Zum Glück gibt es Wege. Clemens Bittlinger
Autoritäten des Alten Testamentes Mose und Elia vor sich sehen – gewaltige Wortführer, deren Reden und Gedanken absolut wegweisend für einen gläubigen Juden sind. Und nun wird Jesus in diesen Kontext gestellt und besonders herausgehoben durch die Aufforderung: „Auf ihn sollt ihr (nun) hören!“ Es wird damit klar: Jesus erfüllt die Botschaft des Alten Testaments, er ist der Messias, der, auf den alle warten.
Diese Erkenntnis, diese Botschaft, das lässt sie starr werden vor Furcht, vor Ehrfurcht.
Aus diesem Moment der Schreckens-und-Glücks-Starre auf dem Berg holt Jesus seine Freunde heraus, indem er sich ihnen ganz zuwendet, sie anrührt und zu ihnen sagt: „Habt keine Angst!“
Das sollen sie hören, das sollen wir hören, das ist eine der Grundbotschaften Jesu: „Du brauchst keine Angst zu haben – ich bin bei dir!“
Und als die Jünger auf dem Berg es wieder wagen aufzublicken, ist diese besondere Szene vorbei … und sie sehen nur noch Jesus.
Nun, es wurden keine Hütten gebaut – nicht für Jesus, nicht für Mose und auch nicht für Elia. Es gibt besondere Momente wie diesen, es gibt diese Glücksmomente, die lassen sich nicht festhalten, und wir tun gut daran, es auch gar nicht zu probieren.
Wären die drei Jünger damit beschäftigt gewesen, auf der Stelle Holz und Steine zu sammeln, um den Bau der Hütten auch konkret umzusetzen – oder auf unsere Zeit heute übertragen: Wären sie damit beschäftigt gewesen, ihre Kameras und Smartphones optimal in Stellung zu bringen, auf Stativen, wohlmöglich noch mit den entsprechend installierten Lichtquellen, um ja diesen wunderbaren Moment festzuhalten –, dann wäre ihnen vielleicht der eigentlich wichtige Augenblick, das Besondere der Situation, durch die Lappen gegangen.
Und das ist etwas Essenzielles. Der eigentlich wichtige Moment in unserem Leben ist der Moment, in dem wir verstehen: Jetzt spricht Gott zu uns.
Und wenn das geschieht, dann haben wir Glück, denn das passiert eher selten, nicht ständig. Aber es geschieht.
Festhalten oder gar auf solch einem Höhepunkt verweilen, das können wir nicht. Wie die Jünger, müssen auch wir zurück vom Besonderen ins Normale. Nach der klaren Gottesbegegnung zurück in trübe Tage mit den vielen offenen Fragen. Nach einem angenehm warmen Urlaub wieder zurück in den in mancher Hinsicht kühleren Alltag. Und der Wechsel geht meistens ziemlich schnell. Es kann schon sein, dass uns bereits am Flughafen die alte Hektikwelt, das Gedränge und Geschubse wieder einholen.
Aber wir werden auch merken: Wir sind nach menschlich oder geistlich besonderen Erlebnissen entspannter und erfüllt von neuen tiefen Glückserfahrungen – und haben damit ein Stück Wegzehrung für die kommenden Wochen und Monate. Wegzehrung für die nächste Wegstrecke.
CB
Glück ist …
… wenn wir echte Begegnung erleben
Es gibt Menschen, die uns guttun. Wenn wir ihnen begegnen, wenn wir mit ihnen sprechen, dann kommen wir mit uns selbst in Berührung. Dann spüren wir für einen Augenblick lang ein unbeschreibliches Glück. Sie berühren unser Herz. Sie bringen uns in Berührung mit der Sehnsucht in uns nach Frieden, nach Lebendigkeit, nach Übereinstimmung, nach Glück. Manchmal sind solche Menschen für uns wie ein Engel. Sie kommen im richtigen Augenblick. Sie finden das Wort, das genau in unsere Situation passt.
Wenn wir mit solchen Menschen sprechen, dann wird uns auf einmal alles klar. Das Wirre und Trübe klärt sich. Und wenn wir uns gerade noch allein gefühlt haben, so spüren wir jetzt eine innere Verbindung. Wir sind nicht allein. Der Engel, der uns anspricht, führt uns tiefer in den Grund unserer Seele, in dem wir all-eins sind, eins mit uns selbst, eins mit allen Menschen, eins mit der Schöpfung, eins mit Gott.
AG
2. Wegweiser: Segen
Abraham war glücklich an seinem Wohnort Haran. Er hatte sich gut eingerichtet, mit seiner Frau Sarai, mit seinen Knechten und seinen Viehherden. Doch mitten aus seinem Glück ruft ihn Gott heraus: „Zieh weg aus deinem Land, von deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde“ (Gen 12,1). Abraham musste alles verlassen, um sich auf den Weg Gottes zu machen. Doch Gott verheißt dem Abraham, dass er ihn segnen werde und dass er selbst ein Segen sein soll. Die Zukunft des Abraham besteht nicht darin, dass er sich wohlfühlt, sondern dass er ein Segen wird für andere Menschen. Das ist eine neue Form des Glücks. Es geht nicht mehr um das, was ich selbst empfange, sondern um das, was von mir ausgeht. Und es gibt kaum ein größeres Glück, als Segen sein zu dürfen für andere. Manchmal sagen wir zu einem Menschen: „Du bist ein Segen für mich.“ Aber wir trauen uns kaum zu sagen: „Ich bin ein Segen.“ Die Geschichte Abrahams will uns einen Weg zeigen, wie wir selbst ein Segen sein dürfen für andere. Es geht nicht darum, dass wir viel leisten, sondern dass wir wie Abraham ausziehen.
Abraham ist für Paulus das Urbild des Glaubens. Glauben heißt: ausziehen und sich auf den Weg machen, den Gott mir zeigt. Die frühen Mönche haben den dreifachen Auszug – aus dem Land, aus der Verwandtschaft und aus dem Vaterhaus – so verstanden:
Wir sollen ausziehen aus allem, was uns festhält: aus unseren Gewohnheiten, von denen wir abhängig sind, von den Menschen, die uns festhalten und uns daran hindern, unseren eigenen Weg zu gehen, aus Bindungen, die uns unfrei machen.
Wir sollen ferner ausziehen aus den Gefühlen der Vergangenheit. Es gibt manche Menschen, die schwärmen immer nur von der Vergangenheit. Da war ihr Leben noch in Ordnung. Da war alles wunderbar. Doch sie leben dann nicht in der Gegenwart. Andere kreisen immer nur um die negativen Gefühle, die sie mit ihrer Kindheit verbinden, um die Verletzungen und Entwertungen, die sie erfahren. Auch daraus sollen wir ausziehen, damit wir jetzt in der Gegenwart unseren Weg gehen und uns auf das einlassen, was uns auf dem Weg hier und heute begegnet.
Und der dritte Auszug besteht darin, dass wir aus allem Sichtbaren ausziehen. Das Sichtbare ist nicht alles. Unser Weg zielt auf das Unsichtbare. Novalis hat das in dem schönen Wort ausgedrückt: „Wohin denn gehen wir? Immer nach Hause.“ Wir gehen letztlich immer auf Gott hin, immer auf eine letzte Heimat hin. Paulus drückt das so aus: „Unsere Heimat ist im Himmel“ (Phil 3,20).
Die jüdische Tradition hat den dreifachen Auszug Abrahams so verstanden: Du sollst ausziehen aus den Trübungen, die dir dein Vater bereitet hat, aus den Trübungen, die dir die Mutter bereitet hat, und aus den Trübungen, die du dir selbst bereitet hast. Doch wie sollen wir das verstehen? Der Vater sieht in seinem Sohn oft nicht diesen einmaligen Sohn, den Gott ihm geschenkt hat, sondern er projiziert seine eigenen Lebensträume in den Sohn hinein. Der Sohn soll das studieren, was der Vater nicht studieren konnte. Er soll all die unerfüllten Träume des Vaters leben. Oder aber der Vater sieht in dem Sohn all das Negative, das er selbst in seiner Seele verdrängt hat. Der Sohn wird dann entweder zum Traumfänger, der die Träume des Vaters leben soll, oder aber zum Sündenbock, der all das Böse, das der Vater verdrängt hat, verkörpert. Beide Sichtweisen trüben das Selbstbild des Sohnes. Der Sohn weiß gar nicht, wer er eigentlich ist.
Wir sollen ausziehen aus den Trübungen, die die Mutter uns bereitet hat. Auch die Mutter sieht im Sohn oder in der Tochter nicht dieses einmalige Kind, sondern sie trübt das Selbstbild ihrer Kinder durch ihre eigenen Schattenseiten, die ihren Blick verdunkeln. Eine Frau erzählte mir, dass sie als Kind eine Schwester hatte, die ihre Verwandten für hübscher hielten als sie selbst. Jetzt wurde sie Mutter einer schönen Tochter. Doch sie konnte sich gar nicht darüber freuen, sondern sah in der Tochter immer die Rivalin. Wir kennen dieses Motiv ja vom Märchen „Schneewittchen“. Die Stiefmutter sieht in der schönen Tochter nur eine Rivalin. Die Tochter weiß gar nicht, was mit ihr geschieht. Ihr Selbstbild wird getrübt. Oder wenn die Mutter sich als Frau nicht annehmen kann, trübt sie das Selbstbild der Tochter als Frau. Von solchen Trübungen sollen wir ausziehen, damit wir das einmalige Bild leben, das Gott sich von uns gemacht hat.
Wir sollen drittens ausziehen aus den Trübungen, die wir uns selbst bereitet haben. Wir sehen uns selbst auch nicht so, wie Gott uns sieht. Gott hat sich von jedem von uns ein einmaliges Bild gemacht. Aber wir haben oft Bilder der Selbstüberschätzung