DRECKIGES GOLD. Robert Blake Whitehill

DRECKIGES GOLD - Robert Blake Whitehill


Скачать книгу
keine Erinnerungen, keine Fantasien, sondern Wahnvorstellungen, denen er in seinem erschöpften Zustand nicht trauen konnte.

      Plötzlich spürte Ben das dreimalige Zupfen an seiner Sicherheitsleine. Das Signal. Der Kompressor war im Begriff, seine Öl-Benzin-Mischung restlos aufzubrauchen. Doch Ben machte weiter. Er musste diesmal wirklich sichergehen.

      Ben machte einen halben Atemzug, dann war Schluss. Seine Wangen und Kehle zogen sich bei jedem erfolglosen Atemversuch zusammen. Der Kompressor hatte aufgegeben, sein Brummen verhungernd zum Schweigen gebracht. Ben wuchtete die vorletzte Box mit einem Ruck in eine Gemüsekiste. Seine Lunge brannte. Sein Blickfeld verengte und verdunkelte sich zu einem dämmrigen Grau im schwarzen Wasser. Er ergriff die letzte schwere Kiste mit beiden Händen.

      Und die Welt wurde schwarz.

      Ben erwachte auf Miss Dotsys Deck, mehr tote Makrele als lebendiger Mensch. Ellis schnaufte vor Anstrengung, nachdem er Ben heraufgezogen hatte. Nach einem Moment stand er auf und hievte die letzte Kiste allein herauf. Nur durch das Wunder verbissener Willenskraft hatte Ben die letzte Goldbox in die Gemüsekiste gewuchtet, bevor er komplett das Bewusstsein verlor.

      Endlich waren sie wieder an dem Punkt, wo sie bereits Stunden vorher schon gewesen waren, mit zwei Reihen von Kisten entlang des Kiels. Sie warteten ein paar Minuten, um sicherzugehen, dass das unsinkbare Boot und sein Kapitän nicht wieder in Erscheinung traten. Bald waren sie zufrieden. Die Lance blieb fürs Erste unten, wenn nicht gar für immer.

      Auf Bens Nicken hin warf Ellis den Vierzylinder an. Ben lichtete den 15-Kilo-Pfluganker und verstaute ihn. Ellis legte den Vorwärtsgang ein. Das Getriebe röhrte wie eine alte Kaffeemühle, die Geröll mahlte.

      Ellis sagte: »Die verdammte Tucket muss Miss Dotsys Getriebewelle erwischt haben, als sie von unten hochkam.« Ben riet ihm das Offensichtliche. »Dann fahr halt langsam.«

      Selbst mit einer Bombe im Gepäck, die neben ihnen die Sekunden herunterzählte, gab es nichts anderes, was sie tun konnten.

      KAPITEL 9

      Vor seiner verhängnisvollen Geburtstagsentscheidung wurden Right Way Umzüge & Lagerung von Senatorin Morgan beauftragt, bei einem weiteren Projekt in einer langen Reihe von heimlichen Geschäften als Zwischenhändler zu dienen. Sie angelten sich ständig solche Aufträge von Senatorin Morgan, aber nie solche dicken Happen wie diesen. Dieser war einzigartig, denn es war Morgans eigene Idee, von Anfang bis Ende. Sie hatte diesen verrückten Plan, dass die terroristischen Feinde der viel geliebten Freiheit zur Strecke gebracht werden könnten, falls sie plötzlich zu viel Macht, zu viel Reichtum besäßen. Sie würden unter dem Gewicht ihrer eigenen Korruption ersticken. So glaubte sie zumindest. Sie hatte ihre Gründe. Right Way sollte einer radikalen Terrororganisation im Austausch für ein paar Pläne eine große Menge Gold liefern, das sagte die Senatorin Chalk wenigstens. Das war einfach. Dann sollte Right Way diese Pläne an eine zweite Terroristenfraktion liefern, die das Gold überhaupt erst zur Verfügung gestellt hatte. Gar kein Problem. Erwartungsgemäß hatte Chalk seine eigenen Teammitglieder über die Hintergründe der Angelegenheit im Dunkeln gelassen. Das gefiel ihnen so. Je weniger sie wussten, desto weniger konnten sie ausplaudern und umso länger würden sie leben. Seit Richard Willem Blackshaw mehr als zweieinhalb Tonnen Gold davongeschafft hatte, vermutete Chalk, dass die Blaupausen, die mit dem Gold gekauft werden sollten, von enormer Wichtigkeit waren, aber er konnte wirklich nur mutmaßen.

      Die Lieferung sollte in zwei Tagen stattfinden. Danach würden die Käufer, wie Chalk vermutete, sich zusammenreimen, dass etwas nicht stimmte. Erst würde eine höfliche Anfrage gestellt. Wenn Chalk dann mit leeren Händen dastünde, würde die Hölle losbrechen. Die Neuigkeit vom verschwundenen Gold würde die Käufer der Blaupausen schnell erreichen. Als Mann in der Mitte könnte Chalk sehr wohl nicht nur mit einem, sondern mit zwei unzufriedenen Kunden rechnen, die es in nicht allzu ferner Zukunft auf ihn abgesehen haben würden. Natürlich würde diese Harpyie, Senatorin Lily Morgan, ihm die ganze Zeit über die Hölle heißmachen. Kein Wunder. Es war das größte Geschäft, das sie je gemeinsam abgewickelt hatten. Das war eine ungewohnte Situation für Chalk. Bei Right Way hielt man immer sein Wort und versagte nie. Er sorgte sich selten um Ausweichpläne. Klar, manchmal ging etwas daneben. Einmal, als einer seiner Kuriere mit einem Computerchip für ein Raketennavigationssystem unterwegs war, war seine Piper Aztec über der Mojave-Wüste abgestürzt. Chalk war innerhalb von zwei Stunden vor Ort gewesen und hatte nur noch die Überreste seines Boten gefunden. Chalk machte sich dann mit der Finesse eines Proktologen ans Werk. Es war sein Fingerspitzengefühl gewesen, welches ihm ermöglichte, die kostspielige Komponente aus ihrem Versteck zu entfernen, wo sie geborgen innerhalb mehrerer Schichten gerippter Latexkondome wartete. Rettungseinheiten, die Bundesluftfahrtbehörde und die Nationale Behörde für Transportsicherheit waren alle von Chalks Agenten auf pfiffige Weise aufgehalten worden, indem sie das falsche Signal einer Notfunkbake hundert Meilen südlich der eigentlichen Absturzstelle eingerichtet hatten. Die Behörden bekamen niemals mit, dass Chalk zuerst da war. Das war vor Jahren. Ein Unfall. Seitdem lief alles glatt. Unfälle konnten schließlich jedem passieren, aber niemand legte sich absichtlich mit Right Way an. Nicht auf diese Weise. Würde eine solche Mentalität diese Mission retten können? Chalk ließ seine Fantasie spielen, fragte sich, ob Blackshaw seinen Laster versehentlich zu Schrott gefahren hatte. Vielleicht war er schon tot, zerquetscht vom Gold, irgendwo in einem Flussbett in New Mexico. Er hätte irgendwo in der Nähe von Albuquerque sein sollen, als seine Meldung ausblieb.

      Das warf eine weitere Frage auf. Falls Blackshaw Right Way abzocken wollte, warum hatte er keine falschen Zwischenberichte abgegeben, um sich Zeit zu verschaffen? Er hätte sonst etwas behaupten können, auf die Art und Weise wie Donald Crowhurst, der Weltumsegler, damals in den 1960ern seine Lageberichte über Funk gefälscht hatte, während er im Südatlantik herumgedümpelt war. Warum hatte Dick Blackshaw nicht so etwas gemacht? Chalk stand vor einem Rätsel. Er hatte absichtlich keine Telemetriemarker am Gold anbringen lassen. Jeder Trottel konnte einen Peilsender an seinem Chevy Nova haben und die Bullen könnten die Rostlaube innerhalb von zehn Minuten per Satellit aufspüren, falls sich jemand die Mühe machte und sie gestohlen würde. Chalk hatte sich dagegen entschieden, zweieinhalb Tonnen Gold mit einem Peilsender auszustatten. So wie er das sah, war das Problem folgendes: Wenn er es orten konnte, dann konnte das auch jemand anderes. Und die Sendung war zu groß und zu schwer. Und Chalk war so ein berüchtigter, überragender, knallharter Hund! Wer würde es wagen, sich in seinen Scheiß einzumischen? Jemand aus den eigenen Reihen, wie es aussah. Im Nachhinein wirkte der Verzicht auf den Peilsender wie ein grobes Versäumnis, grenzte an Überheblichkeit. Wirklich unentschuldbar.

      Chalk sprach zu seinem Team im Büro. »Freunde, falls wir nicht mächtig zackig in die Gänge kommen, stehen die Chancen nicht schlecht, dass man uns allen das Licht ausknipst, bevor die Woche 'rum ist. Ja, ich sage voraus, dass wir ein paar sehr unzufriedene Kunden haben werden.«

      »Nicht unbedingt. Ich bin kein Profilersteller«, sagte Slagget, »aber nach weiterer Nachforschung hab ich ein Gefühl für den Mann bekommen. Er sucht immer noch nach seinem Platz zuhause, wie jeder andere.«

      Chalk war perplex. »Das ist der reinste, dampfende Scheiß mit Schmeißfliegen obendrauf. Falls du ein Gefühl für den Mann hättest, wie du das ausdrückst, dann würden wir diese Unterhaltung gar nicht erst führen!« Chalk duldete keine hochtrabenden Predigten von hochnäsigen Auftragskillern.

      Slagget fuhr unbeirrt fort: »Wir kennen den richtigen Mann jetzt besser.« Chalk beäugte Slagget. »Ich bin ganz Ohr.«

      Clynch ging dazwischen. Chalk gefiel das. Clynch setzte alles daran, seinen früheren Glanz aufzupolieren, und versuchte zu vermeiden, von seinem jähzornigen Boss zusammengestaucht zu werden. »Fassen wir mal zusammen, was wir wissen. Sein Name ist Richard Willem Blackshaw. Geboren auf Tangier Island, Virginia. Nicht allzu weit entfernt von hier in der Mitte der Chesapeake Bay. Ist aber auf Smith Island, Maryland, aufgewachsen, ein Stück nördlich der Staatsgrenze.«

      Chalk arrangierte seine Gesichtszüge zu dem wohlbekannten Was-geht-mich-das-an-Ausdruck.

      Clynch verwies auf


Скачать книгу