Wörterbuch alttestamentlicher Motive. Группа авторов
ein zentrales metaphorisches Feld für das Konzept „Gott“ im AT dar (eine „Wurzelmetapher“, vgl. METTINGER 1988, 92). Ihm sind weitere Symbolisierungen zugeordnet. Ausdrücke wie das „Leuchten“ oder das „Licht des Angesichts“ JHWHs (Ps 4,7; 31,17; 44,4; 67,2; 80,4.8.20; 119,135), die ihre Wurzeln im kosmischen Symbolismus haben (Sonnenlicht, Morgenrot), werden auch auf den irdischen Herrscher bezogen verwendet (Spr 16,15). Andererseits zeigt das Paradigma des göttlichen Lichts und göttlichen Strahlens, wie göttliche und menschliche Bereiche ähnlich und zugleich – angesichts der Differenz zwischen Mensch und Gott –, doch auch unterschiedlich konzeptualisiert sind. So hat die Rede von Gottes strahlendem Angesicht einen deutlich weiteren Bedeutungsumfang als im Fall des menschlichen Königs (umfassende Zuwendung, Aufnahme des Gegenübers in die schützende göttliche Thronsphäre). Das gilt auch für die negative Seite der göttlichen Präsenz, wie sie mit dem Ausdruck „Verbergen des Angesichts“ (histîr pānîm; BALENTINE 1983) bezeichnet wird. Im AT gibt es keinen direkten terminologischen Beleg für das verborgene Angesicht eines Herrschers (aber immerhin Ex 10,28f.; 2 Sam 14). Als Topos hingegen kommt das verborgene Angesicht JHWHs häufig vor, und zwar in Klagegebeten des Einzelnen und des Volkes (z.B. Ps 27,9; 69,18; 102,3; 143,7; → Klage). Es wird auch dann verwendet, wenn in den schriftprophetischen Büchern über JHWHs Zorn und Strafe im Lauf der Geschichte gesprochen und darüber reflektiert wird (z.B. Jes 8,17; 54,8; 64,6; → Zorn Gottes).
3 Kulturelle Zusammenhänge und Symbolbedeutung
Die Symbolik des göttlichen Angesichts thematisiert die fundamentale Opposition von Leben und → Tod. Das Angesicht Gottes bezieht sich auf Leben und bringt Leben (vgl. Ps 36; 63), seine Abwesenheit signalisiert und bringt den Tod (vgl. Ps 88). Das Angesicht als die eigentliche Mitte der Lebensfülle JHWHs steht in Beziehung zu anderen Begriffen wie „Ruhm/Ehre/Herrlichkeit“ (kāḇôḏ), „Güte/Freundlichkeit“ (ṭûḇ) und „Freundlichkeit/Schönheit“ (noʿam), die alle auch visuelle Konnotationen haben können (vgl. Ps 27,4.13; Ex 33,18–23). Das Angesicht JHWHs ist ein herausragendes Beispiel für den in der Auslegungstradition nicht selten kritisch hinterfragten biblischen Anthropomorphismus. Moderne Bibelleser wundern sich oft darüber, dass das Alte Israel von seinem Gott wie andere Völker des Alten Orients oder der Antike in konkreten körperlichen Kategorien dachte und dabei Begriffe wie Gesicht, Arm, → Hand und Augen oder auch Mund und Stimme benutzte (→ Körper). Solche Anthropomorphismen waren ein integraler Bestandteil ihrer Weltsicht und sollten auf hermeneutischer Ebene als „soziomorphe“ Konzepte der Vorstellung Gottes (v.a. als König, HARTENSTEIN 2008, 10–26) verstanden werden. Wie andere Anthropomorphismen ist die Rede vom „Angesicht“ ein für die Begriffswelt der Bibel notwendiges Element in der Kommunikation zwischen Gott und der Menschheit. Weil das Konzept „Gott“ Teil der Symbolwelt ist, von der aus eine Kultur – die des Alten Israel – die Welt deutete, konnte es nicht anders als in metaphorischer Weise gedacht und zur Sprache gebracht werden. An vier Stellen im AT wird das „Angesicht“ verwendet, um die Personhaftigkeit JHWHs direkt auszudrücken (Ex 33,14; Dtn 4,37; Jes 63,9; Kgl 4,16). Nur an diesen Stellen ist das Angesicht grammatisches Subjekt göttlicher Aktionen in einem Satz – an allen anderen Stellen wird es grammatisch als Objekt göttlicher oder menschlicher Handlungen eingesetzt. Bemerkenswerterweise gibt es unter den punischen Inschriften des ersten Jahrtausends v. Chr. ein Zeugnis für ein vergleichbares Konzept, bei dem die Göttin Tannit als „das Angesicht Baals“ (pn bʿl) bezeichnet wird, womit offenbar das wohlwollende Wesen Baals, seine zugängliche Seite gemeint ist (KAI 78,2; 79,1.10f, 85,1; 86,1; 87,2; 88,1; 137,1 vgl. RENZ/RÖLLIG 1995).
Die ausführlichste theologische Reflexion zum göttlichen Angesicht im AT findet sich in Ex 32–34 (HARTENSTEIN 2008, 265–283; MARK 2011, 418–584). Ex 32 eröffnet den Reflexionszusammenhang mit der Erzählung vom goldenen Jungstierbild (→ Tier). Nachdem JHWH in Ex 32 angesichts des von ihm nicht befohlenen Bilderdienstes Israels seinem richtenden Zorn freien Lauf lassen will und von Mose gerade noch gestoppt werden kann (Ex 32,7–14), handelt Ex 33 von Moses Bemühen, die wohlwollende Anwesenheit JHWHs zurückzuerlangen. Obwohl er in V. 14 als einziger verbleibender Mittler den Zuspruch erhält „mein Angesicht wird gehen“, d.h. mit ihm/ihnen, bleibt auch ihm der anschließend erbetene unmittelbare Zugang zu JHWHs Angesicht verwehrt (Ex 33,18–34,6). Stattdessen darf er nur Gottes Rückseite sehen, weil Gott ihn vor den Auswirkungen seiner unverhüllten Gegenwart beschützen will (vgl. Elijas Reaktion in 1 Kön 19,13). Auch wenn die im Motiv des „Angesichts Gottes“ vorgestellte Zuwendung Gottes grundsätzlich als heilvoll erwartet wird, gilt für alttestamentliches Denken doch auch der Grenzsatz: Wer Gott – unverstellt – sieht, muss sterben/vergehen (Ex 33,20; vgl. Jes 6,5). In Ex 34,29–35 spiegelt umgekehrt das Gesicht des Mose, nachdem er JHWHs Wohnort verlassen hat, den göttlichen Glanz wider, ohne dass Mose es bemerkt. Aufseiten Israels ruft er damit Furcht hervor, selbst der Widerschein des Göttlichen erscheint als gefährlich. Zugleich zeigt der Glanz im Gesicht des Mose aber auch die Vermittlung der Tora an (vgl. die berühmte Aufnahme und Interpretation der Stelle durch Paulus in 2 Kor 3,4–18). Die Dialektik von Anwesenheit und Abwesenheit, symbolisiert im göttlichen Angesicht, bezeichnet darum in den Erzählungen von Israels Gründungsmythos (→ Exodus und Sinai, vgl. → Berg) den Gott JHWH als immer zugleich nahen und fernen, zugewandten und entzogenen Gott.
4 Literatur
BALENTINE, Samuel E. (1983): The Hidden God, Oxford 1983.
GRUBER, Mayer I. (1980): Aspects of Nonverbal Communication in the Ancient Near East, Rom.
HARTENSTEIN, Friedhelm (2008): Das Angesicht JHWHs, Tübingen.
MARK, Martin (2011): „Mein Angesicht geht“ (Ex 33,14), Freiburg i.Br. u.a.
NÖTSCHER, Friedrich (1924): „Das Angesicht Gottes schauen“ nach biblischer und babylonischer Auffassung, Würzburg 1924.
OPPENHEIM, Adolf Leo (1941): Idiomatic Akkadian, in: Journal of the American Oriental Society 61, 251–271.
REINDL, Joseph (1970): Das Angesicht Gottes im Sprachgebrauch des Alten Testaments, Leipzig.
RENZ, Johannes; RÖLLIG, Wolfgang (1995): Handbuch der althebräischen Epigraphik II/1, Darmstadt.
SEOW, Choon-Leong (1999): Face, in: K. van der Toorn, B. Becking, P.W. van der Horst (Hrsg.): Dictionary of Deities and Demons in the Bible, Leiden/New York/Köln, 322–325.
Friedhelm Hartenstein, Jutta Krispenz(
Arche → Kasten, bergender
Assur
1 Biblischer Befund
Der Name begegnet im AT als Ašûr, was vielleicht auf babylonische Vermittlung schließen lässt (die neuassyrische Aussprache lautete Assur). Er ist im AT ca. 140 mal bezeugt, wobei sich die Belege auf 19 verschiedene biblische Bücher verteilen (vgl. CLINES 1993, 412f.). D abei können mit dem Namen Assur mehrere Bedeutungsebenen verbunden sein. In der Regel wird damit das Land Assur, also Assyrien, bezeichnet (König von Assur). Teilweise schließt dies auch das Gentilizium Assyrer mit ein (etwa Jes 10,5f.). Die → Stadt selbst ist vielleicht einmal Gen 2,14 genannt, doch bleibt auch in diesem Fall eine Interpretation als Land Assur möglich (FRAHM 2011, 271). Einen Sonderfall stellt die Völkertafel Gen 10 dar. Assur wird dort zwei Mal erwähnt. In beiden Fällen repräsentiert Assur wohl einen „heros eponymos“ und damit eine mythische Figur. In Gen 10,22 tritt er gemeinsam mit seinen Brüdern als einer der Söhne Sems auf: „Die Söhne Sems sind: Elam, Assur, Arpachsad, Lud und Aram“. Schwieriger zu deuten ist Gen 10,8–11. Konventionell wird die Stelle zwar als ein Verweis auf Assyrien verstanden, doch sprechen grammatikalische Gründe für eine andere Interpretation: „Kusch aber zeugte Nimrod; der war der erste, der Macht gewann auf Erden. … Der Anfang seines Reiches war Babel, Erech und Akkad, alle im Lande Sinear (Babylonien). Von diesem Lande (Sinear) zog Assur aus und baute Ninive und Rehobot-Ir und Kelach“ (vgl. FRAHM 2011, 269f.).