hell/dunkel. Julia Rothenburg
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Robert und Valerie, er dreiundzwanzig, sie neunzehn, sie hell, er dunkel – keiner hat sie je für Geschwister gehalten. Halbgeschwister, daher vielleicht. Mit der Rückkehr der Krankheit ihrer Mutter ist auch er zurückgekehrt, und er verspricht: Diesmal wird er bleiben.
Gemeinsam stehen sie nun vor Fragen, auf die es keine einfachen Antworten gibt: Wie umgehen mit einem Abschied, mit all den Gefühlen, die kein Ventil finden? Valerie und Robert suchen Halt aneinander, in der Hoffnung, so auch sich selbst und dem unfassbaren Geschehen um sich herum näherzukommen. Doch die Nähe zwischen ihnen hat viele Gesichter: zart und schmerzlich, wild und tröstlich – und nicht zuletzt gefährlich.
Julia Rothenburg zeigt die Trauer als ein zutiefst widersprüchliches, durch und durch lebendiges Gefühl und verleiht ihren Figuren eine entwaffnende Intensität. Ihre große Empathie, ihr Gespür für Zwischentöne und ihre scharfgestochene Sprache machen »hell/dunkel« zu einer betörend spannenden Lektüre.
Inhalt
3. So sonnenbestrahlt ist die Welt …
4. Sie sitzen im Imbisshäuschen …
7. Valerie und Robert sind wieder …
11. Wie kann man gleichzeitig …
15. Roberts Lippen sind weich …
17. Ali sitzt auf ihrem Bett …
18. Nachts kann Robert nicht schlafen …
19. Valerie ist froh, dass die Mutter …
22. Robert wartet an die kalte Wand …
23. Nach dem Essen schauen sie fern …
24. Ich schulde dir ein Bier …
25. Der Kanal ist heute merkwürdig …
26. Robert sitzt auf dem Teppich …
27. Bereits in der Frauenumkleidekabine …
28. Robert wartet vor dem Schwimmbad …
29. Da stehen sie also schon wieder …
30. Valerie hat sich im Schlaf …
31. Die Mutter ist zum Glück …
33. Valerie erinnert sich noch an …
36. Es dämmert bereits wieder …
Teil I
1
So fühlen sich immer die ersten Schritte an. Jedes Mal sitzt ihr Atem fest, kommt nur abgehackt aus ihrem Körper, in jämmerliche Stückchen zerteilt. Jedes Mal denkt sie, dass das so unmöglich gehen kann, nicht mit diesen Beinen, den viel zu kurzen. Viel zu langsam ist ihr Körper, behäbig und schwer. Und dann geht es doch, dann geht es wie von selbst.
Die Stimme der Sportlehrerin hört sie jetzt nicht mehr, aber sie sieht sie winken. Ihr pochendes Herz verdrängt das Gefühl von Kälte, der Feuchte in den Kniekehlen. Die Luft schmeckt kalt, aber ihre Ohren werden heiß, alles zieht sich zusammen. Während sie immer schneller wird, verschwimmen die anderen zu bunten Flecken. Wie vorgespult, denkt Valerie. Wenn man das bloß könnte.
Irgendwo schrillt es, das Geräusch holt auch die anderen zurück, den Straßenlärm, das Keuchen, ihren eigenen viel zu lauten Atem.
Am Zaun stehen ein paar Grundschüler und stecken ihre Nase durch das Gitter, die Hände in den Fäustlingen hängen wie Tierköpfe in den Streben.
Sie hat gepfiffen, ruft Nathalie, als Valerie sie überholt. Nathalie geht nur noch, die Arme um ihre Mitte geschlungen, als müsste sie sich zusammenhalten. Ihr Gesicht sieht aus wie das eines