Drei Historische Liebesromane: Das 1500 Seiten Roman-Paket Sommer 2021. Alfred Bekker
Lederwams war noch verwendbar, das wollene Unterziehwams nach einer gründlichen Wäsche ebenfalls. Allerdings brauchten die Stiefel neue Sohlen, wofür es in den Handwerkergassen der Stadt genügend kundige Hände gab.
Es war Fra Branaguorno, der Arnulf von Ellingen mit den nötigen Münzen ausstattete. Woher dieses Geld stammte, ob nun aus den Mitteln seiner Ordensbrüder oder denen der kaiserlichen Gesandtschaft oder ob es noch irgendwelche anderen Quellen gab, die er für einen solchen Fall zu öffnen vermochte, darüber gab Fra Branaguorno nur ausweichende Auskünfte.
Er selbst begleitete Arnulf bei dessen Ausflügen in die labyrinthischen Gassen Konstantinopels nicht. Die Verwundung, die er beim Angriff der Normannen davon getragen hatte, schien ihn weit mehr zu beeinträchtigen, als er dies zugegeben hätte.
„Ich will keine kleinen Kinder erschrecken, wenn ich durch die Straßen gehe“, sagte er Arnulf nur. „Als ich mich in Richtung Westen schleppte, da ist das so manches mal geschehen, wenn ich leichtfertigerweise die Kapuze meiner Kutte zurückgeschlagen habe, um meine Wunde zu behandeln oder mich zu waschen.“
„Ich habe Euch damals da liegen sehen, als Thorkilds Männer mich fortführten, ohne Euch helfen zu können“, sagte Arnulf daraufhin. „Von den Normannen hätte keiner auch nur ein Kupferstück darauf gesetzt, dass Ihr zwei Stunden später noch am Leben sein würdet.“
„Um ehrlich zu sein – ich ebenfalls nicht“, gab Fra Branaguorno zurück. „Aber der Herr hat mich offenbar noch nicht zu sich rufen wollen.“
„Es ist ein Wunder, dass Ihr überlebt habt.“
„Der Herr tut Wunder, damit wir an ihn glauben“, erklärte Fra Branaguorno. „So steht es immer wieder in der Schrift.“
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Nur ein einziges Mal in diesen ersten Tagen nach Arnulfs Rückkehr sah der Ritter aus Sachsen, wie Fra Branaguorno sich die Kapuze zurückschlug. Allerdings war das am späten Abend im Schlafsaal ihrer Unterkunft. Nur das Licht einer einzigen Kerze hatte flackernd in der Zugluft gebrannt. Fra Branaguornos Haare waren länger, als dies bei Mönchen normalerweise der Fall war. Die Tonsur hielt er nicht mehr ein und so verdeckte sein grauweißes Haupthaar wohl weitgehend jenen Schrecken, der sonst offenbar geworden wäre.
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Einige Tage später ließ Bruder Markus Arnulf zu sich rufen. Fra Branaguorno war nicht anwesend. Es ging ihm nicht gut. Er hatte über Kopfschmerzen geklagt und den ganzen Tag das Bett nicht verlassen.
Arnulf machte sich deswegen Sorgen, aber Bruder Markus beruhigte ihn. „In den Monaten, die Fra Branaguorno vor Euch hier eintraf, ist es schon des öfteren vorgekommen, dass er ganze Tage verschlafen hat und sehr unter den Folgen des Schlages zu leiden hatte, den man ihm versetzt hat.“
„Konstantinopel hat doch angeblich die besten Ärzte der Christenheit!“, stieß Arnulf hervor. „Warum kann man ihn nicht in einem der Spitäler helfen, von denen er selbst mir auf unserem Ritt hier her immer vorgeschwärmt hat!“
„Er lässt niemanden an sich heran. Auch keinen Arzt. Und sein Wesen ist misstrauisch geworden. Er scheint keiner Seele mehr zu trauen. Selbst ein Extrakt der Mohnblume, den ich ihm von einem arabischen Händler am Eutherios-Hafen besorgt habe, hat er nicht angerührt, obwohl dessen entkrampfende Wirkung gut belegt ist!“
„Was würdet Ihr mir raten, um ihm zu helfen, Bruder Markus?“
„Ich fürchte, niemand wird ihm da helfen können. Niemand, außer dem Herrn selbst, den Ihr im Gebet anrufen solltet, Arnulf. Diese Anfälle haben nie länger als ein paar Tage gedauert und sein Zustand hat sich dann zumeist von ganz allein wieder verbessert.“ Der kleine, zur Korpulenz neigende Mönch holte tief Luft, so als hätte er eine schwere Last zu tragen. Allerdings hatte diese unsichtbare Last wohl nichts mit dem Zustand zu tun, in dem sich Fra Branaguorno im Moment befand. „Ich muss etwas in aller Dringlichkeit mit Euch besprechen, was eigentlich auch Fra Branaguornos Anwesenheit erfordern würde. So bespreche ich die Angelegenheit nun mit Euch allein.“ Der Mönch erhob sich von seinem Stuhl und ging zunächst einmal zur Tür, um sich zu vergewissern, dass im angrenzenden Korridor niemand war, der lauschen konnte. Dann verriegelte er von innen die Tür des karg eingerichteten Raumes, der Bruder Markus zur Erledigung der Korrespondenz der kaiserlichen Gesandtschaft und anderen Schreibarbeiten diente, die offenbar in einer Stadt wie Konstantinopel sehr viel reichlicher anfielen, als dies beispielsweise in Magdeburg der Fall gewesen wäre. In einfachen Holzregalen standen einige in Leder gebundene Folianten. Pergamente lagen auf einem Stapel auf einem groben Holztisch. Teilweise waren sie in mühevoller Arbeit radiert worden, um sie ein zweites Mal benutzen zu können - eine Arbeit, für die vorzugsweise Ordensnovizen herangezogen wurden, wie Arnulf wusste.
Bruder Markus holte nun ein Dokument zwischen zwei dicken Folianten hervor, dass er dort offenbar aufbewahrt hatte. Er faltete es auseinander. „Diese Nachricht habe ich heute Morgen durch einen Boten bekommen. Darin wird ausdrücklich danach gefragt, ob Ihr, Arnulf von Ellingen, denn bereits zurückgekehrt seid oder ob mit Eurer baldigen Rückkehr zu rechnen sei, da der Kaiser ein persönliches Schreiben an seinen kaiserlichen Bruder aufgesetzt habe, das nur durch eine Person absoluten Vertrauens befördert werden dürfe...“
Arnulf wirkte einen Augenblick wie erstarrt.
„Wer hat das geschrieben?“, fragte er.
„Ein gewisser Petros Makarios“, gab Bruder Markus Auskunft. „Er ist der Erste Logothet des Kaisers, Ihr könnt also davon ausgehen, dass dies nicht ohne das Wissen allerhöchster Kreise und wahrscheinlich des Kaisers selbst geschehen ist.“
„Ich verstehe...“, murmelte Arnulf.
„Begreift Ihr auch, was dies bedeutet? Man weiß bei Hof, dass Ihr zurückgekehrt seid. Ich weiß nicht, durch wen diese Kunde dorthin gelangte, aber diese Stadt hat tausend Augen und noch mehr Ohren. Ich habe Euch von Anfang an gewarnt. Es war kein guter Vorschlag, Eure Anwesenheit verheimlichen zu wollen...“ Er warf das Dokument auf den Tisch. „Dies ist nichts anderes als eine zwar diplomatisch verklausulierte, aber nichts desto weniger sehr unmissverständliche Aufforderung, Euch zu melden!“
„Ihr hattet recht mit Eurer Bemerkung, dass eigentlich Fra Branaguorno anwesend sein müsste und ich möchte die Angelegenheit auch zunächst mit ihm besprechen.“
„In dem Dokument ist namentlich eindeutig nur von Euch die Rede – so wie der Auftrag, ein persönliches Schreiben zu überbringen. Im Übrigen war dieser auch nie an Fra Branaguorno gerichtet, sondern an Euch und an niemanden sonst.“
„Könnt Ihr Euch darauf einen Reim machen?“
„Tut mir leid. Es gibt Rätsel des kaiserlichen Hoflebens, die man gar nicht erst versuchen sollte zu lösen, weil es sinnlos ist.“
„Darf ich die Nachricht einmal sehen, Bruder Markus?“
„Natürlich. Sie ist allerdings in griechischer Sprache verfasst und ich glaube, Eure Kenntnisse darin sind sehr begrenzt, wenn ich das richtig in Erinnerung habe...“
Arnulf nahm das auseinandergefaltete Blatt. Es handelte sich zweifellos um Papier und nicht um Pergament. Das erkannte er sofort. Als er es zwischen seinen Fingern hielt, kam ihm die Art und Weise, wie es sich anfühlte, vertraut vor. Was die griechischen Buchstaben anging, mit denen es beschrieben worden war, so erkannte er tatsächlich kaum seinen eigenen Namen, der tatsächlich im Text Erwähnung zu finden schien. Aber das war für ihn für einen Moment nebensächlich.
Er stand auf und ging zu einem