidenballen ab, die man den Kamelen in der Nacht abgenommen hatte. Dann steckte er die breite, gerade und sehr lange Klinge wieder in die Lederscheide an seinem Gürtel. Li fühlte einen groben Stoß von hinten. Sie verlor das Gleichgewicht und fiel zu Boden.

      Von allen Seiten waren sie von bewaffneten Nordmännern umgeben, die die Überlebenden zusammentrieben.

      Offenbar hatten die Angreifer die Kameltreiber ganz bewusst am Leben gelassen, weil sie wohl jemanden brauchten, der sich um die Tiere für sie kümmerte. Ob es auch einen Grund für sie gab, drei Papiermacher am Leben zu lassen, musste sich erst noch zeigen. Li erhob sich wieder.

      Der Mönch betete noch immer abwechselnd in Griechisch und Latein und rief seinen Gott um Hilfe und Gnade an.

      Einer der Nordmänner hatte schon zum Schwertschlag ausgeholt, um dieser Litanei ein Ende zu setzen, aber der Anführer hob die Hand und gebot ihm damit unmissverständlich, die Waffe wieder zu senken. Die Worte, die dann folgten, erinnerten Li an den Klang des Donners, wenn sich über den weiten Steppen Xi Xias ein Sommergewitter zusammenbraute.

      Sie fragte sich, ob der Rotstich in den Barthaaren des Anführers der Nordmänner eine besondere Laune der Natur war, oder es vielleicht der Sitte dieser Barbaren entsprach, sich das Blut ihrer Feinde in den Bart einzustreichen. Vielleicht waren sie auch so unzivilisiert, dass sie rohes, blutiges Fleisch aßen und wenn ihre Essensgewohnheiten auch nur halb so schauerlich waren, wie Li es bisher bei den Menschen des Westens kennen gelernt hatte, dann war damit dieser Rotstich hinreichend erklärlich. Ein menschenfressendes Ungeheuer, das erfunden war, um Geschichten über ihn zu erzählen, deren einziger Zweck darin bestand, kleine Kinder zu erschrecken und dazu zu bringen, fleißiger zu lernen oder Speisen zu sich zu nehmen, die gesund aber wenig schmackhaft waren – so erschien Li dieser riesenhafte Mann. Nur dass er leider alles andere als eine albtraumhafte Erfindung eines begabten Dichters war, sondern leibhaftig vor ihnen stand.

      Er sagte ein paar Worte zu Bruder Anastasius, die dessen Gebeten ein ebenso plötzliches Ende setzten, wie es ansonsten ein Schwertstreich vermocht hätte.

      „Gott hat dich erhört, frommer Mann!“, sagte er in einem Griechisch, das so klar klang, wie es nur von jemandem gesprochen wurde, der lange Jahre sehr vertraut mit dieser Sprache gewesen war.

      „Herr, Ihr seid ein Christenmensch?“

      „Ich stand lange Jahre in den Diensten des christlichen Kaisers von Konstantinopel“, sagte der Rotbärtige. „Ich selbst nehme mir von allen Göttern das Beste und glaube ansonsten an die Härte meiner Schwertklinge und an das Klimpern von Silber!“

      „Wie ist Euer Name?“, fragte Bruder Anastasius. „Denn wenn ich nach Konstantinopel zurückkehre, werde ich ihn dort gerne rühmend erwähnen...“

      Der Rotbärtige lachte schallend. „Man nennt mich Thorkild Larsson Eisenbringer – und ich bin mindestens bei der Hälfte derer, die dem Kaiser zurzeit als Gardisten dienen gut bekannt! Auf den Ruhm durch deine Worte bin ich nicht angewiesen - und davon abgesehen, was macht dich so sicher, dass du Konstantinopel noch lebend erreichst?“ Er wandte sich den Treibern zu. „Sprichst du die Sprache dieser Leute?“

      „Das tue ich“, nickte der Mönch.

      „Dann sag ihnen, sie sollen die Trampeltiere zum Aufbruch fertig machen. Was sie geladen hatten, werden wir hier lassen.“

      „Aber Herr, das ist wertvollste Seide!“, erwiderte der Mönch.

      „Jetzt sind es Lumpen“, erwiderte Thorkild Larsson Eisenbringer. „Ich brauche nur die Kamele. Und was soll ich mit einem Stoff, der nicht wärmt.“

      „So habt Ihr ein Gut, das noch wertvoller ist, als Seide?“, fragte der Mönch.

      Thorkild Larsson Eisenbringer nickte. „Barren aus einem Stahl, aus dem Schwerter geschmiedet werden, die nicht zerbrechen – so wie das hier!“ Er zog seine Klinge und hielt sie Anastasius unter die Augen. Der Mönch schluckte. „Du hast von mir gehört nicht wahr?“

      „Es gibt Gerüchte über einen Mann, der mit diesem Stahl handelt.“

      „Und du wurdest nicht zufällig ausgesandt, um mehr darüber herauszufinden?“

      „Ich bin ein Mann des Glaubens und mein einziges Begehren ist es, das Wort Jesu Christi zu verbreiten.“


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