Biegsam stabil. Obermeier

Biegsam stabil - Obermeier


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das Dehnen und Halten in den Asanas fällt leichter. Die Atmung sollte gleichmäßig und entspannt sein, verkrampftes Atmen erschwert das Üben. Eigentlich gibt es zu Anfang nur eine gar nicht so schwierige Technik zu beherzigen: Während der Einatmung wird der Brustkorb angehoben, die Rippen weiten sich und der Bauch wölbt sich nach vorne. Mit der Ausatmung spannen Sie aktiv (ohne sich zu verkrampfen) die Bauchmuskeln etwas an und ziehen dabei den Bauch (wie ein Staubsauger) nach innen. Ihr Brustkorb senkt sich, ohne zusammenzusinken.

      Durch diese kontrollierte, bewusste und aktive Atemlenkung wird über die faszialen Verbindungen die Durchblutung der inneren Organe angeregt und sogar massiert. Zudem wird Ihre Aufmerksamkeit ganz zu Ihnen und nach innen gerichtet.

      Jeder Übende bemerkt früher oder später, dass man in einigen Yogapositionen zwei unterschiedlich starke oder bewegliche Körperseiten hat. Oft folgt Ratlosigkeit darüber, wie mit diesen Seitendifferenzen umzugehen ist. Soll man weiter die Lieblingsseite bevorzugen und die Lieblingspositionen besonders oft üben? Oder ist es genau anders herum?

      Die Gefahr bei falschem und nicht korrigiertem Üben liegt darin, dass bewegliche Körperabschnitte meist so bevorzugt geübt werden, dass es zum ungesunden Ausleiern und Überspannen von Bändern und Gelenken kommen kann. Unbeweglichere, unbequeme und verspannte Körperstellen und Körperbereiche werden, meist (un-) bewußt, vermieden und schneller abgehandelt. Damit entsteht eine Asymmetrie im Körper, da nur einige Muskelgruppen trainiert werden und andere dagegen dauerhaft unterentwickelt und schwächer bleiben. Die Verletzungsgefahr wird stark erhöht.

      Ein gesundes Körpergefühl, eine gesunde Körpereinschätzung und auch eine richtige Schmerzinterpretation ist Ziel der regelmäßigen Yogapraxis. Lernen Sie die „schlechteren Seiten“ zu akzeptieren und mehr zu beachten! Oft wird man durch sie mit den eigenen Unzulänglichkeiten und dem „inneren Schweinehund“ konfrontiert. Schauen Sie hin und nicht weg! Ein bekannter Yogalehrer hat einmal gesagt: „Das eigentliche Yoga beginnt mit sich selbst alleine auf der Matte!“

      Das Wort Bandha kommt aus dem Sanskrit und bedeutet „Verschluss“ oder „Verriegelung“. Bandhas sollen dazu dienen, die Lebensenergie (Prana) im Körper zu halten, damit diese nicht ausströmt.

      Anatomisch kann man „Bandha“ mit der Anspannung einer speziellen Muskulatur beschreiben. Eigentlich werden die Bandhas in fast allen Yogapositionen eingesetzt, bei einigen Übungen geschieht das sehr bewusst. Sie werden Ihnen in einigen Kapiteln begegnen, hier die drei Wichtigsten im Überblick:

      Der Kinn(ver-)schluss: Die kurzen und tiefen Beuger der Hals- und Kehlkopfmuskulatur werden aktiviert, um den Kopf zentral zu positionieren.

      Der Bauchmuskelgriff: Eine kräftige Bauchmuskulatur gewährleistet die Beckenaufrichtung und ist die für die Ausatmung verantwortliche Muskulatur. Eine verspannte Bauchmuskulatur bremst und verhindert eine maximal tiefe Einatmung und vollständige Ausatmung.

      Die Beckenbodenmuskulatur: Sie wird angespannt, um die Organe des Beckens an Ort und Stelle zu halten und ihre Funktion zu unterstützen.

      Nachdem das Thema Faszien international seit gut zwanzig Jahren an Bedeutung gewinnt, ist es seit etwa sieben Jahren auch verstärkt in Deutschland prominent. Es ist sogar ein richtiger Hype darum entstanden. Nicht nur in medizinischen Fachkreisen sind die Faszien angekommen, sie haben es auch zu einem Durchbruch in unseren Lifestyle geschafft. Im Kapitel Faszien finden Sie mehr über dieses faszinierende Gewebe. An dieser Stelle will ich nur vorausschicken: Faszien sind viel mehr als nur „Verpackungsmaterial“!

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      Eingangs habe ich aus Patanjalis Sutra einen Lehrsatz zitiert: „Die ideale Haltung ist stabil und leicht zugleich.“ Meine Interpretation dieser Verszeile ist die, dass das Wohlbefinden für Körper und Geist dann am größten ist, wenn die richtige Körperhaltung im Alltag wie auch in den Yogapositionen zwar kraftvoll, aber dennoch mühelos entspannt gehalten werden kann. Meine Beobachtung ist, dass verkrampftes Halten und Üben von Yogapositionen sowie eine schlechte Haltung uns eher zum Negativen hin beeinflussen und den Geist in einem Unruhezustand belassen. Dies ist im weitesten Sinn der Ausgangspunkt meiner Arbeit.

      Wer sich für die Philosophie des Yoga interessiert, findet bei Patanjali sicher einen anregenden Ausgangspunkt. Er war der wichtigste Denker und Weise des Hatha Yoga (er lebte irgendwann im Zeitraum 200 Jahre vor bis 200 Jahre nach Christus) und hat das Standardwerk des Yoga verfasst: die oben erwähnte Yoga Sutra. Dieser Text umfasst 195 (Lehr-)Verse, sie sind in der klassischen (indischen) Dichtungsform des Sanskrit niedergeschrieben.

      Patanjali benennt in der Sutra einen achtgliedrigen Pfad, der aus verschiedenen Aspekten besteht: vom ersten Aspekt der Ethik und Moral bis hin zum achten Aspekt, der vollkommenen Erkenntnis. Auch Yogapositionen, Atemübungen (Pranayama) und die Meditation sind Aspekte dieses achtgliedrigen Pfads.

      Die Sutra gilt noch immer als wichtigster Yoga-Leitfaden für Yogalehrende (und ist damit auch für mich ein ständiger Lebensbegleiter). Ich kann Ihnen die Lektüre dieses zeitlosen Werks nur empfehlen: Patanjali hat seine Ideen und Erfahrungen in einem sehr puristischen, eingängigen Stil verfasst, sodass sie noch heute gut lesbar sind.

      In der Sutra erklärt Patanjali nichts weniger als das Gelingen eines Lebens in Freiheit: Freiheit, so der Denker, streben wir an, da der Mensch seit jeher das Bedürfnis hat, Leiden zu vermeiden und in Frieden zu leben. Leider stehen wir uns selbst dabei oft im Weg und sind zumeist unser größter Feind.

      Die Interpretationen der Sutren driften teilweise weit auseinander. Sie prägen den jeweilig praktizierten Yogastil und unterscheiden sich vor allem dadurch, welchen Stellenwert und Umfang sie den Asanas, Pranayama und Meditationen zuweisen.

      Wenn ich nach meiner Interpretation gefragt werde, antworte ich gern mit einem weiteren Zitat. Ein indischer Yogaguru sagte einmal: „Erst wenn der Mensch leidet, beginnt er sich für Yoga zu interessieren und zu üben.“

       Knochen und Gelenke

      Drehen, Strecken, Beugen, Abspreizen, Heranführen, seitliches Neigen, Vorwärtsbewegen, Rückwärtsbewegen – das alles sind Bewegungsmöglichkeiten in den vielen verschiedenen Gelenken unseres Körpers.

      Für den Bewegungsspielraum eines Gelenkes ist die Form der dazugehörigen Knochen entscheidend, deshalb haben wir sehr viele verschiedene Gelenke. Grundsätzlich bilden der sogenannte Gelenkspalt, die Gelenkschmiere, der Knorpel und die Gelenkkapsel eine Einheit. Erst im Zusammenspiel all dieser Elemente entfaltet das Gelenk seine volle Funktionsfähigkeit.

      Um sich optimal zu bewegen, benötigt jedes Gelenk ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Belastung und Entlastung. Werden Gelenke nicht bewegt, versteifen sie, werden sie physiologisch ungünstig und über einen längeren Zeitraum überbelastet, entstehen Verschleiß und Arthrose. Eine Mischung aus richtiger Be- und Entlastung sorgt daher für einen optimalen Ernährungszustand des Gelenkknorpels und die ausreichende Produktion der Gelenkschmiere, die nötig ist, um die Gelenke möglichst reibungslos zu bewegen. Mit dem Üben der Asanas werden die Gelenke mobilisiert


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