Stein mit Hörnern. Liselotte Welskopf-Henrich

Stein mit Hörnern - Liselotte Welskopf-Henrich


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– in welchen Raten wollen Sie abzahlen, und wie wollen Sie das mit den neu anfallenden Kosten halten? Sie können es sich überlegen. Wir kommen Ihnen entgegen. Sagen Sie noch vor Ihrer Abreise bitte im Büro Bescheid.«

      Die Worte waren Wellen, die rings um Queenie schaukelten, um sie zu ertränken.

      »Ja – danke.« Queenie stand auf und ging.

      3 900 Dollar – im Rückstand.

      Sie hatte einen Scheck bei sich, den Scheck, den sie für das verkaufte Porträt von Rotadlermädchen erhalten hatte. Sie hatte das tote Rotadlermädchen verkauft. So fühlte sie es. 1 300 Dollar. Sie gab den Scheck im Büro ab und vereinbarte, dass sie 2 600 Dollar innerhalb von zwei Monaten in vier Raten abzahlen würde, zusätzlich zu den laufenden Kosten von 50 Dollar pro Tag und den künftig anfallenden Arztrechnungen. Jede zweite Woche waren etwa 3 200 Dollar einzuzahlen.

      Wenn sie noch einmal im Rückstand blieb, würde Joe sofort in das Indianerhospital der Reservation zurückverwiesen.

      Oder in die benachbarte öffentliche Klinik der Stadt? Nein, das wäre sinnlos, da dort auch keine besseren Heilmittel zur Verfügung standen als im Indian Hospital.

      Queenie sagte noch einmal: »Ja – danke. Ich danke für die Auskunft.«

      Dann ging sie zu ihrem Mann.

      Seit dem Morgen waren Jahre verflossen. Alles hatte sich geändert. Eine Lüge, klein und erleichternd, war groß geworden. Wer sie sah, hatte Angst. Queenie allein aber sah sie. Kein anderer wusste davon.

      Es gab keine Ersparnisse mehr. Es gab Schulden. Der Gesundheitsdienst bezahlte nicht.

      Queenie saß bei ihrem Mann.

      Joe sagte nichts. Er nahm das Bild seiner Frau in sich auf, er atmete ihren natürlichen Duft, er wartete, ob er ihre Stimme wieder hören würde.

      Queenie schwieg. Auch sie nahm ein Bild in sich auf, Joes Hände, das Gesicht, das Ende der Schiene am Hals. Unter der Decke zeichneten sich die Füße ab. Sie wartete darauf, seine Stimme zu hören.

      Es verging eine Zeit, und da Joe nichts fand, was wichtig war und was er sagen durfte, und da Queenie nichts wusste, was wichtig war und was sie aussprechen konnte, so hörten sie ihre Stimmen nicht mehr, bis Queenie endlich ging. Dabei sagte sie: »Morgen früh komme ich noch einmal.«

      Sie dachte aber daran, dass ihr Mann jetzt gebettet wurde von jener Schwester in Uniform, die viele Kranke bettete, und dass er dann die ganze Nacht hindurch ohne Bewegung lag. Viele Tage und viele Nächte lag er schon so, und noch viele Nächte würde er so liegen, und er sollte nichts davon wissen, dass es keine Ersparnisse mehr gab. Er sollte nicht wissen, dass seine Frau Angst hatte.

      Joe Inya-he-yukan King sah Tashina an, sie fühlte sich von ihm erkannt und sie schwieg doch.

      Die Lügenfäden schwangen um sie in der Luft, legten sich um ihre Zunge und ihre Hände, trübten mit feinen Schleiern ihre Augen und schienen leicht und zart, während Tashina schon wusste, dass sie tödlich sein konnten.

      Als sie ihr Kind wieder im Arm hatte, weinte sie. Sie war eine verweinte Frau im weißen Kleid, dessen Glitzern vom Staub geblendet wurde. Den Mantel legte sie auch am Steuer nicht um. Das Weiße sollte trübe werden, und sie wollte dieses Kleid nicht wieder tragen, ehe Joe gesund war.

      Als sie nach Hause kam, begann sie das Bild eines Fisches, der durch eine Glaswand glotzt. Es war aber ein Mensch. Elisha Field erfuhr eines Tages davon und freute sich im Stillen, dass eine Malerin sein Aquarium malte. Er wunderte sich endlich, woher sie es kennen konnte.

      Es war ihm unheimlich, dass sie kennen sollte, was selbst seine Stammgäste nie zu Gesicht bekamen, und er begann, sich vor der Indianerin zu scheuen, die sein geordnetes Dasein störte, ohne ihm je begegnet zu sein.

      Mrs Carson hatte Queenie bestätigt, dass der Antrag auf einen Zuschuss zu den Klinik- und Arztkosten für ihren Mann in der Privatklinik außerhalb der Reservation abgelehnt war.

      Queenie war zumute, als ob sie ausgezogen würde. Es gab niemanden mehr, der nicht wusste, dass Queenie King um Geld verlegen war und um Geld kämpfte. Es gab niemanden mehr, der nicht glaubte zu wissen, dass Joe King ebensowohl im Indian Hospital auf der Reservation hätte gesunden können, dass es aber sein Spleen war, in einer teuren Privatklinik außerhalb seines Heimatgebietes betreut zu werden.

      Roger Sligh zuckte die Achseln. Er hatte den Zuschuss beantragt. Der Gesundheitsdienst hatte abgelehnt. Die Angelegenheit war für ihn abgeschlossen. Mr Nick Shaw zuckte nicht nur die Achseln. Er empfahl Mrs King, die Verlegung sofort in die Wege zu leiten.

      Mr Brown, Ökonomie, deutete an, dass es nicht infrage komme, eine blühende Ranch zu ruinieren und Vieh und Pferde zu verkaufen, nur weil ein Joe King ungewöhnliche Privatansprüche stellte. Er erwog, ob er gestatten könne, dass der Büffelstier abgeschossen werde. Er müsse das überprüfen. Er konnte dem Antrag nicht von einem Tag auf den andern nachgehen. Es war notwendig, diese Frage sachverständig zu behandeln. Miss Mary Booth wusste in dergleichen Dingen zwar Bescheid, aber vielleicht gab sie auch nur dem Drängen der jungen Mrs King nach, die Geld brauchte. Mrs King war zweiundzwanzig Jahre. Es schien entschuldbar, wenn sie alles für die Ansprüche ihres Mannes opfern wollte. Mr Brown, ein sehr verantwortungsbewusster Dezernent, konnte eine solche Schwäche verzeihen, aber er durfte ihr nicht nachgeben.

      Mrs King war zart, liebenswürdig, klug, bestechend.

      Doch ein verantwortungsbewusster Dezernent gab in einem solchen Falle nicht nach.

      Mrs King wartete von einem Mal zum andern länger, wenn sie die zuständigen Personen auf der Superintendentur zu sprechen wünschte. Die Büffel waren von privat verdientem Geld angekauft worden. Mrs King beanspruchte Handlungsfreiheit für den Verkauf. Über den Anspruch musste entschieden werden. Der Vorgang wurde der Distriktverwaltung zugeleitet.

      Queenie King wurde schmaler und nervöser. Sie hatte nicht mehr genug Milch und musste ihr Kind zweimal am Tage Mary Booth mit an die Brust geben. Es fiel ihr nicht leicht. Mrs King war noch zart, aber ihr Ernst war nicht mehr liebenswürdig und ihre Art zu drängen für Amtspersonen nicht mehr bestechend. Wenn Queenie sich vor den Menschen verstecken konnte, die ihre Wünsche abtasteten und Gedanken aus ihr herauszogen wie Fäden aus einem Gewebe, dessen gute Qualität sie bestreiten wollten, so saß sie an ihrer Staffelei und malte den Fisch. Er glotzte.

      Sie bot das Bild da und dort schon zum Verkauf an, noch ehe es fertig war.

      An einem Vormittag erhielt Mr Brown den Bescheid der Distriktverwaltung, dass der Büffelstier abgeschossen und die Verwendung von Fell und Fleisch Mrs King anheim gegeben werden könne, der Erlös aber auf alle Fälle zu zwei Dritteln in der Ranch investiert werden müsse. Das Schreiben der Distriktverwaltung war von S. Bighorn unterzeichnet. Mr Brown leistete eine halbe Stunde später die Unterschrift unter einen entsprechenden Brief an Mrs Joe King. Einen Zustelldienst auf die King-Ranch gab es nicht. Den Brief würde Mrs King erhalten, sobald sie auf dem Postamt der Agentursiedlung ihre postlagernden Sendungen abholte.

      Eben vorher aber geschah es. Mary Booth wollte sich zu Pferd aufmachen. Sie wollte zu Bob und Melitta reiten, den jungen Ranchern, denen sie das Geld für die ersten Anschaffungen zur Verfügung gestellt hatte. Bei diesem Ritt die Büffelweide zu vermeiden hätte einen großen Umweg bedeutet. Den Ritt auszunutzen, um sich bei der Herde umzusehen, schien zweckmäßig. Auch die zweite Kuh hatte inzwischen gekalbt. Es hatte dabei Schwierigkeiten gegeben, und es war nicht leicht gewesen, den Stier fernzuhalten. Die Büffelkuh und ihr Kalb waren wieder bei der Herde. Mary wollte sich darum kümmern. Robert war für die letzten fünf Tage seiner Haft im Stammesgefängnis. Bald würde er wiederkommen. Aber Mary konnte den Weg zu Bob und Melitta doch benutzen, um sich wieder einmal bei den weidenden Büffeln umzusehen.

      Sie hatte das Lasso und den elektrisch geladenen Treibstock dabei, und sie nahm ein Jagdgewehr mit, was nicht üblich war. Mary hatte Angst. Sie wollte sich das nicht eingestehen, denn Angst war ein ihr ungewohntes, sie verwirrendes Gefühl. Angst war nicht Mary Booth. Angst


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