Die letzte Sinfonie. Sophie Oliver

Die letzte Sinfonie - Sophie Oliver


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aus roten Ziegeln und Ancaster Kalkstein sah aus wie der feudale Wohnsitz einer wohlhabenden Familie. Umgeben von Gartenanlagen, gekiesten Wegen und Blumenbeeten wies die Fassade auf die Fulham Road. Als das Krankenhaus vor gut fünfzig Jahren errichtet worden war, hatten seine Planer die wohltuende, feuchte Luft im ländlichen Brompton bedacht, die den lungenkranken Patienten Erleichterung verschaffen sollte. Mittlerweile hatte das große London seine Fühler nach dem Vorort ausgestreckt und die Stadt kroch unvermeidlich näher. Trotzdem verströmte das Hospital noch immer eher ein Flair von Sommerfrische als das von unheilbarer Schwindsucht.

      Auch im Inneren setzte sich das gehobene Ambiente fort. Freddie und Crispin zeigten sich beeindruckt. Eine Krankenschwester in gestärkter Schürze führte sie durch lichtdurchflutete Gänge auf die hintere Veranda, an die sich weitere Gärten anschlossen.

      »Wie nett, dass Sie nach dem Colonel sehen. Da wird er sich freuen, bekommt er doch so selten Besuch.« Etwas abseits von den anderen Patienten saß ein älterer Herr auf einem Rattanstuhl. Obwohl die Sonne in spätnachmittäglicher Milde schien, trug er eine blau-grün karierte Wolldecke über den Schoß gebreitet.

      Er war schmal, mit Tränensäcken und einem fahlen Teint, der nur allzu deutlich verriet, wie es um ihn stand. Helle, wässrige Augen musterten sie eingehend.

      »Colonel Ellingford«, sprach die Krankenschwester ihn in einer Lautstärke an, als wäre er schwerhörig statt lungenkrank. »Hier ist Ihr Großneffe, der Sie besuchen kommt.« Sie tätschelte seine Schulter und ließ sie dann allein.

      Wortlos zeigte der alte Herr auf einen Stuhl. Crispin zog ihn Freddie heran und rückte ihn für sie zurecht. Er selbst blieb stehen.

      »Ich kann zwar kaum mehr atmen, aber mein Gehirn funktioniert noch so gut, dass ich mit Sicherheit weiß, dass ich keinen Großneffen habe. Wer sind Sie?«

      »Bitte verzeihen Sie unser unangemeldetes Eindringen, Colonel. Mein Name ist Crispin Fox und das hier ist Miss Westbrook. Wir würden Ihnen gern im Auftrag des Sebastian Clubs ein paar Fragen stellen.«

      Ein Röcheln drang aus dem Mund des Herrn. »Browns Handlanger? Dachte, der alte Schnüffler ist tot. Will er mich heimsuchen?«

      »Hätte er denn einen Grund dazu?«, fragte Freddie.

      Ein stechender Blick musterte sie von oben bis unten. Der Colonel war kein warmherziger Mann, das spürte sie nur allzu deutlich. In seinen Augen lag eine allumfassende Kälte, die ihr Schaudern über den Rücken trieb. Wie schrecklich mochte eine Ehe mit ihm gewesen sein? Hatte Nora gelitten?

      »Sie waren mit Sicherheit sein Liebling.« Er ignorierte die Frage. »Groß, blond, blauäugig, hübsch. Ganz genau wie …«

      »Nora?«

      Er zuckte zusammen. »Woher kennen Sie den Namen meiner Frau? Hat Brown von ihr erzählt? Alles Lügen!« Ein Hustenanfall schüttelte seinen Oberkörper und Colonel Ellingford presste rasch ein Taschentuch vor den Mund.

      »Was meinen Sie?«

      »Stehlen wollte er sie mir, Ihr feiner Herr Professor. Dachte, mit seinem akademischen Getue und ein paar schönen Worten könnte er sie beeindrucken. Aber sie wollte mich. Von Anfang an. Darüber ist er nie hinweggekommen.«

      »Wie ist Ihre Frau gestorben?«, fragte Crispin vorsichtig.

      »Das geht Sie nichts an. Lassen Sie mich in Frieden.« Ein neuerlicher Hustenanfall durchzuckte den mageren Körper und blutiger Schaum trat in die Mundwinkel. Mit weit aufgerissenen Augen versuchte sich Colonel Ellingford aus seinem Stuhl zu erheben.

      »Gehen Sie!«

      Erschrocken sprang Freddie auf. Der alte Herr echauffierte sich extrem, hoffentlich schadete dies seiner Gesundheit nicht noch zusätzlich. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie eine herbeieilende Krankenschwester.

      »Verzeihen Sie, Colonel. Auf Wiedersehen.« Sie zupfte Crispin am Ärmel und die beiden suchten rasch das Weite. Die Schwester drückte den noch immer hustenden Patienten wieder in den Rattanstuhl und wischte das Blut ab. Als sie die Decke zurück auf seinen Schoß legen wollte, stieß er sie unwirsch weg.

      »Sie haben kein Recht, alles einfach aufzuwühlen«, keuchte er ihnen nach. Die raue Stimme ging Freddie durch und durch. Was hatten sie getan? Offensichtlich war zwischen Aristotle Brown und Alfred Ellingford etwas vorgefallen, das mit der geheimnisvollen Nora zu tun hatte und noch immer große persönliche Wellen schlug. Nur was?

      »Das lief nicht so gut«, konstatierte Crispin lakonisch, als sie zurück im Club am Berkeley Square waren. »Ich hätte mir etwas mehr Information gewünscht.«

      »Pfffft«, machte Freddie. »Kurzzeitig habe ich befürchtet, er fällt um, weil er sich so aufregt.«

      Sie saßen im Besprechungsraum, fernab der anderen Clubmitglieder, und warteten auf die Rückkehr von Lord Philip und Doktor Pebsworth. Crispin blätterte in den Unterlagen, die auf dem Tisch lagen. »Wir sollten mit Merrit Fraser reden. Vielleicht kann der Licht ins Dunkel bringen.«

      »Der Studienfreund des Professors? Natürlich! Bestimmt weiß er mehr.«

      Crispin seufzte. »Allerdings bezweifle ich, dass dein Onkel dem Priorität einräumt. Sicher wäre ihm lieber, wenn auch wir uns wieder auf die Musiker konzentrieren. Das ist immerhin unser aktueller Fall.«

      Hin und her gerissen studierte Freddie das Porträt des ehemaligen Clubvorsitzenden an der Wand. Seine braunen, väterlich warmen Augen hatte der Maler gut getroffen. Professor Brown fehlte ihr jeden Tag. Viel mehr als der tote Trompeter beschäftigte sie das persönliche Drama um ihren verstorbenen Freund und Mentor, an das sie soeben gekratzt hatten. Stets beherrscht, hatten in ihm Leidenschaften geschlummert, ebenso wie Schmerz und Verlust, an dem er niemanden hatte teilhaben lassen. Aber Freddie wusste, wie wichtig es Brown gewesen wäre, dass sie die Wahrheit aus ihrem Dornröschenschlaf weckten, dass endlich ans Licht kam, was zu lange verborgen war.

      Sie griff sich einen der beiden Briefe, die sie im Haus des Professors gefunden hatten. »Das hier«, sie hielt ihn Crispin hin, »sind die wundervollen Worte einer Frau, die mit Leib und Seele in den jungen Aristotle verliebt ist. Er hätte ihr Herz niemals stehlen können, weil es ihm längst gehörte. Ihm und niemandem sonst, davon bin ich überzeugt. Etwas Schreckliches muss geschehen sein, dass sie ihn verließ und Ellingford heiratete. Und wir werden nicht eher ruhen, bis wir herausgefunden haben, was. Das sind wir dem Professor schuldig.«

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