Gesunde Lehrkräfte in gesunden Schulen. Silvio Herzog
alt="image"/> Kap. 3.3) gehen wir vertiefend auf diejenigen individuellen Ressourcen ein, die für den Lehrberuf grundlegend sind.
Unter Bewältigung verstehen wir mit Lazarus (1993, S. 8) das Bemühen des Individuums, subjektiv mit bedeutsamen Belastungen umzugehen, indem es problemlösend in seinen Kontext eingreift oder indem es seine Emotionen reguliert, die mit der Belastung zusammenhängen.
Die aus den Wechselwirkungen von Ressourcen und Belastungen resultierende Beanspruchung kann positiv oder negativ sein. Rudow (2011) unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen kurzfristigen Beanspruchungsreaktionen, die unmittelbar mit dem Vollzug der Arbeitstätigkeit verbunden sind und unmittelbar in Gegenwart der betreffenden Belastung erlebt werden, und mittel- und langfristigen Beanspruchungsfolgen, die zeitlich anhaltende, verfestigte psychische und physische Reaktionen auf Belastungen darstellen (
Tab. 2.1: Kurz-, mittel- und langfristige Beanspruchung (in Anlehnung an Affolter, 2019)
Kurzfristige BeanspruchungsreaktionenMittel- und langfristige Beanspruchungsfolgen
Positive Beanspruchungsreaktionen äußern sich kurzfristig in positiven Emotionen wie Aktivierung, Freude, Ruhe, Gelassenheit und Flow und werden durch Belastungen hervorgerufen, für deren Bewältigung ausreichende Ressourcen vorhanden sind (
Kurzfristige negative Beanspruchungsreaktionen hingegen zeigen sich in psychischer Ermüdung, Denkblockaden oder grüblerischen Gedankenkarussellen, die infolge Über- oder Unterforderung entstehen. Damit verbunden sind Emotionen wie Angst vor Versagen, Unsicherheit, Ärger oder Frustration (Krause, Dorsemagen & Baeriswyl, 2013) und auf der körperlichen Ebene Symptome wie eine erhöhte Herzschlagfrequenz, ein erhöhter Blutdruck und/oder ein erhöhter Cortisolspiegel (Wettstein, Kühne, Tschacher & La Marca, 2020). Stress, von dem im Alltag oft gesprochen wird, ist theoretisch gesehen ein solcher Zustand erhöhter Aktiviertheit, der durch das Erleben einer Bedrohung hervorgerufen wird und mit unangenehmen Emotionen verbunden ist (Rudow, 2011, S. 52). Ein solcher Stresszustand kann sich im Verhalten beispielsweise in motorischer Unruhe, unkoordiniertem Arbeitsverhalten (mangelnde Planung, Übersicht und Ordnung, Vergesslichkeit) oder gereiztem Verhalten im Umgang mit anderen zeigen (Kaluza, 2015).
Negative Beanspruchungsreaktionen können sich verfestigen, wenn sie über längere Zeit hinweg anhalten, und zu nicht mehr einfach rückgängig zu machenden Beanspruchungsfolgen wie körperlichen Erkrankungen, Schlafstörungen, Burnout oder Depressionen führen.
»Burnout« ist wie »Stress« ein Begriff, der in der alltäglichen Diskussion um berufliche Belastung und Bewältigung allgegenwärtig ist. Die bekannteste Definition von »Burnout« stammt von Maslach, Jackson und Leiter (1996). Dieser Definition zufolge kann ein Burnout als ein sich langsam entwickelndes Belastungssyndrom aufgefasst werden, das sich durch drei grundlegende Komponenten beschreiben lässt: 1) Die emotionale Erschöpfung lässt sich als Zustand beschreiben, in dem sich Menschen in ihrer täglichen Berufsausübung dermaßen ausgelaugt fühlen, dass sie weder Begeisterung noch Interesse für ihre Berufstätigkeit zeigen. 2) Depersonalisation meint das Gefühl der Verhärtung und Abstumpfung gegenüber anderen Menschen. Dies kann zu einem zynischen Verhalten und einer negativen Einstellung gegenüber Mitmenschen führen. 3) Die (reduzierte) persönliche Leistungsfähigkeit bezieht sich auf das Gefühl, nicht mehr so viel wie vorher leisten zu können und den Ansprüchen nicht mehr zu genügen. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass »Burnout« eher ein Alltagsbegriff als ein wissenschaftlich präzise gefasstes Konstrukt ist, was sich auch in Verlaufsbeschreibungen des Burnoutsyndroms zeigt (
Nachdem wir die zentralen Begriffe geklärt haben, stellt sich die Frage, wie diese zusammenhängen.
2.2 Theoretische Modelle
Theoretische Modelle haben das Ziel, den Zusammenhang von verschiedenen Faktoren logisch stringent zu erklären und empirisch überprüfbar zu machen. Sie stellen immer Abstraktionen der Realität dar und beschränken sich darauf, die wesentlichen (und nicht alle) Einflussfaktoren und deren Relationen abzubilden. Dennoch kommt Modellen praktische Relevanz zu, da sie aufzeigen, welche Faktoren als Erstes verändert werden können, um einen gewünschten Effekt zu erzielen. Wenn man also nach Maßnahmen fragt, die dazu beitragen können, die berufliche Gesundheit von Lehrkräften zu verbessern, ist es ratsam, entsprechende theoretische Modelle heranzuziehen, damit die Maßnahmen auf dieser Grundlage systematisch geplant werden können.
Das Zusammenspiel von Kontext und Individuum ist für das Verstehen von Beanspruchungs- und Bewältigungsprozessen und deren Auswirkungen auf die Gesundheit grundlegend. Die derzeit aktuellen Modelle unterscheiden sich in ihrer Gewichtung der einzelnen Faktoren: Die einen konzentrieren sich vor allem auf die Kontextfaktoren, während die anderen stärker diejenigen Prozesse berücksichtigen, die sich im Individuum abspielen.
Systemische Modelle legen den Fokus auf das auslösende Ereignis im Kontext und rücken dabei die Identifikation und die Klassifikation von potenziellen Belastungen oder Ressourcen in den Vordergrund (Krause et al., 2013). Diese können auf der Ebene der gesellschaftlichen und bildungspolitischen Veränderungen angesiedelt sein, auf der Ebene der Aufgaben und Rahmenbedingungen des Lehrberufs (
Im Gegensatz dazu stellen personzentrierte Modelle die Person, ihre Wahrnehmung und ihre Reaktionen ins Zentrum und beziehen sich auf die Frage, wieso identische Belastungen und Ressourcen zu unterschiedlichen Beanspruchungen führen können. Ein zentrales Modell in diesem Bereich ist die Conservation of Resources Theorie von Hobfoll und Shirom (2001), die Verlust und Erhalt von Ressourcen in ihrer Auswirkung auf Stress betrachtet. Ebenfalls diesem Modelltyp zuzuordnen sind die Bewältigungstypen von Schaarschmidt und Fischer (2001), die Persönlichkeitsunterschiede in der Bewältigung von Arbeitsbelastungen untersuchen.
Als Kombination dieser beiden Modelltypen gehen transaktionale Ansätze davon aus, dass es keine einfachen Beeinflussungsprozesse im Sinne eines Reiz-Reaktion-Schemas gibt, sondern dass kontextuelle und persönliche Faktoren zusammenspielen und sich gegenseitig beeinflussen. Gemäß den theoretischen Annahmen dieses Ansatzes reagieren Individuen unterschiedlich auf die Tätigkeitsmerkmale, Aufgaben und Rahmenbedingungen ihres Berufs und wirken mit ihrem Bewältigungsverhalten selbst auf diese zurück.
Um den dynamischen Gesundheitsprozess zu verstehen, wählen wir als Grundlage eine Theorie, die a) eine solche transaktionale Sichtweise einnimmt, b) objektive Belastungen von subjektiven Beanspruchungsfolgen unterscheidet und c) positive und negative Beanspruchungsprozesse einschließt. Dies leistet die Job Demands-Resources Theorie (Bakker & Demerouti, 2014). Mit ihrer Hilfe lässt sich plausibel erklären, wieso berufliche Anforderungen bei manchen Personen