Drei Historische Liebesromane: Das 1500 Seiten Roman-Paket Sommer 2021. Alfred Bekker

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bekommt keine Luft und irgendwann wird es ihm ergehen wie einem Fisch, den man an Land aussetzt...“

      ––––––––

      Am nächsten Morgen wurde Li sehr unsanft geweckt. Eine Reihe furchtbarer Schläge traf sie. Schemenhaft sah sie eine Gestalt, die mit einem der Hölzer auf sie eindrosch, mit dem die Frauen sonst die Wäsche schlugen.

      „Ich habe dich gewarnt!“, schrillte Fadias Stimme durch den Raum. „Jetzt sollst du sehen, was du davon hast, du Hure mit geschlitzten Augen!“

      Li konnte sich gegen die Schläge kaum schützen. Sie krümmte sich zusammen, versuchte das Wäscheholz vergeblich mit den Händen abzuwehren.

      Einer der gemeinen Schläge traf sie am Kopf. Sie sank benommen in sich zusammen. Alles drehte sich vor ihren Augen. Es folgten noch ein paar weitere Schläge, die sie kaum noch spürte. Dann merkte sie, wie sie gepackt und von ihrem Lager gezerrt wurde. Sie versuchte sich zu wehren, aber ihr Kopf dröhnte und für ein paar Augenblicke wusste sie nicht, was oben und was unten war.

      „Du glaubst vielleicht, ich sei dumm. Aber das bin ich nicht!“, fauchte Fadia. „Das bin ich wirklich nicht! Und vor alle habe ich Augen im Kopf! Ich habe gesehen, wie Firuz aus diesem Zimmer kam – in dem nur nur noch du gewesen sein konntest...“

      Fadia packte den Kopf der wehrlosen Li bei den Haaren und steckte ihn in einen Bottich, den sie bereitgestellt hatte. Ein gewisser unangenehmer Geruch war Li zuvor schon aufgefallen. Jetzt wurde dieser Eindruck übermächtig. Fadia packte das Genick der Papiermacherin und drückte ihren Kopf in eine weiche Masse mit einem scharfen, kaum erträglichen Geruch.

      Kamel-Dung, der offenbar etwas mit Wasser verdünnt und sämig gemacht worden war, denn normalerweise waren die Ausscheidungen von Kamelen so staubtrocken wie der Wüstensand, als wollten ihre Körper nicht einen einzigen Wassertropfen zu viel abgeben.

      Li glaubte ersticken zu müssen. Sie ruderte mit den Armen, versuchte Fadias Griff zu lösen, aber Firuz erste Frau war ihr an Kräften überlegen.

      „Nicht einmal die scharfe Seife, die Firuz auf den Basaren verkauft, kann diesen Geruch so schnell von dir abwaschen!“, zischte Fadia. „Kein Mann wird dich eine Weile anrühren, dessen kannst du sicher sein! Und schon gar nicht der meine, dessen empfindliche Seifenhändler-Nase sich vor Ekel kräuseln wird!“

      Jetzt endlich gelang es Li, sich aus dem Griff ihrer Gegnerin zu befreien. Sie hatte schon geglaubt, ersticken zu müssen. Mit einer schnellen, kräftigen Bewegung schlug sie Fadias Arm zur Seite und gab ihr einen Stoß. Sie taumelte zu Boden, war aber sofort wieder auf den Beinen.

      Ein kaltes, triumphierendes Lächeln stand in Fadias Gesicht.

      Sie stemmte einen Arm in die Hüfte und ging mit erhobenen Kinn aus dem Raum.

      Li blickte sich um. Keine der anderen Frauen hatte eingegriffen. Alya schaute zur Seite, denn ihre erste Sorge galt ohnehin dem Kind auf ihrem Arm. Jarmila wich Lis Blick aus. Vielleicht war es Scham, die sie bewegte – aber da war auch ein ganz leichter Zug an den Mundwinkeln, der ihre wahren Gedanken verriet. Sie denkt, dass ich es verdient habe!, ging es Li durch den Kopf.

      Dreizehntes Kapitel: Die Heilige Stadt

      Die Kuppel des Felsendoms von Jerusalem war schon aus großer Entfernung zu sehen. Wie ein Trugbild wirkte sie zunächst für Li. Ein stundenlanger Kamelritt lag hinter ihr und der schaukelnde Gang ihres Reittiers hatte es begünstigt, dass sie sich in ihren Gedanken etwas verloren hatte. Alles Mögliche war ihr durch den Kopf gegangen. Vor allem hatte sie die Frage beschäftigt, wie es vielleicht doch noch möglich werden konnte, dass ihr Lebensweg eine andere Richtung nehmen konnte - eine Richtung vor allem, die sie sie selbst bestimmte und deren Ziel zumindest ungefähr erkennbar und einigermaßen verheißungsvoll war.

      Arnulf, der fremde Ritter aus Saxland, war natürlich auch immer wieder in ihren Gedanken aufgetaucht, und wenn man es genau nahm, dann hatte er diese nie verlassen.

      Wenn doch so viele Christen nach Jerusalem pilgerten, warum sollte dann nicht auch Arnulf von Ellingen irgendwann einmal diesen Weg beschreiten?, so hatte sie gedacht, wobei das ein Gedanke war, der mehr einer tagtraumähnlichen Fantasie entsprach, als dass sie darin wirklich eine realistische Variante ihres Schicksals gesehen hätte.

      Sie nahm sich vor, den Gedanken an Arnulf auf ähnliche Weise in ihrem Herzen zu bewahren, wie ihr Vater dies bei ihrer Mutter getan hatte. So lange sie sich erinnern konnte, hatte sie immer das Gefühl gehabt, dass diese Frau ihren Vater stets begleitete und vermutlich war sie selbst jetzt noch bei ihm. Um ihre Nähe zu spüren war nicht einmal ein Ahnenschrein nötig. Es reicht das starke Gefühl, das sie im Leben miteinander geteilt hatten.

      „Jerusalem!“, rief der zwölfjährige Ahmad erfreut. „Wir haben es endlich geschafft!“ Und dabei versuchte er, den Esel, auf dem er seit dem Aufbruch aus Bagdad vor ein paar Wochen geritten war, zu mehr Schnelligkeit anzutreiben. Doch das eigenwillige Tier ließ sich das nicht gefallen. Es reagierte mit einem gleichermaßen störrisch wie durchdringend klingenden Laut, den das Tier mit einer Vehemenz ausstieß, als wollte es gegen diese Zumutung lautstark protestieren.

      Die Karawane näherte sich einem der Stadttore, das von einem steten Sturm von Besuchern passiert wurde.

      Händler wie Firuz waren darunter, die ihre Waren auf Kamelen und Eseln tragen ließen, aber auch hin und wieder christliche Mönche oder Bauern der Umgebung, die ihre Ware zu den Märkten bringen wollten. Die Stadt kam Li klein vor – verglichen mit Bagdad oder Samarkand. Aber die Bedeutung dieses Ortes lag zweifellos nicht in der Anzahl von Menschen, die hier lebten oder im Umfang der Stadtmauern.

      Die Menschen in den engen Straßen sprachen überwiegend Arabisch. Aber hier und da fielen Li auch andere Zungen auf. Neben den an ihrer Kleidung deutlich als Fremde erkennbaren Besuchern, die wohl von weit her gekommen waren, um die heiligen Stätten zu besuchen, fielen immer wieder auch Männer und Frauen auf, die ganz nach Art des Landes angezogen waren und sich in nichts von den anderen Bewohnern unterschieden, außer dass sie gelb oder blau gefärbte Gürtel trugen.

      Sehr vereinzelt war Li dies schon in Bagdad aufgefallen, aber da es nicht so häufig vorgekommen war, hatte sie kein besonderes Augenmerk darauf gelegt. Außerdem waren da so viele andere Eindrücke gewesen, dass die Gürtel dagegen nicht weiter aufgefallen waren.

      Li hatte sich zwar bemüht, möglichst viele Worte aus der Sprache des Propheten zu lernen, aber sie war noch weit davon entfernt, etwa die Menschen auf der Straße zu verstehen.


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