Geheilt statt behandelt. Prof. Dr. Harald Prof. Dr. Schmidt
des durchschnittlichen Einkommens zur Verfügung haben.
Aus medizinischer Sicht könnte man schlussfolgern, es mangele bloß an Bildung in der Bevölkerung – insbesondere bei Männern –, was Gesundheitsvorsorge und -risiken im Speziellen betrifft. Liegt die Lösung wirklich nur in schulischen oder berufsschulischen Bildungsinhalten zum Thema Gesundheit? Sollte die Ursache (und Lösung) dieser dramatischen Unterschiede hinsichtlich Lebenserwartung tatsächlich so trivial sein? Bildung ist insbesondere im Deutschen ein problematischer Begriff mit mindestens drei Bedeutungen: erstens als gesellschaftlich relevantes Kompetenzkapital, zweitens im Humboldt’-schen Sinn als Formung und Veredelung eines individuellen Selbstbilds und drittens als Verknüpfung von Gesellschaft und Einzelnem im Habituskonzept des französischen Soziologen Pierre Bourdieu, bei dem persönliche Netzwerke und Herkunft Renommee, Prestige und Erfolg garantieren. Gerade in letzterem Bildungsbegriff finden sich mit sozialer Einbindung und finanzieller Sicherheit zwei wesentliche gesundheitsförderliche Faktoren wieder. Für soziale Ungleichheiten kann Bildung jedoch sowohl Gift als auch Medizin in einem sein: sowohl eine Möglichkeit, sozialer Ungleichheit zu entkommen, als auch ein Hauptkriterium, um soziale Ungleichheit zu definieren.28 Aufgrund dieses Doppelcharakters fällt es schwer, einen nicht weiter definierten Bildungsbegriff mit Gesundheit zu korrelieren. Insofern darf der Begriff gesundheitliche Bildung hier als Erklärung nicht überstrapaziert werden: Bildung ist eben nur Bildung. Bildung ist kein Gesundheitskonzept und keine Wunderwaffe.
Ziel eines auf Prävention ausgerichteten Gesundheitssystems müsste es daher sein, die Lebenserwartung zwischen Gebildeten und Ungebildeten, Armen und Reichen sowie auch zwischen Männern und Frauen anzugleichen. Da wir ja schon identifiziert haben, dass wir offensichtlich eher ein Krankheits- denn ein Gesundheitssystem haben, muss man sich fragen, ob die Anreize für alle Leistungserbringer (also Ärzte, Krankenhäuser und so weiter) mit einem solch hehren Ziel übereinstimmen. Wohl eher nicht. Aber wo genau hakt es? Daher, lieber Leser, müssen wir – wohl oder übel – zusätzlich zur bisherigen wissenschaftlichen Analyse auch einen Ausflug in unser Gesundheitssystem und unsere Gesundheitspolitik machen …
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