DRECKIGES GOLD. Robert Blake Whitehill

DRECKIGES GOLD - Robert Blake Whitehill


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erwachenden Fischreihers. Der Gestank der Kolonie, mit ihrem stechenden Geruch von Ammoniak, trieb ihnen Tränen in die Augen.

      Der winzige Strom, der sich auf der linken Seite durch das Schilf schlängelte, war der Zugang zu einem Wildererpfad, von denen sich viele durch die geschützten Inseln der Chesapeake Bay zogen. Obwohl der Zutritt zu den Wildtierschutzgebieten für Jäger verboten war, sahen die Bewohner von Smith Island die Verbannung von den Jagdgründen ihrer Vorfahren nicht so eng. Gleich unter der Wasseroberfläche führte bei Ebbe eine Reihe von Holzbohlen zu den Tümpeln und Wiesen, wo Gänse und Enten ruhten, in perfekter Lage für den lautlosen Angriff und die schnelle Flucht. Ohne die Kenntnis dieses Plankensystems blieb die auf der Lauer liegende Natur- und Wasserschutzpolizei regelmäßig in der Marsch stecken und nahm selten jemanden fest.

      Bens Kräfte waren von der langen Nacht aufgezehrt und er spürte langsam die frühen Warnsignale seines Körpers, die er von der Hell Week damals in Coronado kannte. Er trat zur Seite und sprach: »Dieser Baum markiert den Eingang.«

      Sie trugen die erste Kiste zu zweit, wobei sie ihre Füße auf den rutschigen Planken Zentimeter für Zentimeter vorwärts schoben. Ben und Ellis verschwanden schon bald zwischen dem Schilf, dem Stinktierkohl, dem amerikanischen Molchschwanz und dem Wasserdost, die überall wuchsen. Unter der immensen Belastung ihres gemeinsamen Gewichts schwankten und bogen sich die Planken bei jedem Schritt. Die Männer stürzten mehr als einmal beinahe herunter.

      Allmählich kamen sie aus dem sumpfigen Gebiet an eine Senke, die zwischen einer kleinen Gruppe Pinien geschützt lag. Sie setzten die Kiste auf dem sandigen, mit Guano versetzten Boden ab. Der Gestank der Reiherkolonie war übermächtig. Sie hassten es, zu atmen, obwohl sie von der Anstrengung nach Luft rangen. Über ihnen erwachten mehr als hundert Reiher, krächzten und neigten ihre geschmeidigen, gefiederten Köpfe für einen Blick auf die Besucher.

      »So, nur noch neunzehn.« Ellis, der Optimist. »Das is' mal 'n Gestank.«

      Wie aufs Stichwort glitt Lonesome George zu einer Landung auf seinen dünnen Beinen herab.

      Ben sagte: »Der Aufseher ist da.«

      Lonesome George sah ihnen dabei zu, wie sie sich abquälten, und fragte sich wahrscheinlich, wo seine Austern-Almosen blieben.

      Auf dem Rückweg zu Miss Dotsy tupften sie sich die tränenden Augen mit Taschentüchern ab. Beim Schleppen der zweiten Kiste rutschte Ellis' Fuß von der glitschigen Planke unter Wasser ab. Er ließ die Kiste aber nicht los. Ihr Gewicht rammte sein Bein tief in den Schlamm und setzte ihn fest. Ben wurde beinahe hinterhergezerrt, hielt sich aber aufrecht. Er zog die Kiste langsam auf die Planke zurück. Dann versuchte Ben, sich einen festen Stand auf dem rutschigen Brett zu verschaffen, und hakte seine Arme unter Ellis' Achseln. Es bedurfte mehrerer kostbarer Minuten, Ellis aus dem Moder zu ziehen. Durch schiere Kraft gelang es ihm, das Bein mit einem schmatzenden Geräusch zu befreien. »Danke«, krächzte Ellis.

      »Ich beschütze nur unsere Anlagen.«

      »Hätte dich mit 'nem Christen verwechseln können.«

      »Tatsächlich?«

      »Vielleicht hab ich dich mit 'nem Freund verwechselt.«

      Ben antwortete nicht darauf. Solange er nicht mehr über Ellis' Mitwirkung an all dem wusste, war für Sentimentalität kein Platz.

      Keuchend und würgend schleppten sie sich siebzehn weitere Male entlang des Bohlenwegs. Die Entfernung vom Boot bis zur Reihersenke schien mit jedem Mal größer zu werden. Sätze schrumpften unter dem Gewicht des Goldes zu kurzen Phrasen.

      »Die Anteile. Das Geld.« Ellis ging voran, lief aber rückwärts, um die Kiste besser im Griff zu haben.

      Ben wusste, dass das kommen musste. »Was denkst du?«

      Knocker Ellis keuchte ein Wort. »Hälfte.«

      Ben sagte: »Also ich denke …«

      Ellis legte nach. »Denk dir mal das, Ben. Ich nehme das halbe Risiko auf mich. Breche mir hier den Rücken für 'ne Hälfte des Traums eines Toten.«

      Ben machte noch ein paar Schritte, wartete, um sicherzugehen, dass Ellis fertig war. Dann nickte er. »Ich wollte sagen, ich denke, Hälfte klingt gut.«

      Ellis beäugte seinen Partner. Er schüttelte den Kopf. »Hätte mehr verlangen sollen.«

      »Nein. Ganz schlechte Idee.«

      »Wer weiß? Dein alter Herr hätte den ganzen Posten genauso gut zu mir bringen können.«

      »Ist es das, was er dir erzählt hat?«, fragte Ben.

      Ellis sagte nichts mehr.

      Die letzte Kiste war leichter als die anderen. Sie enthielt die Bombe. Sie packten sie zu den übrigen. Ellis warf Ben einen Blick zu, der ›Was nun?‹ zu fragen schien.

      Ben zuckte mit den Schultern. »Es ist ein Piratenschatz. Wir vergraben ihn, was auch sonst?«

      KAPITEL 11

      Bill Slagget saß am Steuer. Simon Clynch saß in der zweiten Reihe des Vans zwischen ein paar Ersatzspielern, neuen Typen, die Chalk aus seinem Team herbeordert hatte. Auf der einen Seite saß The Kid, den niemand wirklich mochte. Er war vermutlich in seinen Zwanzigern, was sich in seinem trügerisch flaumigen Milchgesicht aber nicht widerspiegelte. Chalk dachte, dass dieser Psychopath nicht alle Tassen im Schrank hatte und ihm auch jegliche Teller und sonstiges Geschirr fehlten. Chalk hatte noch niemanden gesehen, der sich mehr für sinnlose Gewalttaten begeistern konnte. Ein absoluter Vollidiot, ohne Verstand. Nur ein Tier, das hoffentlich den Richtigen erwischte, wenn man es von der Leine ließ. Auf der anderen Seite saß Tug Parnell. Parnell war ein bisschen weniger verrückt als The Kid, aber nur ein wenig. Ein unbehandelter Fall von Akne hatte fürchterliche Narben bei ihm hinterlassen. Ein Blick von ihm konnte Pferde aufscheuchen und Kinder verschrecken. Eine Schleifkur hätte höchstens mit einem Bandschleifer Erfolg gehabt. Er war berechnend, behielt einen kühlen Kopf und war daher für Chalk nützlicher als The Kid.

      Dar Gavin, ein weiterer Veteran der Vicker-Befragung und anderer Einsätze, saß in dritter Reihe, zusammen mit Taschen voller Equipment, die von der Ladefläche im hintersten Teil des Vans her überquollen.

      Chalk blätterte durch eine Akte, die aus der letzten Nachforschung von Black Widow stammte. Und da war es. Die Sanktion, über die sein Kumpel vor fünfzehn Jahren gejammert hatte. Sie war tatsächlich gegen Dick Blackshaw ausgestellt worden. Traurigerweise war das Hauptziel erst einmal und dann ein zweites Mal entkommen und wurde nie wieder gesehen. Dieser Misserfolg kostete Chalk eine Menge. Eine unbekannte Frau war damals unbestätigter Kollateralschaden gewesen. Nun war Dick Blackshaw wieder da. Falls sich dieser Diebstahl um Rache drehte, hatte Chalk eine ziemlich gute Vorstellung, wer die Frau gewesen sein musste.

      Chalks Handy schmetterte los. Der Klingelton war Vera Lynns Interpretation von We'll Meet Again. Es war das Endmotiv von Kubricks Dr. Seltsam. Und kurioserweise war der Song Teil einer alten BBC-Kollektion von beruhigenden Liedchen, die die britische Moral nach einem Atomangriff stärken sollten. Chalk mochte Ironie genauso wie alle anderen auch. Er spürte Slaggets Blick. Anrufe auf dem Handy des Bosses waren selten.

      Chalk klappte das Telefon auf. »Ich hab gesagt, du sollst mich hier nie anrufen.«

      Senatorin Lily Morgan schnaufte in das andere Ende. »Es ist dein Handy, du Idiot! Woher soll ich denn wissen, wo hier ist?« Chalk sagte mit halblauter Stimme: »Wer hat denn hier 'nen Clown gefrühstückt? Ein bisschen spät, sogar für dich, oder?«

      »Hab seit der Carter-Regierung nicht mehr geschlafen. Wollte mich mal melden. Sei ehrlich. Wie schlimm ist es?«

      Chalk war sich sicher, dass sie wusste, dass er bei diesem Einsatz mit dem Kopf voran in der Scheiße steckte, und sie genoss jede Minute davon. Sie steckte eindeutig hinter diesem Schlamassel und hoffte auf seinen Untergang.

      Chalk rollte mit den Augen. »Die Übergabe ist erst in zwei Tagen!«

      »Ich


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