Böse Affen. Ilka Sokolowski
Informationen zum Buch
Ein Aushilfsjob hat Leo Heller auf die CeBIT verschlagen, wo sie zu ihrer Verblüffung auf drei Affen stößt. ›Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen‹ scheint auf einmal das Motto aller Leute zu sein, mit denen Leo es zu tun bekommt …
Informationen zur Autorin
Ilka Sokolowski, Jahrgang 1965, aufgewachsen in Stadthagen, studierte Germanistik, Anglistik und Philosophie. Nach mehrjähriger Verlagstätigkeit lebt und arbeitet sie heute in Hannover als Autorin von Sachbüchern und Romanen.
Ilka Sokolowski
Böse Affen
Kriminalroman
Impressum
© 2011 zu Klampen Verlag • Röse 21 • D-31832 Springe
[email protected] • www.zuklampen.de Herausgegeben von Susanne Mischke Titelgestaltung: »In Zeiten wie diesen« – Büro für Kommunikation, Konzept & Kreation, Hannover Konvertierung: Konvertierung Koch, Neff & Volckmar GmbH, KN digital – die digitale Verlagsauslieferung, Stuttgart
ISBN 978-3-86674-112-6
Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig.
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Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über ‹http://dnb.ddb.de› abrufbar.
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An einem kalten Vormittag im März klemmte Leo Heller mit dem rechten Unterarm zwischen den Stäben eines Affenkäfigs und schwor sich, dass sie ihren Job hinschmeißen würde. Gründe dafür gab es genug: Mies bezahlte Knochenarbeit, die versprochene Hilfskraft ein Phantom und die einzige Sackkarre geklaut, obwohl sie sie nur einen Moment lang aus den Augen gelassen hatte. Da war diese Bombendrohung gewesen, schon die zweite innerhalb kurzer Zeit; zum Glück nichts als heiße Luft, aber das konnte man ja vorher nie wissen. Weil irgendein zu kurz gekommener Dummkopf sein Ego aufpolieren und sich aufspielen musste, waren alle gezwungen worden, das Messegelände Nord zu verlassen. Als Leo zurückgekommen war, war die Sackkarre weg.
Schöner Mist.
Und jetzt auch noch das hier. Sie würde also kündigen. Sobald sie dem kreischenden Affen da die Autoschlüssel wieder abgenommen hatte. Die Schlüssel zu dem Lieferwagen, der vor der Messehalle 24 darauf wartete, entladen zu werden. Der Lieferwagen der Floristikfirma, die die Messestände betreute, Sorghuts Blumenservice für jeden Anlass. Dessen Chefin Leo wahrscheinlich feuern würde, bevor sie überhaupt den Mund aufmachen geschweige denn ihren Arm aus dem Käfig befreien konnte.
Da kam sie schon.
Eine kleine Delegation steuerte auf Stand C.53.1 zu, den Leo nach Wunsch des chinesischen Ausstellers bis zur Eröffnung |6|der CeBIT in eine Art Zen-Garten verwandeln sollte mit Bambuskübeln und Lotusteich. Was die drei Affen hier zu suchen hatten, war nicht klar. Gestern waren sie jedenfalls noch nicht dagewesen. Erstaunlich, was die Messeleitung alles tolerierte. Es musste wohl mit dem Firmenmotto des Ausstellers zu tun haben, nichts hören, nichts sagen, nichts sehen und trotzdem kommunizieren, so in der Art vielleicht. Leo wusste nicht, was auf diesem Stand überhaupt ausgestellt werden sollte, es war ihr auch herzlich egal.
Der Schlüsselbund war ihr aus der Tasche gerutscht, als sie sich über den Käfig gebeugt hatte, um die überraschenden Neuzugänge näher in Augenschein zu nehmen. Leos Unterarm reichte nicht weit genug, um ihn herauszuangeln. Blitzschnell hatte der Affe mit dem gelben Halsband zugegriffen.
»Gib die verdammten Schlüssel her!« Der Dieb, eindeutig das dominante Männchen des Trios, fauchte giftig zurück und tobte mit seiner Beute durch den Käfig, während die beiden anderen eingeschüchtert in ihren Ecken hockten. Alle drei trugen diese dicken Halsbänder, die an den schmächtigen Hälsen viel zu klobig wirkten. Der Affe mit dem türkisfarbenen machte einen ausgesprochen elenden Eindruck, der dritte – weißes Bändchen – beäugte Leo abwartend.
Im Grunde taten sie ihr leid. Sie gehörten nicht in eine Messehalle und eigentlich auch nicht hinter Gitter. Die Affen waren etwa einen halben Meter groß, mit lineallangem Schwanz und struppigem bräunlichem Fell, und der Käfig schien zu eng für sie. Das Gitterwerk war jedenfalls zu eng für Leos Arm. Sie steckte fest.
Inzwischen hatte die Delegation ihr Ziel erreicht.
|7|»Sind Sie verrückt geworden? Wie kann man nur so leichtsinnig sein!« Die tadelnde Stimme gehörte zu Leos Erleichterung nicht Irene Sorghut, sondern einer unbekannten Frau im rustikalen Parka und mit dicksohligen Arbeitsstiefeln. Begleitet wurde sie von zwei ähnlich ausstaffierten Männern und zwei Polizisten in Uniform. Alle fünf trugen irritierenderweise Handschuhe und einen Mundschutz.
»Diese Primaten haben ein mörderisches Gebiss! Unter Umständen sind es Wildtiere, die an Menschen nicht gewöhnt sind. Haben Sie überhaupt eine Vorstellung, was für Krankheiten die übertragen können? Nehmen Sie Ihren Arm da raus, um Himmels willen!«
Leo versicherte, dass sie das sehr gerne tun würde: Es ging aber nicht.
Vier Hände packten von hinten zu, zerrten an Leos Schulter und am Käfigrahmen. Jetzt erwachten auch die beiden anderen Affen aus ihrer Lethargie, aber bevor alle durchdrehen konnten, landete Leo auf dem Hosenboden. Der Arm war frei.
»Viel zu wenig Platz da drin«, knurrte einer der Männer, der hilfreich Hand angelegt hatte. »Und der Abstand der Stäbe! Jenseits aller Norm.« Der Affe mit dem weißen Halsband unterstrich seine Worte, indem er eine Hand provozierend aus dem Käfig schob. Die Polizisten traten einen Schritt auf Leo zu.
»Haben Sie Papiere für die Affen?«, fragte der eine.
»Ich? Nein, wieso denn? Ich bin nur die Gärtnerin, für die Flora zuständig, nicht für die Fauna.« Sie sagte Gärtnerin, wie immer, wenn es ihr zu kompliziert erschien, sich als Gartenarchitektin vorzustellen. Für diesen Messejob war sie im |8|Grunde mehr als überqualifiziert, aber die Zeiten waren nun mal nicht gerade rosig. Sie nahm, was sie kriegen konnte.
Der Polizist zückte ein Notizbuch. »Ihr Name?«
»Leonore Heller. Aber hören Sie, ich wollte bloß die Autoschlüssel … die sind mir aus der Tasche gerutscht, als ich … Oh, Vorsicht, nicht den Bambus umstoßen!« Hastig rückte Leo den einzigen Kübel beiseite, den sie bislang zum Stand geschafft hatte. »Es war wirklich schwer, den hierher zu schleppen, unsere Sackkarre ist nämlich verschwunden, und Mister Kong, das ist der Inhaber des Standes …«
»Ist uns bekannt«, warf der Polizist nach einem kurzen Blick auf sein Klemmbrett ein.
»So? Ich hatte bisher nur mit seinem Assistenten zu tun. Jedenfalls will Mister Kong diese Sache hier unbedingt bis morgen Mittag erledigt haben, das ist noch ein Haufen Arbeit, und was die Affen hier sollen, weiß ich auch nicht, von Affen war vorher nie die Rede!«
Warum quasselte sie so viel? Sie hörte sich an wie das leibhaftige schlechte Gewissen, dabei war sie einfach nur nervös. Jede Wette, dass Irene Sorghut bald aufkreuzen würde, um zu kontrollieren, wie weit sie mit der Arbeit war. Und die teils neugierigen, teils belustigten Blicke der Mitarbeiter der diversen Messebaufirmen, die an den Ständen in der Umgebung werkelten und den chinesischen Garten mehr als exotisch fanden, gingen Leo nicht erst seit heute Morgen auf die Nerven.