Wörterbuch alttestamentlicher Motive. Группа авторов

Wörterbuch alttestamentlicher Motive - Группа авторов


Скачать книгу
Zeitraum zwischen 750 und 690 v. Chr. überhaupt keine Rolle. Namentlich genannte, „historische“ assyrische Könige kommen eigentlich nicht vor. Dafür wird Assyrien als erstes Großreich der Geschichte in ein historisches Kontinuum gestellt, wobei das Augenmerk auf Anfang und Ende dieses Imperiums gelegt werden. Der Beginn wird mit einem eponymen König und einer großen Königin verknüpft (Ninos und Semiramis), das Ende in einem dramatischen Geschehen an einem verweichlichten und effeminierten König (Sardana-pal) festgemacht (ROLLINGER 2011b). Diese Potentaten spielen im AT überhaupt keine Rolle. Nur die in Nah 2,8 genannte assyrische Königin könnte man vielleicht mit dem Ende Ninives in Verbindung bringen, wie man auch die Jonageschichte als ein satirisches Spiel mit der Semiramis-Legende lesen kann (FRAHM 2011, 278f). Schließlich ist die Konzeption der Weltgeschichte als eine Abfolge von imperialen Großreichen eine Konzeption der klassischen Historiographie, die erst sekundär von Daniel aufgegriffen wird (WIESEHÖFER 2004). Trotz dieser vielfältigen Unterschiede, die vollkommen divergierende Traditionsströme und gegensätzliche Perspektiven verraten, ist eine Gemeinsamkeit unverkennbar: Auch der klassischen Überlieferung ist die Stadt Assur unbekannt. Wenn sie eine assyrische Metropole ins Auge nimmt, ist dies Ninos (Ninive). Im Kontext der biblischen Bücher hat man diesen Sachverhalt immer wieder mit dem Umstand zu erklären versucht, dass in der Zeit, die im AT besonders anschaulich dargestellt ist, Ninive die wichtigste assyrische Residenzstadt gewesen wäre (DIETRICH 2002, 115; FRAHM 2011, 271f.). Diese Erklärung vermag allerdings nicht gänzlich zu befriedigen. Schließlich kam der Stadt Assur als Kultort des für die assyrische Königsideologie so wichtigen Reichsgottes Assur gerade auch in sargonidischer Zeit eine wesentliche Rolle zu (LIVINGSTONE 1995). Assyrische Gouverneure waren verpflichtet, Opfergaben für Assur nach Assyrien zu schicken (HOLLOWAY 2002, 100–108). Auch nach dem Untergang der Stadt 614 v. Chr. gab es einen Kult des Gottes Assur in Uruk (BEAULIEU 1997), und das Gedächtnis an Assurbanipal wurde von babylonischen Schreibern bis in frühhellenistische Zeit bewahrt (GOLDSTEIN 2010). Außerdem ist in Assur selbst ein Kultbetrieb bis in parthische Zeit belegt (LIVINGSTONE 2009). Dass die Stadt trotzdem weder in biblischen noch in klassischen Quellen erscheint, ist eine Eigentümlichkeit, die somit nach wie vor einer überzeugenden Erklärung harrt, wie auch die Abwesenheit Assurbanipals in diesen beiden Überlieferungsströmen nur schwer verständlich ist (in der klassischen Überlieferung mag er sich hinter Sardanapal verbergen). Auch in jenen biblischen Büchern, die historische Traditionen bewahren, erscheint Assur in erster Linie als eine widerwärtige, gottesferne, selbstgerechte und überhebliche imperiale Macht. Der von den neuassyrischen Königen begründete imperiale Machtanspruch findet eine pointierte Charakterisierung in Zef 2,15: „Ich und sonst niemand“. Assur wird auf diese Weise zur Chiffre einer alles bedrohenden Weltherrschaft.

      Unter dieser Perspektive können auch der Perserkönig (Esra 6,22) oder Nebukadnezzar als Könige von Assur (Jdt 1,1) auftreten, wobei letzterer sogar in Ninive residiert (ROLLINGER 2009). Inwieweit religiöse Konzeptionen in den biblischen Büchern auf assyrischen Einfluss zurückgehen, ist in der Forschung umstritten. Auf entsprechende Anregungen wurden sowohl die Bundestheologie als auch der auf JHWH fokussierte Monotheismus zurückgeführt (LEVINE 2003; OTTO 1999). Die Diskussion darüber ist nach wie vor im Gange (FRAHM 2011, 279–285).

      3 Literatur

      BAGG, Ariel M. (2011): Die Assyrer und das Westland. Studien zur historischen Geographie und Herrschaftspraxis in der Levante im 1. Jt. v. u. Z., Leuven/Paris/Walpole, Ma.

      BEAULIEU, Paul-Alain (1997): The Cult of AN.ŠÀR/Aššur in Babylonia after the Fall of the Assyrian Empire, in: State Archives of Assyria Bulletin 11, 55–73.

      CLINES, David J.A (1993) (Hrsg.): The Dictionary of Classical Hebrew, Band 1, Sheffield 1993.

      DIETRICH, Walter (2002): Ninive in der Bibel, in: O. Loretz, K.A. Metzler, H. Schaudig (Hrsg.): Ex Mesopotamia et Syria lux, Festschrift Manfried Dietrich, Münster, 115–131.

      FALES, Frederick M. (2008): On Pax Assyriaca in the Eighth-Seventh Centuries BCE and its Implications, in: R. Cohen und R. Westbrook (Hrsg.): Isaiah’s Vision of Peace in Biblical and Modern International Relations, New York, 17–35.

      FEIX, Josef (Hrsg.) (62001): Herodot, Historien Griechisch–Deutsch, Düsseldorf.

      FRAHM, Eckart (1997): Einleitung in die Sanherib-Inschriften, Wien.

      FRAHM, Eckart (2009): Warum die Brüder Böses planten. Überlegungen zu einer alten Crux in Asarhaddons ‚Ninive A‘-Inschrift, in: W. Arnold, M. Jursa, W. W. Müller und S. Procházka (Hrsg.): Philologisches und Historisches zwischen Anatolien und Sokotra. Analecta Semitica in Memoriam Alexander Sima, Wiesbaden, 27–49.

      FRAHM, Eckart (2011): Mensch, Land und Volk: Aššur im Alten Testament, in: J. Renger (Hrsg.): Assur – Gott, Stadt und Land, Wiesbaden, 266–285.

      GOLDSTEIN, Ronnie (2010): Late Babylonian Letters on Collecting Tablets and their Hellenistic Background – a Suggestion, in: Journal of Near Eastern Studies 69, 199–207.

      GRABBE, Lester L. (2003) (Hrsg.): „Like a Bird in the Cage“. The Invasion of Sennacherib in 701 BCE, Sheffield.

      HAUBOLD, Johannes; LANFRANCHI, Giovanni B.; ROLLINGER, Robert; STEELE, John (Hrsg.) (2013): The World of Berossus, Wiesbaden.

      HOLLOWAY, Steven W. (2002): Aššur is King! Aššur is King! Religion in the Exercise of Power in the Neo-Assyrian Empire, Leiden.

      KREUCH, Jan (2011): Unheil und Heil bei Jesaja. Studien zur Entstehung des Assur-Zyklus Jes 28–31, Neukirchen-Vluyn.

      LANFRANCHI, Giovanni B. (2009): A Happy Son of the King of Assyria. Warikas and the Çineköy Bilingual (Cilicia), in: M. Luukko, S. Svärd und R. Mattila (Hrsg.): Of God(s), Trees, Kings, and Scholars: Neo-Assyrian and Related Studies in Honour of Simo Parpola, Helsinki, 127–150.

      LEVINE, Baruch A. (2003): „Wehe, Aššur, Rute meines Zorns!“ Der biblische Monotheismus als Antwort auf die neue politische Realität des assyrischen Weltreiches, in: M. Oeming und K. Schmid (Hrsg.): Der eine Gott und die Götter: Polytheismus und Monotheismus im antiken Israel, Zürich, 77–96.

      LIVINGSTONE, Alasdair (1995): Assur, in: K. van der Toorn, B. Becking, P.W. van der Horst (Hrsg.): Dictionary of Deities and Demons in the Bible, Leiden/New York/Köln, 200–203.

      LIVINGSTONE, Alasdair (2009): Remembrance at Assur: The Case of the Dated Aramaic Memorials, in: M. Luukko, S. Svärd und R. Mattila (Hrsg.): Of God(s), Trees, Kings, and Scholars: Neo-Assyrian and Related Studies in Honour of Simo Parpola, Helsinki, 151–157.

      MACHINIST, Peter (1983): Assyria and ist Image in the First Isaiah, in: Journal of the American Oriental Society 103, 719–738.

      MATTILA, Raija (2000): The King’s Magnates. A Study of the Highest Officials of the Neo-Assyrian Empire, Helsinki.

      MILLARD, Alan R. (1976): Assyrian Royal Names in Biblical Hebrew, in: Journal of Semitic Studies 21, 1–14.

      DE ODORICO, Marco (1995): Numbers and Quantifications in the Assyrian Royal Inscriptions, Helsinki.

      OTTO, Eckart (1999): Das Deuteronomium: Politische Theologie und Rechtsreform in Juda und Assyrien, Berlin/New York.

      PARPOLA, Simo (1980): The Murderer of Sennacherib, in: B. Alster (Hrsg.): Death in Mesopotamia, Copenhagen, 171–181.

      ROLLINGER, Robert (1996a): Altorientalische Motivik in der frühgriechischen Literatur am Beispiel der homerischen Epen. Elemente des Kampfes in der Ilias und in der altorientalischen Literatur (nebst Überlegungen zur Präsenz altorientalischer Wanderpriester im früharchaischen Griechenland), in: C. Ulf (Hrsg.): Wege zur Genese griechischer Identität. Die Bedeutung der früharchaischen Zeit, Berlin, 156–210.

      ROLLINGER, Robert (1996b): The Terms ‚Assyria‘ and ‚Syria‘ Again, in: Journal of Near Eastern Studies 65/4, 283–287.

      ROLLINGER, Robert (2008): Babylon in der antiken Tradition – Herodot, Ktesias, Semiramis und die Hängenden Gärten, in: J. Marzahn, G. Schauerte (Hrsg.): Babylon. Wahrheit, Berlin, 487–502.

      ROLLINGER,


Скачать книгу