Methoden in der Politikwissenschaft. Rolf Frankenberger

Methoden in der Politikwissenschaft - Rolf Frankenberger


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die Replikationsstudie, bei der Forscher:innen eine Studie auf der Basis der verwendeten Methoden und Daten nochmals durchführen. Bei gleicher Vorgehensweise sollten dann auch die gleichen Ergebnisse erzielt werden. Ist dies nicht der Fall, so sollte dem genauer auf den Grund gegangen werden. Auch sogenannte Meta-Analysen können der Qualitätssicherung dienen. Sie untersuchen mehrere Studien zu einem Themenbereich und vergleichen die Vorgehensweisen und Befunde der einzelnen Studien systematisch. Dabei fallen Gemeinsamkeiten und Abweichungen auf. Gerade Abweichungen von »üblichen« Ergebnissen können auf Schwächen entweder der abweichenden Studie oder der bisherigen Studien hinweisen. Daran anschließend – oder unabhängig – können systematische Theorietests durchgeführt werden.

      Merkkasten 1: Maßstäbe wissenschaftlichen Arbeitens

      • Präzise und verständliche Sprache

      • Klare Begriffsdefinitionen

      • Übersichtliche, logisch stringente Argumentation

      • Offenlegen von Grundannahmen und Interessen

      • Quellen und Verweise kennzeichnen

      • Methoden der Datenerhebung und der Datenanalyse darlegen

      • Immunisierungsverbot: keine unklaren Formulierungen, Bezüge auf Autoritäten sind keine hinreichenden Begründungen, Akzeptanz logischer und empirischer Kontrolle

      2.1 Theorien als wichtige Grundelemente

      Der Philosoph und Wissenschaftstheoretiker Karl Popper definiert Wissenschaft wie folgt: »Die Tätigkeit des wissenschaftlichen Forschens besteht darin, Sätze oder Systeme von Sätzen aufzustellen und systematisch zu überprüfen; in den empirischen Wissenschaften sind es insbesondere Hypothesen, Theoriensysteme, die aufgestellt und an der Erfahrung durch Beobachtung und Experiment überprüft werden« (Popper 1966, 3). Diese Definition beinhaltet die bereits diskutierten Elemente von Alemann und Forndran und führt darüber hinaus weitere Begriffe ein, die für das wissenschaftliche Arbeiten von zentraler Bedeutung sind: Theorien, Sätze und Hypothesen.

      Theorien können definiert werden als »heuristische Mittel, mit deren Hilfe […] die unmittelbare Anschauung übersteigende[ ], systematische[ ] Informationen über nicht offensichtliche Aspekte der Wirklichkeit gewonnen werden sollen« (Westle 2009, 50). Sie dienen dazu, das Besondere in das Allgemeinere einzuordnen und einzelne Erscheinungen in einen Zusammenhang zu bringen. Oft geschieht dies in der Form eines kausalen Zusammenhangs von Ursache und Wirkung. Sozialwissenschaftliche Theorien kann man sich dabei als modellähnliche, abstrakte und damit reduzierte Konstruktionen von Wirklichkeit vorstellen, in denen geronnenes Wissen über sich wiederholende Verhaltensweisen oder Entwicklungen aufbewahrt wird. Sie stellen Begriffe, Argumente und Denkmuster bereit, die Ordnung in die Beschäftigung mit der Wirklichkeit bringen. Das Ziel von Theorien ist es, Ausschnitte der Wirklichkeit sprachlich abzubilden. Sie sollen die in der Wirklichkeit existierenden kausalen Zusammenhänge zwischen einzelnen Phänomenen oder Tatsachen in Aussagen fassen, die allgemeine Gültigkeit beanspruchen (allgemeine Sätze) und gleichzeitig die Tatsachen adäquat beschreiben (singuläre Sätze). Diesen Zusammenhang zwischen Wirklichkeit und Sprache nennt man Korrespondenztheorie der Wahrheit (vgl. Behnke u. a. 2006, 21–23; image Abb. 1).

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       Theorien dienen also dazu, die Wirklichkeit, wie wir sie über unsere Sinneseindrücke (oder empirische Methoden als Hilfswerkzeuge) erfahren, vermittels Sprache abzubilden und dabei Aussagen über kausale Zusammenhänge zu treffen. Theorien müssen den Kriterien der Wissenschaftlichkeit und insbesondere der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit entsprechen, um verstehbar und auch überprüfbar zu sein.

      Theorien sind damit auch Anleitung oder Grundlage eines Forschungsprozesses. Sie bündeln das Forschungsinteresse auf ein bestimmtes Phänomen, formulieren Analyseperspektiven und bieten darüber hinaus mit ihren Begriffen und Definitionen Hinweise dafür, wie einzelne Begriffe so übersetzt oder operationalisiert werden können, dass man sie in der Wirklichkeit messen kann. Die daraus abgeleitete empirische Untersuchung dient dann der Überprüfung der Gültigkeit oder des Wahrheitsgehaltes einer Theorie. Aus dieser Perspektive stehen am Anfang jeder Forschung Theorien, welche dann an die durch diese Theorien vorstrukturierte Empirie rückgebunden werden müssen. Zugleich werden Theorien gerade in den Sozialwissenschaften auf der Basis empirischer Beobachtungen formuliert, sodass so betrachtet Beobachtungen am Anfang der Erkenntnis stehen. Im Grunde handelt es sich bei wissenschaftlichem Arbeiten somit um einen zirkulären Prozess (image Abb. 2), der Empirie (also die Beobachtung oder empirische Erfahrung) und Theorie (also die verallgemeinerten Annahmen über Zusammenhänge in der Empirie) verbindet.

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      Merkkasten 2: Funktionen von Theorien (vgl. Westle 2009, 51)

      • Theorien beruhen auf Beobachtungen und lenken Beobachtung.

      • Theorien bilden Ausschnitte der Wirklichkeit ab.

      • Theorien formulieren Annahmen über kausale Zusammenhänge zwischen Ereignissen.

      • Theorien entstehen in einem sozialen Prozess (Forschung). Sie werden zu einer bestimmten Zeit in einem bestimmten Kontext formuliert.

      • Theorien sind so formuliert, dass sie überprüfbar und damit widerlegbar sind.

      2.2 Bausteine wissenschaftlichen Arbeitens: einige Definitionen

      Ein Problem bei der Verwendung von Sprache ist deren Präzision. Dies gilt auch und gerade für wissenschaftliches Arbeiten. Denn Kommunikation kann leicht scheitern, wenn wir uns nicht exakt ausdrücken. Dies liegt vor allem daran, dass in der Alltagssprache die verwendeten Elemente meist nicht genau definiert werden. Stattdessen verlassen wir uns darauf, dass unsere Gesprächspartner:innen im Großen und Ganzen dasselbe meinen, wenn sie dieselben Worte verwenden. So bewegen wir uns etwa in einer Dorfkneipe bei politischen Diskussionen auf der Ebene der Alltagssprache – und damit auch auf der Ebene subjektiver Politikbegriffe, die sehr unterschiedlich sein können (image Kap. 4.1). Im wissenschaftlichen Kontext kommen wir mit diesen Begriffen nicht besonders weit, da sie meist unreflektiert und ohne genaue Festlegung ihrer Bedeutung verwendet werden. Will man jedoch die Wirklichkeit so genau wie möglich abbilden und die eigenen Aussagen verstehbar, nachvollziehbar und nicht zuletzt messbar machen, so sollte man sich Gedanken darüber machen, wie man verwendete Ausdrücke von der Alltagssprache in eine präzisere Sprache übersetzen kann.

      Dabei können sprachwissenschaftliche Konzepte aus der Semantik (der Wissenschaft von der Bedeutung der Zeichen) hilfreich sein. In der Bedeutungstheorie wird bei sprachlichen Ausdrücken unterschieden zwischen der Intension (Bedeutung) und der Extension (dem Bezug oder Referenten).

      Als Intension bezeichnet man den Sinn des Ausdrucks. Der Sinn oder die Bedeutung ist das, was man beim Verstehen des Ausdrucks erfasst. Wenn man den Ausdruck ›Staat‹ hört, so wird man damit eine Vorstellung verbinden, z. B. die Grenzen oder die Organisationsform eines Staates. Wenn der Ausdruck ›Demokratie‹ fällt, kann man z. B. Wahlen damit verbinden oder Meinungsfreiheit. Je genauer man selbst festlegt, was man unter einem Ausdruck versteht, desto exakter ist Kommunikation möglich.


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